Aufgeschreckt durch den Corona-Schock, versuchen zahlreiche Branchen, sich besser auf die Zukunft vorzubereiten und fragen sich: Wie bleibt mein Unternehmen auch in Krisenzeiten widerstandsfähig und gewinnbringend? Dabei rücken immer stärker die Angestellten in den Fokus, die nicht nur „Dienst nach Vorschrift“ machen - sondern selbst unternehmerisch agieren.
Unternehmerisches Denken ist zentrale „Future Skill“
Laut einer aktuellen Studie des Stifterverbandes, einer Gemeinschaftsinitiative von deutschen Unternehmen und Stiftungen, zählt neben digitalen Schlüsselqualifikationen vor allem unternehmerisches Denken bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur zentralen Kompetenz der Zukunft, die derzeit noch nicht ausreichend berücksichtigt wird.
Unternehmerisches Denken bedeutet beispielsweise, Tätigkeiten so effektiv wie möglich zu organisieren und nach den Interessen des Unternehmens auszurichten. Aus Sicht einer Führungskraft bildet unternehmerisches Denken und Handeln die Grundlage für jeden geschäftlichen Erfolg. Auf Ihre Kanzlei gemünzt heißt das: Als Inhaberin oder Inhaber sind Ihre persönlichen Entscheidungen maßgeblich für den Erfolg Ihrer Kanzlei. Kluge Entscheidungen zu treffen, entschlossen zu handeln und vorausschauend zu planen, gehören daher ebenso zu den Kompetenzen eines Kanzleiinhabers oder einer Kanzleiinhaberin wie die Fähigkeit zur Selbstreflektion und zur persönlichen Weiterentwicklung.
Auch Fachangestellte können entscheiden
Unternehmerisches Denken und Handeln wird aber in Zukunft nicht nur in der Chefetage gefragt sein, sondern auch im Angestelltendasein. Das bedeutet, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit bekommen sollten, selbst Entscheidungen zu treffen - zum Beispiel bei der direkten Zusammenarbeit mit den Mandantinnen und Mandanten.
Was es dafür braucht? Vertrauen! Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeiter und deren Entscheidungen gilt als neuer Erfolgsfaktor für Führungskräfte. In gleichem Maße müssen Führungskräfte das Vertrauen der Mitarbeiter gewinnen, um mutige Entscheidungen bei ihnen zu fördern. Vertrauen ist eine zu wenig genutzte Ressource und gleichzeitig das vielleicht wichtigste Schmiermittel der Zusammenarbeit, ohne welches sich kein Unternehmenserfolg einstellen kann. Untersuchungen zeigen: Wer vertraut, ist motiviert und auch bereit, mehr zu leisten.
Verantwortung abzugeben, bedeutet nicht Kontrollverlust
Wenn unternehmerisches Denken und Handeln in einer Kanzlei verankert werden soll, ist ein Umdenken und Neulernen bei den Vorgesetzten notwendig. Einerseits sollen Steuerfachangestellte ihre Fähigkeit entwickeln, unternehmerisch zu denken und zu handeln. Übersehen wird oft, dass auch ihre Chefs die Fähigkeit entwickeln müssen, Mitarbeiter unternehmerisch denken und handeln zu LASSEN. Und das ist nicht nur eine Frage individueller Kompetenzen, sondern auch der Unternehmenskultur. Dabei müsste das Fordern von mehr Eigenverantwortung und -initiative auch mit einem Rückzug der Vorgesetzten aus dem Tagesgeschäft verbunden sein.
Ergebnisorientierte Anreizsysteme sind eine Option
Da sich unternehmerisches Denken insbesondere bei der Kanzleiarbeit auch über besonders effizientes Verhalten widerspiegelt, kann es sich für Inhaber lohnen, ergebnisorientierte Anreizsysteme für Steuerfachangestellte zu bauen. Beispielsweise, indem man eine mögliche variable Vergütung – dort, wo es möglich ist – an eine Kosten- oder Umsatzgröße koppelt.
Wenn es entsprechend gelingt, die Mitarbeiter über ein gut aufgesetztes Controlling etwas näher an die relevanten Zahlen des eigenen Bereiches zu bringen, gibt man damit die Möglichkeit, sich selbst beziehungsweise die eigenen Ausgaben und Einnahmen eigenhändig zu steuern und die Steuerfachangestellten damit zu Unternehmern im Unternehmen zu machen.
Gerade für Steuerberatungskanzleien besteht hier allerdings eine besondere Herausforderung: Viele Angestellte motiviert eine reine Kopplung am Umsatz nicht, weil sie es meistens gar nicht in der Hand haben, welche Mandate an Land gezogen werden. Sie agieren nur im Hintergrund, während der führende Steuerberater mit dem Mandanten zu tun hat und am Ende seine Leistung entscheidet. Die Mitarbeiterschaft sieht dann keine leistungsgerechte Bezahlung. Hier braucht es echte Gestaltungsspielräume in der Zusammenarbeit mit den Mandanten.
Ohne Mitarbeiterbindung läuft gar nichts
Noch besser als am Geld macht man unternehmerisches Denken aber an der Verantwortung fest: Um die Unternehmerin oder den Entrepreneur besser vom Manager abzugrenzen, prägte schon vor 100 Jahren der US-Politiker Gifford Pincot den Begriff „Intrapreneurship“. Hiermit sollte das wünschenswerte Verhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in einem Unternehmen beschrieben werden. Sie sollten sich zum Unternehmen und zu ihrer Arbeit so einstellen, als wären sie selbst die Unternehmer. Nur so könne die Flexibilität der Unternehmen erhöht werden, glaubte Pincot.
Er schlug umfassende Intrapreneurship-Programme vor und definierte ihre Rahmenbedingungen: Flache Hierarchien, eine neue offene Kommunikationskultur, die Informationen für einen wachsenden Kreis von Mitarbeitern zugänglich machten und Anreize durch Aufstiegsmöglichkeiten, bessere Arbeitsbedingungen und Gehaltssteigerungen. Verantwortung und Zufriedenheit gehen mit diesen Rahmenbedingungen Hand in Hand.
Und die Zufriedenheit Ihrer Steuerfachangestellten ist eng mit der emotionalen Bindung zur Kanzlei verknüpft. Arbeitspsychologen nennen als Voraussetzungen, um eine solche emotionale Bindung aufzubauen, soziale Beziehungen und zufriedenstellende Rahmenbedingungen wie Arbeitszeiten, klar erreichbare Ziele, ganzheitliche Arbeitsaufgaben mit Handlungsspielraum sowie angemessenes Feedback und Lohn. Oder anders ausgedrückt: Zufriedene Mitarbeiter, die eine emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen aufgebaut haben, sind auf dem besten Weg dahin, Verantwortung zu übernehmen und unternehmerisch zu denken und zu handeln.