Noch nie war der Bedarf nach Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch so groß, wie im Zuge der digitalen Transformation der Steuerberaterbranche. Ein reger Austausch mit Kollegen kann helfen, die Kanzlei zukunftsfähig aufzustellen. Dutzende Netzwerke bieten dafür ihre Hilfe an.
„Wir thematisieren alles außer Steuer“, sagt Angela Hamatschek. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Cordula Schneider leitet sie eines der ältesten Steuerberaternetzwerke Deutschlands, delfi-net. Das Netzwerk wurde bereits 1999 ins Leben gerufen, zählt rund 100 Mitglieder und hat sich die Freude an Gemeinschaft und Entwicklung auf seine Fahnen geschrieben. Die Mitglieder sind Inhaber von Steuerkanzleien, zahlen einen monatlichen Beitrag und sind rechtlich nicht miteinander verbunden. Thematisch geht es in dem Netzwerk vor allem darum, sich über Unternehmens- und Management-Themen auszutauschen, beispielsweise über Marketing-Prozesse, Kanzlei-Planung oder Digitalisierung.
„Das Herzstück unseres Netzwerkes ist der Erfahrungsaustausch“, betont Hamatschek. Vier Mal pro Jahr treffen sich die Mitglieder regional an verschiedenen Orten und überregional online in Themen-Workshops. Bei diesen Treffen geht es darum, sich Tipps und Anregungen von den Kollegen*innen zu holen. Schneider und Hamatschek sind die „Anstifterinnen“ des Netzwerkes und bringen Impulse und ihre eigenen Erfahrungen aus der Praxis als Kanzleiberaterinnen ein. Sie fungieren quasi als Trendscouts und Sparringspartner. Zwei wichtige Themen, die Kanzlei-Inhaber momentan umtreibt, sind beispielsweise Honorar-Optimierung oder Mitarbeitermarketing. Entsprechend werden dafür Hilfestellungen für Kanzleien entwickelt. Neben Webinaren werden auch Leitfäden, Formulierungshilfen, Musterbriefe oder Excel-Tools für die Mitglieder angeboten.
Darüber hinaus betreibt das Netzwerk ein eigenes Intranet. Dort gibt es verschiedene Arbeitsbereiche und Themengruppen, in denen sich die Mitglieder untereinander auch zu fachlichen Themen austauschen können. Die Aufnahme ins Netzwerk erfolgt über einen mehrstufigen Prozess, bei dem die bestehenden Mitglieder ein Vetorecht haben.
Der Klassiker der Steuerberaternetzwerke: Online und vor Ort vernetzt
Ein solcher Initial-Aufwand kann sich lohnen. Denn insbesondere in der jetzigen Umbruchsphase, die durch die Digitalisierung der gesamten Steuerberater-Branche gekennzeichnet ist, ist es hilfreich, von den Erfahrungen anderer zu hören, sich auszutauschen und Tipps und Tricks für die digitale Transformation und den neuen Kanzlei-Alltag zu erhalten. Der Wissenstransfer unter Kollegen ist wichtig. Und genau dafür sind Steuerberater-Netzwerke prädestiniert. Es gibt dutzende von ihnen – in sehr unterschiedlichen Ausprägungen.
Zum einen haben sich klassische Netzwerke etabliert, bei denen – wie bei Delfi-Net – die Mitglieder einen monatlichen Beitrag zahlen und im Gegenzug Webinare, Online-Foren und Vor-Ort-Veranstaltungen für den Austausch nutzen können. Auch das K3 Steuerberater Netzwerk funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip. Die K3 GmbH hat ausgesuchte Steuerkanzleien aus dem gesamten Bundesgebiet miteinander vernetzt. Regelmäßig finden Netzwerktreffen in kleinen Gruppen statt. Unter anderem haben Mitglieder hier Zugang zu einem umfangreichen Tool-Downloadbereich. Im Krankheitsfall oder während längerer Ausfälle kann über das Netzwerk sogar eine Vertretungsübernahme organisiert werden.
Neben solchen offenen Netzwerken existieren auch geschlossene Steuerberater-Netzwerke, wie das Steuerberaternetzwerk „ 8Berater“ oder „Der-Steuerraum.de“. In geschlossenen Netzwerken kooperiert eine fest definierte Anzahl an Steuerkanzleien, um den jeweiligen Mandanten ein breiteres Spektrum an Spezialwissen zu bieten. Man kooperiert miteinander, bleibt aber eigenständig.
Digitale Netzwerke für Steuerberater – smart und reichweitenstark
Um sich überregional mit Kollegen auszutauschen, kann – nicht nur zu Pandemiezeiten – auch ein digitales Steuerberaternetzwerk nützlich sein. Eines der jüngsten sind die VIP-Steuerköpfe. Man bezeichnet sich selbst Steuerberater-Club. Zur Gemeinschaft zählen 370 Kanzleien. Für 2.400 Euro im Jahr gibt es hier Live- und Best-Practice Webinare, Videokurse, ein Verzeichnis der Mitglieder mit Fachgebieten, Stärken und eingesetzter Software und vieles mehr. Unter anderem können sich die Netzwerkmitglieder hier auch mobil über Themengruppen im Messenger-Dienst Telegram austauschen.
Wo Wissen geteilt wird, kommt es zu einem stärkeren Austausch. Und der ist von vielen Steuerexperten erwünscht. Das zeigt der Report „Zukunftskanzlei reloaded“. Der Steuerberater der Zukunft kann auf ein ganzes Ökosystem an Experten zurückgreifen, nicht nur für seine Mandanten, sondern auch für seine internen Kanzleiabläufe. |
Der Fokus des Netzwerkes „ Steuerberaterseite“ liegt ebenfalls im digitalen Bereich. Die Seite zählt knapp 4.300 registrierte Mitglieder, rund 20 Prozent davon nutzen sie aktiv als Netzwerk. Initiator und Betreiber des Portals ist der Software-Anbieter Agenda. „Wir möchten mit diesem Angebot ganz bewusst eine Plattform schaffen, die abseits unserer Software-Produkte Steuerberatern und Branchenkollegen einen Raum zum Austausch bietet“, sagt Philipp Stenglin, Abteilungsleiter Marketing und Projektverantwortlicher für das Netzwerk. Den Schwerpunkt hat man auf das große Themenfeld der Digitalisierung gesetzt. Dabei geht es nicht nur um Tools und Software-Lösungen, sondern auch um marktbewegende Inhalte wie aktuelle Analysen. Wie verändert sich beispielsweise die Kanzleilandschaft oder die Zusammenarbeit mit den Mandanten? – Mit dieser Frage ist man 2013 gestartet, 2019 kam dann die Idee hinzu, die Seite um ein digitales Netzwerk zu erweitern.
„Uns ist es wichtig, stets konkrete Lösungen und Tipps zu kommunizieren, die Steuerberatern die Arbeit heutzutage wirklich vereinfachen. Deshalb arbeiten wir seit der Initialzündung immer wieder mit Partnern wie etwa Steuerberaterverbänden zusammen, um Informationen zielgruppengerecht aufzubereiten“, erläutert Stenglin. Die Infos werden als Interviews zu Best Practices, Wissensartikel oder konkrete Arbeitshilfen und Ratgeber aufbereitet, welche die Mitglieder kostenlos herunterladen können. Über eine Filtersuche können registrierte Mitglieder andere Steuerberater und weitere Akteure der Branche finden. „Wir verstehen das digitale Netzwerk als den Funken, der das persönliche Netzwerk jedes Teilnehmenden in Bewegung setzen kann“ sagt Stenglin. Das Netzwerk und die Wissensangebote sind kostenfrei.
Steuerberater-Genossenschaft mit Zoom-Meetings und Vor-Ort-Kongress
Eine besondere Stellung im Netzwerkmarkt nimmt die Steuerberatergenossenschaft ein. Hervorgegangen ist das Netzwerk aus der Facebookgruppe „Steuerberater unter sich – Gemeinsam die Zukunft gestalten!“. Als diese Gruppe immer stärker wuchs, beschlossen Sebastian Merla und Gregor Ganschow im Jahr 2020 den Austausch besser zu strukturieren. Um den kommerziellen Netzwerken etwas entgegenzusetzen, entschieden sie sich für ein Genossenschaftsmodell und gründeten die Deutsche Steuerberatergenossenschaft e. G. (DEUSEG). „Wir wollten etwas Besonderes schaffen und wir sind Gerechtigkeitsfanatiker“, sagt Ganschow. Es gibt diverse Netzwerke mit unterschiedlichen Beitragsmodellen am Markt, welche ihre Beiträge – unabhängig von der Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen – beziehen. „Wir sind jedoch der Meinung, der Beitrag sollte ausschließlich von den Leistungen abhängen, die ein Steuerberater aus dem Netzwerk bezieht“, sagt Ganschow. So zahlen angestellte Steuerberater für die „Support-Mitgliedschaft“ hier nur 95 Euro pro Jahr, da sie weniger Nutzen aus der Gemeinsachhaft ziehen können als die selbstständigen Steuerberater und die Inhaber kleiner und mittelständischer Kanzleien, für die der Jahresbeitrag bei 295 Euro beginnt.
In Zoom-Meetings tauschen sich die Mitglieder regelmäßig zu festgelegten Terminen und Themen aus. Diskutiert werden beispielsweise Fragen zu Marketing, Personal, Honorar oder das On-Boarding neuer Mandanten. Außerdem wird in diesem Jahr in Berlin (23./24.06.22) der erste Steuerberaterkongress der DEUSEG mit Vorträgen und Workshops abgehalten. Über Kooperationspartner erhalten die Mitglieder bessere Konditionen für Fortbildung und Technologien. Unabhängig von einer Mitgliedschaft in der Genossenschaft kann jeder Berufsträger auch der Facebook-Gruppe beitreten. Der Bedarf unter den Steuerberatern nach Vernetzung und Austausch scheint nach wie vor sehr groß. Die erst im Jahr 2019 gegründete Facebook-Gruppe zählt mittlerweile knapp 6.400 Mitglieder, das DEUSEG-Netzwerk ist mit rund 450 Mitgliedern auf bestem Weg eines der reichweitenstärksten Netzwerke für Steuerberater zu werden.
Wer sich mit Kollegen vernetzen möchte, kann – wie die Beispiele zeigen – aus sehr unterschiedlich fokussierten Netzwerken wählen. Vom handverlesenen persönlichen Kontakt, über eine inspirierende reichweitenstarken Online-Austausch bis hin zu kostenfreien Social-Media-Vernetzungen. Um herauszufinden, welche Netzwerk-Ausrichtung am besten zur eigenen Kanzlei, sollte nicht nur das Preis-Leistungsverhältnis hinterfragt werden. Auch das Reinschnuppern und Mitdiskutieren kann sehr aufschlussreich sein, bevor man sich für ein Netzwerk entscheidet.