Wie können Kanzleien Fachkräfte halten und für ein gelungenes Onboarding sorgen? Auf klare Prozesse und die richtige Kommunikation kommt es an, sagt Steuerberaterin und Partnerin Elisa Lutz im Interview.
Frau Lutz, Sie sprachen bei den Tax Talks über die Themen Onboarding und langfristige Bindung von Nachwuchskräften, wieso ist Ihnen dieses Thema wichtig?
Als Partnerin bei HWS bin ich für ein Team von mehr als 30 Leuten verantwortlich, da beschäftige ich mich natürlich immer wieder damit, wie ich Nachwuchskräfte wie Praktikanten, Auszubildende, dual Studierende und Berufseinsteiger einbinden und fördern kann. Da wir eine große Wirtschaftsprüfung- und Steuerberatungsgesellschaft sind, haben wir aber auch eine Personalabteilung, die sich dem Thema gruppenweit widmet.
Was macht für Sie ein gutes Onboarding aus?
Ein gutes Onboarding läuft gut strukturiert ab. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein und doch hört man immer wieder von Leuten, die ihren ersten Arbeitstag angetreten haben und keinen Zugang zu ihrem PC haben, keine Ansprechpartner finden und nicht wissen, was sie machen sollen. Bei uns gibt es festgelegte Onboarding-Prozesse mit Checklisten. Vorab wird geklärt, wer für welchen Teil der Einarbeitung zuständig ist. Neben der Struktur ist außerdem eine gute Kommunikation beim Onboarding wichtig. Die Berufseinsteiger müssen wissen, an wen sie sich wenden können und wer für sie zuständig ist. Auf der anderen Seite muss das Team wissen, welche Kenntnisse die neue Person mitbringt und wo sie noch Unterstützung braucht.
Wie lange sollte ein Onboarding-Prozess dauern?
Das ist unterschiedlich, aber wir gehen von sechs Monaten aus. Das klingt nach einer langen Zeit und natürlich sind die ersten Wochen die intensivsten. Die Erfahrung zeigt aber, dass die Berufseinsteiger mit so vielen neuen Themen und Aufgaben konfrontiert sind, dass sie für eine längere Zeit verlässliche Ansprechpartner brauchen. Man kommt nicht innerhalb von zwei Wochen in einem Unternehmen an. Wir haben ein Mentorenprogramm und stellen jeder neuen Fachkraft zwei Mentoren an die Seite, die sie unterstützen sollen.
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Oftmals haben Unternehmen Angst, dass Ihre Auszubildenden nach der Ausbildung oder nach dem Studium in ein anderes Unternehmen wechseln. Gibt es diese Sorgen auch bei Ihnen?
Mit solchen Sorgen sollte man nicht an das Thema herangehen. In der Steuerberatungsbranche ist es nicht unüblich, dass eine Person nach dem Steuerberaterexamen und den davor absolvierten Praxisjahren neue Wege einschlägt. Manche wollen sich selbstständig machen, andere wollen in eine kleinere oder in größere Kanzlei wechseln. Das gehört dazu. Ich sehe das vielmehr so: Mit einer Ausbildung machen wir die nächste Generation der Steuerberater fit für den Beruf und stärken somit die gesamte Branche. Wir profitieren alle von einem gut ausgebildeten Berufsstand. Kanzleien sollten eine positive Mentalität gegenüber der Ausbildung von Fachkräften mitbringen, sonst wird der ganze Berufsstand darunter leiden.
Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur bei der Mitarbeiterbindung?
Wichtig ist, dass die Ausbildung der Führungskräfte schon darauf ausgerichtet ist, eine gute Unternehmenskultur zu schaffen. Dazu gehören zum Beispiel Schulungen für eine positive Fehlerkultur und für einen guten Umgang mit Stresssituationen. Dazu kommen viele Kleinigkeiten wie Sportangebote, gemeinsame Unternehmungen, viele Weiter- und Fortbildungsangebote und flexible Arbeitszeitmodelle. Durch unsere Kanzleigröße können wir solche Angebote leisten.
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HWS ist eine große Kanzlei-Gruppe, haben es große Kanzleien einfacher bei den Themen Mitarbeiterbindung und Onboarding?
Die Kanzleigröße bringt immer Vor- und Nachteile mit sich. Kleine Kanzleien haben beim Onboarding und bei der Mitarbeiterbindung den Vorteil, dass sie einen familiären Rahmen bieten können. Sie können leicht für eine gute Atmosphäre sorgen und auch recht einfach Prozesse etablieren. Mit der richtigen Mentalität können dort Werte wie Transparenz, Kollegialität und eine positive Fehlerkultur gut etabliert werden. Der Vorteil einer großen Kanzlei besteht darin, dass wir auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden gut eingehen können, sowohl was die Mandate als auch die Karriereplanung und die Flexibilität angeht.
Was können kleine Kanzleien dem entgegensetzen?
Sie können offen kommunizieren, in dem sie zum Beispiel schon bei der Stellenausschreibung deutlich machen, was sie zu bieten haben und was für Qualifikationen sie sich wünschen. Wenn im Bewerbungsverfahren für die Bewerber schon klar ist, welche Aufgaben auf sie zukommen und welche Branchen sie betreuen werden, können Enttäuschungen vermieden werden.
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Über die Ansprüche der Generation Z an ihren Beruf wird viel geschrieben. Die Haufe Studie hat bei den Befragten sechs Kriterien gefunden, die für sie eine besonders große Rolle bei der Berufswahl spielen: hohe Verdienstchancen, gute Jobaussichten, gute Work-Life Balance, hohe Arbeitsplatzsicherheit, Chance auf Weiterbildung und Weiterentwicklung und hohe Flexibilität. Begegnen Sie diesen Ansprüchen auch?
Viele dieser Ansprüche begegnen mir, allerdings nicht nur bei der Generation Z. Alle diese Ansprüche sind völlig in Ordnung. Die Steuerberatungsbranche hat zum Beispiel im Bereich Weiterbildung und Weiterentwicklung von Natur aus viel zu bieten, weil wir uns fortwährend weiterbilden müssen. Auf die anderen Bedürfnisse können wir als große Gruppe gut eingehen. Aber es gibt bei uns durchaus auch Teams, in denen zum Beispiel nicht remote gearbeitet wird. Dort arbeiten allerdings auch Teammitglieder, für die das völlig in Ordnung ist.
Sie selbst arbeitet an recht neuen, innovativen Themen und betreut spannende Mandanten. Ist das etwas, was bei den jungen Fachkräften stark nachgefragt wird?
Es ist nicht so, dass Nachwuchskräfte bereits bei der Bewerbung den Wunsch äußern, dass sie besondere Mandate betreuen wollen. Es kann sehr interessant sein, ein mittelständisches, familiär geführtes Industrieunternehmen zu betreuen. Aber ja, wir betreuen in meinem Team innovative Unternehmen, die sich zum Beispiel mit Blockchain-Technologien oder innovativen Nachhaltigkeitsthemen befassen. Außerdem betreuen wir die ein oder andere bekannte Influencerin. Wenn die Berufseinsteiger das erfahren, freuen sie sich, an so interessanten Themen arbeiten zu dürfen. Es ist allerdings kein Kriterium, was bei deren Bewerbungen eine große Rolle gespielt hat.
Zur Person
Elisa Lutz ist Steuerberaterin und Partnerin bei der HWS Gruppe. Ihre Schwerpunkte liegen in der steuerlichen Beratung innovativer Branchen, speziell in den Bereichen eCommerce, Blockchain, Kryptowährungen, Saas und IT-Mandate aller Art, sowohl im nationalen als auch im internationalen Kontext. Außerdem betreut sie Künstler, Schauspieler, Influencer und TV-Stars.