Prozessberatung für Steuerberater

Steuerberater Sven Ott hat eine Fachgruppe mit Kanzleien und IT-Dienstleister ins Leben gerufen, die ihren Mandanten neue Formen der Beratung anbieten möchte.

Herr Ott, wie sieht aktuell ein Arbeitstag bei Ihnen aus?

Sven Ott: Ein normaler Arbeitstag? Das ist schwer. Ich betreue zwar immer noch Mandanten, habe aber immer weniger mit dem normalen Tagesgeschäft zu tun. Statt mit den klassischen Jahresabschlüssen beschäftige ich mich heute mit Prozessen in Unternehmen und wie diese digitalisiert und so verbessert werden können.

Wie ist es dazu gekommen, Sie sind schließlich Steuerberater von Beruf?

Ja, aber ich war nie derjenige, der Steuererklärungen gerne gemacht hat. Das widerspricht sich, ich weiß, aber so war es. Ich habe zwar die klassische Steuerberaterkarriere gemacht, aber bereits vor meiner Prüfung zum Fachgehilfen waren meine Interessen im betriebswirtschaftlichen Bereich angesiedelt. Nach dem Steuerberater habe ich deshalb eine Weiterbildung zum Rating Analyst gemacht.

Auf die Steuerklärungen konnten Sie wahrscheinlich trotzdem nicht verzichten?

Klar, das blieb nicht aus. Aber dazu kamen Planungsrechnungen und Nachfolgeberatungen. Vor allem ging und geht es mir um betriebswirtschaftliche Prozesse und Analysen. Die Übermittlung an das Finanzamt ist lediglich ein Abfallprodukt. Das war schon früher meine Denkweise und die bestätigt sich jetzt immer mehr.

Sven Ott

Wie meinen Sie das?

Die Übermittlungen an das Finanzamt werden zunehmend automatisiert und vereinfacht. Wenn in den vorhergegangenen Prozessen alles richtig gemacht wurde, erledigen sich die Deklarationen fast von alleine.

Genau diese unternehmensinternen Prozesse nehmen Sie in den Blick. Woher haben Sie anfangs die Zeit dafür genommen?

Das war ein schleichender Prozess. Wie gesagt, ich hatte schon immer Interesse an dieser Art von Beratung. Es stimmt, in Kanzleien gibt es oft Zeit- und/oder Fachkräftemangel. Doch genau deshalb habe ich mir die Frage gestellt, wie Prozesse im Rechnungswesen und im Jahresabschluss effektiver gestaltet werden können.

Hat Ihre Kanzlei dieses Interesse gefördert?

Ja, und aktuell haben wir den Luxus, dass ich und eine weitere Kollegin unser Augenmerk komplett auf die Prozessoptimierung und die -beratung legen dürfen. Unsere Geschäftsleitung hat die Notwendigkeit dafür erkannt. Wir wollen auch noch in ein paar Jahrzehnten am Markt Bestand haben.

Sie haben vergangenes Jahr die Fachgruppe „Digitaler Belegfluss“ mitgegründet. Was hat es damit auf sich?

Uns geht es darum, unseren Mandanten eine ganzheitliche Betreuung anzubieten. Wir wollen nicht erst dann mit der Arbeit beginnen, wenn in einem Unternehmen bereits alle Prozesse abgeschlossen sind, sondern auch als Steuerberater von Anfang an miteinbezogen werden.

Zur Gruppe gehören verschiedene Kanzleien und IT-Dienstleister. Gab es keine Sorgen, dass es innerhalb der Gruppe zu Interessenskonflikten kommen könnte?

Nein, überhaupt nicht. Die Kanzleien haben alle fast die gleiche Größe und vereinen unterschiedliches Know-how. Wir betreuen unsere Mandanten immer noch selbstständig, aber wir tauschen uns aus. Zusammen können wir unseren Mandanten außerdem Workshops anbieten, in denen sie mehr über digitalisierte Prozesse erfahren. Alleine würden wir das nicht hinbekommen.

Überzeugen Sie die Mandanten von Ihren Angeboten?

Die Workshops sind in erster Linie Informationsveranstaltungen. Die richtige Überzeugungsarbeit beginnt meist mit einer Ist-Aufnahme. Wir visualisieren die bestehenden Prozesse und zeigen zum Beispiel, wie oft ein Beleg manuell bearbeitet wird. Anschließend zeigen wir, wie viele Schritte mit unserer Hilfe wegfallen könnten. Dann macht es beim Mandanten meist klick.


Eine Kanzlei arbeitet nicht digital, nur weil sie Belege einscannt.


Es gibt aber auch Mandanten, bei denen wir auf kein Interesse stoßen. Dort versuchen wir immer wieder zu überzeugen. Ein Mandant, von dem wir es nicht erwartet hätten, ist zum Beispiel nach unserem Workshop „Digitaler Belegfluss 2018“ mit einer Anfrage auf uns zugekommen. Manchmal liegt es auch einem sich einleitenden Generationswechsel, dass Unternehmen auf uns zukommen. Und manchmal erfahren sie auf Veranstaltungen von Verbänden, wie viel Potential in einer Prozessverschlankung stecken kann.

Wie groß sind die Unternehmen, die Sie beraten?

Wir beraten kleine bis prüfungspflichtige Unternehmen. 

Wie überzeugt sind andere Kanzleien von diesem Beratungsansatz?

Viele Kolleginnen und Kollegen denken, sie hätten keine Zeit für eine weitere Aufgabe. Das ist das Feedback, das ich von unterschiedlichen Gruppen und während Seminaren zu hören bekomme. Unseres Erachtens ist diese Aufgabe aber ein Muss. Eine Kanzlei arbeitet nicht digital, nur weil sie Belege einscannt.  Aber ich verstehe auch, dass es gerade kleinen Kanzleien schwerfällt, sich mit neuen Aufgaben zu befassen. Deswegen sollten Kanzleien ihr Know-how bündeln. Trotzdem muss man natürlich viel Eigeninitiative einbringen und sich noch einiges an Wissen aneignen. Der Beruf des Steuerberaters und der Steuerfachangestellten wird sich in den kommenden Jahren verändern. Da ist es nur ratsam, so viel wie möglich in die eigene Weiterbildung zu investieren.

Geben Sie Ihr Wissen an Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Kanzlei weiter?

Einmal im Quartal veranstalten wir Workshops und wir treffen uns jeden Freitag in lockerer Runde, in der wir viele Dinge besprechen. Außerdem versuchen wir natürlich auch intern, unsere Prozesse zu verschlanken. Dabei entstehen wertvolle Erfahrungen.

Zur Person

Sven Ott ist seit dem Jahr 2007 Steuerberater und seit 2011 in der Kanzlei RUF und SCHLENKER tätig. Er ist speziell im Bereich Prozessoptimierung im Rechnungswesen und im Bereich Betriebswirtschaftliche Beratung tätig. Er ist Gründungsmitglied der Fachgruppe digitaler Belegfluss.

Sarah Beha
Schlagworte zum Thema:  Prozessmanagement, Digitalisierung