Steuerexperten in Unternehmen bewegen sich in einem Spannungsfeld: Auf der einen Seite steigen die Anforderungen an ihre fachliche Kompetenz und sie wünschen sich Entlastung dank technischer Lösungen, auf der anderen Seite treiben eben diese neuen Techniken zukünftige Innovationen voran, und bringen somit neue Anforderungen mit sich. Was können sie tun?
Im Spannungsfeld zwischen steigendem Bedarf nach technischen Lösungen und dem Technologiedruck werden aktuell vielfältige Ideen zur Zukunft der Steuerabteilungen entworfen. Fest steht: Die Steuerfunktion unterliegt einer digitalen Transformation. Unklar bleibt in der Debatte allerdings, wie der Digitalisierungsgrad der Steuerfunktion konkret bestimmt und inhaltlich ausgestaltet werden kann. Der hier vorgestellte TaxTech-Würfel und das TaxTech-Haus sollen eine Hilfestellung bieten.
Der TaxTech-Würfel: Diese 5 Gestaltungsfelder sollten Sie auf ihren Digitalisierungsgrad prüfen
Wie digital eine Steuerabteilung arbeitet, wie hoch also ihr Digitalisierungsgrad ist, kann anhand dieser fünf Aspekte bestimmt werden:
- Daten: Welche der steuerlich relevanten Daten werden digital verarbeitet?
- Technik: Welche Informationstechniken werden eingesetzt?
- Prozesse: Inwiefern sind die steuerlichen Abläufe digital organisiert?
- Strategie: Welche strategische Ausrichtung zur Digitalisierung wird verfolgt?
- Personen und Kultur: Inwiefern schlägt sich die Digitalisierung auch in personellen und kulturellen Aspekten nieder?
Für die Bewertung der Gestaltungsfelder Daten, Technik, Prozesse, Strategie, Personen und Kultur können fünf Reifegradstufen herangezogen werden; von unkontrolliert bis optimiert. Die Gestaltungsfelder und die Digitalisierungsstufen können dann an verschiedenen Steuerarten definiert werden, die nach der Analyse miteinander verglichen werden können.
Der TaxTech-Würfel macht die Herangehensweise deutlich:
Ein Beispiel: Die Umsatzsteuervoranmeldung (Steuerart) kann in einer Steuerabteilung je nach Reifegrad der Digitalisierung komplett unterschiedlich ablaufen. Schließlich macht es einen gewaltigen Unterschied, ob sie die Umsatzsteuervoranmeldung gemäß Notizen manuell erfolgen lassen - das wäre ein unkontrollierter (Reifegradstufe 1) Prozess (Gestaltungsfeld C), oder ob Sie auf digitale Werkzeuge zurückgreifen können, die den Prozess unterstützen und Kontrollen ermöglichen. Auf einer höheren Stufe beispielsweise erfolgen regelmäßig detektierende Kontrollen der Transaktionsdaten. Zur Unterstützung wird ein Werkzeug genutzt, das auffällige Buchungen anzeigt. Fehler werden an den Erfasser gemeldet, um Prozessverbesserungen veranlassen zu können.
Das TaxTech-Haus: Diese Themen und Kompetenzen sollte die Steuerfunktion der Zukunft im Blick haben
Um die Digitalisierung in den Steuerabteilungen umfassend voranbringen zu können, ist der Fokus auf unterschiedliche Themen und Kompetenzen notwendig.
I Methodische Grundlagen
Methodische Grundlagen umfassen eine Vielzahl grundlegender terminologischer, konzeptioneller und technischer Aspekte, die für das Verständnis und die Gestaltung der Steuerfunktion wesentlich sind. Wie werden zum Beispiel Aufgaben, Abläufe und Daten modelliert? Welche Prozess- oder Datenmodelle werden dafür angewendet? Letztlich ist auch die technische Architektur der Steuerfunktion von Relevanz. Typische Architekturen sind ein hoch-integriertes Gesamtsystem, eine (Cloud-) Plattform oder verschiedene Einzel-Anwendungen, die über eine gemeinsame Steuer-Datenbank integriert sind.
II Technische Basissysteme
Um Steueranwendungen zu realisieren, werden wesentliche technische Basissysteme eingesetzt, die geplant werden müssen. Zunächst zu nennen sind transaktionsorientierte Datenbanksysteme, die auf dem relationalen Datenmodell basieren. Darüber hinaus sind inzwischen auch viele sogenannte Nicht-Standard-Datenbanken für den Einsatz im Steuerbereich interessant. Typische Ausprägungen sind beispielsweise Data Warehouses, Data Lakes oder In-Memory-Datenbanken, die auch für steuerliche Zwecke anwendbar sind. Zur Gestaltung automatisierter Abläufe sind außerdem Workflow-Management-Systeme in vielen Fällen nutzbringend.
III Datenanalytik
Daten sind das neue Öl – auch in der Steuerabteilung: Diese Daten müssen erfasst, systematisiert, analysiert und bearbeitet werden. Hierbei kommen in erster Linie konventionelle Methoden der statistischen Datenanalyse zum Einsatz. Ebenso haben sich inzwischen Konzepte der multidimensionalen Datenanalyse, etwa durch die Nutzung von sogenannten Business-Intelligence-Lösungen („BI“) etabliert. Auf diese Weise werden Datenwürfel analysiert, welche beispielsweise die Dimensionen Steuerart, Steuerperiode und Steueraufkommen umfassen. Mit neuen Konzepten und Methoden des Data Mining, Text Mining und Process Mining können Daten zur Erfüllung der Steuerfunktion für interessante Fragestellungen nutzbar gemacht werden. Die dabei gewonnenen Daten und Datenzusammenführungen können auf Dashboards visualisiert und zur Verfügung gestellt werden.
IV Intelligente Systeme
Intelligente Systeme erledigen Aufgaben, deren Bearbeitung typischerweise eine gewisse Intelligenzleistung erfordert. Beispielsweise können wissensbasierte Systeme zur umsatzsteuerlichen Klassifikation von Lieferungen und Leistungen eingesetzt werden. Lernende Systeme können aus den Daten bestimmte Aufgaben ableiten, wie z.B. das Buchen einzelner Belege. Dazu lassen sich mit unterschiedlichen Ansätzen Anomalien in Daten oder dem Buchungsverhalten erkennen und eskalieren. Steuerliche Dialog- und Assistenzsysteme ermöglichen eine einfache und gehaltvolle Interaktion mit dem Benutzer. Letztendlich bieten sogenannte Systeme zur robotergestützten Prozessautomatisierung in vielen Bereichen interessante Automatisierungspotenziale für steuerliche Fragestellungen.
V Innovations- und Technologieradar
Die technische Entwicklung ist im Steuerbereich noch längst nicht abgeschlossen, ganz im Gegenteil, es entwickeln sich zunehmend weitere technische Felder, die interessante Anwendungen im Steuerbereich versprechen. Diese Möglichkeiten systematisch zu erkennen und zu gestalten, ist die Zielsetzung eines Innovations- und Technikradars oder auch „Think Tanks“. Aktuell geht es hier um Technologietrends wie Blockchain-Anwendungen, Modelle zur Reifegradbestimmung im KI-Umfeld oder Referenzmodelle für den Steuerbereich, welche die Tätigkeiten in der Steuerfunktion revolutionieren können.
VI Management
Der Einzug der Technik in die Steuerfunktion führt zu neuen und speziellen Aufgaben des Managements innerhalb der Steuerfunktion, die sowohl im gesamten Unternehmen wahrzunehmen sind, aber auch eine Fülle steuerspezifischer Besonderheiten aufweisen. Leiterinnen und Leiter von Steuerabteilungen brauchen eine Strategie. Sie sollten sich beispielsweisen mit den Fragen beschäftigen, ob die Steuerfunktion mit Informationstechnik zentral oder dezentral zu versorgen ist, ob sie kosten- oder wertorientiert auszurichten ist, oder ob Standard-Software im Steuerbereich sinnvoll eingesetzt werden kann. Darüber hinaus entstehen Aufgaben hinsichtlich des Managements sämtlicher Prozesse in der Steuerabteilung und seiner Schnittstellen in weitere Unternehmensprozesse. Auch die Bewertung, Auswahl und Einführung von Standardsystemen und letztlich sämtliche Fragen im Zusammenhang mit der Gestaltung von Prozessinnovation in der Steuerabteilung liegt im Aufgabenbereich des Managements. Nicht zuletzt müssen Führungskräfte einen Veränderungsmanagement-Prozess moderieren und die Mitarbeiter in den Transformationsprozess der Steuerfunktion einbinden und mitnehmen.
„Ein Digitalisierungsprojekt muss von der gesamten Kanzlei getragen werden.“ Warum das Zusammenspiel zwischen Mensch & Technologie so wichtig ist, erfahren Sie hier im Interview. |
Die Digitalisierung der Steuerfunktion ebnet den Weg für eine neue Disziplin: TaxTech
Um die Potenziale der Digitalisierung der Steuerfunktion konkret und mehrwertstiftend zu nutzen, entsteht derzeit eine technische Disziplin, die systematisch die Daten, Prozesse und Geschäftsmodelle im Steuerbereich analysiert und im Hinblick auf die technische Umsetzung ausleuchtet. TaxTech steht als Integrationsdisziplin an der Schnittstelle zur betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, dem Steuerrecht und der Finanzwissenschaft und wird die Integration dieser klassisch getrennten Bereiche vorantreiben.