Leitsatz (amtlich)
Eine in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts geführte Sparkasse ist keine Organgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vom 16. Oktober 1934 (RGBl I, 942) und des § 17 UStDB 1938 vom 23. Dezember 1938 (RGBl I 1938, 1935) sowie des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1951.
Normenkette
UStG 1934 § 2 Abs. 2 Nr. 2; UStDB 1938 § 17; UStG 1951 § 2 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin der X - Staatsbank (Staatsbank). Diese und die X - Landessparkasse (Sparkasse) stellten einander in den Jahren 1954 bis 1961 Personal für bestimmte Dienstleistungen zur Verfügung. Die dafür gewährten Vergütungen wurden gegeneinander verrechnet. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) zog die Staatsbank nach einer Betriebsprüfung in den Umsatzsteuer-Berichtigungsbescheiden für 1954 bis 1959 auch wegen dieser Umsätze zur Umsatzsteuer heran. Gegen diese Steuerbescheide wandte sich die Staatsbank mit der Begründung, die Sparkasse habe ihre gewerbliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt. Sie sei vielmehr Organ der Staatsbank im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1951 gewesen.
Das FG hat die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage abgewiesen.
Die Klägerin begründet ihre Revision im wesentlichen wie folgt: Die Auffassung des FG, Anteile und Stimmrechte kapitalgesellschaftsrechtlicher Art könnten bei Anstalten des öffentlichen Rechts nicht bestehen, stehe in Widerspruch zu den tatsächlichen, von verschiedenen Gesetzgebern geschaffenen Gegebenheiten. Denn die Verhältnisse bei verschiedenen Banken (z. B. der Lastenausgleichsbank, der Deutschen Pfandbriefanstalt, der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank sowie der Norddeutschen, Hessischen und Westdeutschen Landesbank) zeigten, daß es Anteils- und Stimmrechte an Anstalten des öffentlichen Rechts gebe und daß diese Rechte auch kapitalgesellschaftsrechtlicher Natur seien. Das Verhältnis zwischen Staatsbank und der Sparkasse sei der Situation bei solchen Einmanngesellschaften, bei denen die eine der anderen finanziell mittelbar eingegliedert sei, vergleichbar. - Bei der im Umsatzsteuerrecht herrschenden ausgedehnten wirtschaftlichen Betrachtungsweise müsse auch eine Beteiligung an einer Anstalt des öffentlichen Rechts und damit eine finanzielle Eingliederung einer solchen in eine andere Anstalt des öffentlichen Rechts möglich sein.
Danach seien Beteiligungen an öffentlich-rechtlichen Körperschaften in der Handelsbilanz wie Beteiligungen an Kapitalgesellschaften zu behandeln. - Organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung der Sparkasse in die Staatsbank liege vor und werde auch vom FG nicht in Abrede gestellt. Das FG habe selbst eingeräumt, daß der Fall ähnlich wie bei der Organschaft liege. In § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1951 sei nichts darüber gesagt, daß Anstalten des öffentlichen Rechts nicht unter diese Bestimmung fallen sollten. Fehle es aber an einer solchen Vorschrift, dann genüge nicht die Feststellung, Anstalten des öffentlichen Rechts würden nicht einbezogen. Vielmehr bedürfe es der Begründung, warum solche Anstalten trotz des in keiner Weise einschränkenden Wortlauts der Vorschrift ausgeschlossen seien. - Schließlich sei es unbillig und mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar, wenn man Anstalten des öffentlichen Rechts umsatzsteuerrechtlich auf der einen Seite wie Privatunternehmer behandle und ihnen auf der anderen Seite, eben weil sie Anstalten des öffentlichen Rechts seien, die Anerkennung der Organschaft versage.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuer herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Staatsbank und Sparkasse sind auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften als öffentliche Anstalten mit selbständiger Rechtsfähigkeit errichtet worden und damit als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts im Sinne der Verwaltungsrechtslehre anzusehen. Ein Organschaftsverhältnis im Sinne der für den Streitzeitraum (Veranlagungszeiträume 1954 bis 1959) maßgeblichen umsatzsteuerlichen Vorschriften bestand zwischen ihnen nicht. Zwar war für die Zeit bis zum 31. März 1958 die Anwendung dieser Vorschriften nicht durch Art. II des Kontrollratgesetzes (KRG) Nr. 15 (Steuer- und Zollblatt 1946 S. 21) ausgeschlossen, da die Staatsbank als Anstalt des öffentlichen Rechts nicht Muttergesellschaft im Sinne dieser Vorschrift war (vgl. Urteile des BFH vom 17. Juli 1952 V 17/52 S, BFHE 56, 604, BStBl III 1952, 234, und vom 18. Februar 1965 V 189/62 U, BFHE 82, 72, BStBl III 1965, 272). Das Vorliegen eines Organschaftsverhältnisses muß jedoch deshalb verneint werden, weil die Sparkasse nicht zum Kreis derjenigen juristischen Personen gehörte, die als Organ umsatzsteuerlich unselbständig sein können.
Die UStDB 1934, 1938 und 1951 bezeichnen in ihrem § 2 bzw. § 17 die im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1934 und 1951 unselbständigen juristischen Personen als Organgesellschaften. Die Verwendung dieses Begriffes im Zusammenhang mit der Forderung einer finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung muß auf dem Hintergrund der langjährigen Rechtsprechung des RFH gesehen werden, der die Lehre von der Organschaft entwickelt hat. Bei der Auslegung des zunächst im Rahmen des Umsatzsteuergesetzes 1934 kodifizierten Richterrechts kommt der Heranziehung der alten Rechtsprechung des RFH naturgemäß besondere Bedeutung zu. Aus ihr ergibt sich, daß als (unselbständige) Organe nur juristische Personen des bürgerlichen Rechts in Betracht gezogen wurden (vgl. Rechtsprechungsübersicht bei Popitz-Kloß-Grabower, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz 1926, 3. Aufl., S. 305 ff.). Der Senat hat ergänzend in seinem Grundsatzurteil V 17/52 S unter eingehender Würdigung des mit der Organschaft verfolgten Zwecks und der Entwicklungsgeschichte dargelegt, daß es sich bei den als Organ einzugliedernden juristischen Personen um Rechtspersönlichkeiten im Sinne des bürgerlichen Rechts handelt. Ferner hat er im Urteil V 189/62 U auf den begrifflichen Unterschied zwischen Gesellschaften und Gebietskörperschaften - die als Körperschaften des öffentlichen Rechts ebenso wie Anstalten des öffentlichen Rechts vom Oberbegriff der juristischen Person des öffentlichen Rechts erfaßt werden - hingewiesen.
Die in der Verwendung des Begriffs der Organgesellschaft zum Ausdruck kommende Beschränkung der organfähigen Gebilde auf juristische Personen des privaten Rechts wird ergänzt durch das - ebenfalls bereits vom RFH entwickelte - Erfordernis der finanziellen Eingliederung. Eine finanzielle Eingliederung liegt danach grundsätzlich nur vor, wenn ein Unternehmer auf Grund einer Kapital beteiligung an einem Unternehmen und der damit verbundenen Stimmrechte die Willensbildung dieses Unternehmens beherrscht; sie ist auf die kapitalmäßige Beteiligung und Beherrschung der Organgesellschaft nach den Rechtsformen des privaten Rechts zugeschnitten und auch nur in diesem Sinne von Rechtsprechung, Lehre und Schrifttum verstanden worden (vgl. RFH-Urteil vom 7. Januar 1944 V 37/43, RStBl 1944, 534). Die Kapital ausstattung einer Anstalt des öffentlichen Rechts durch den Gewährträger ist keine Beteiligung im vorbezeichneten Sinne.
Der Senat vermag nicht der Auffassung der Klägerin beizutreten, daß die Anerkennung der Sparkasse als Organ der Landesbank auf Grund des Art. 3 des Grundgesetzes geboten sei. Daraus, daß Anstalten des öffentlichen Rechts Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts sein können, kann nicht hergeleitet werden, daß sie auch wie andere juristische Personen als Organgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1951 zugelassen werden müßten. Es kann entscheidend allein darauf ankommen, ob durch die hier vertretene Auslegung Gleiches ungleich behandelt wird. Das ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall. Die Entwicklung der Organlehre und ihre Kodifizierung standen im Rahmen des Bruttoallphasensystems unter bestimmten steuer- und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten, worauf der Senat im Urteil V 17/52 S ausführlich eingegangen ist. Diese Gesichtspunkte, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 20. Dezember 1966 1 BvR 320/57, 1 BvR 70/63 (BVerfGE 18, 1, BStBl III 1967, 7) als sachgerecht anerkannt hat, gehen von einer Situation aus, die nach Auffassung des Senats jedenfalls im öffentlichrechtlichen Sparkassenwesen nicht gegeben ist. Daher kommt auch dem Hinweis der Klägerin, daß im öffentlich-rechtlich organisierten Bankenwesen zunehmend die interne Einflußnahme mehrerer Gewährträger auf die Geschäftsführung solcher Institute kapitalistischen Organisationsprinzipien folgt, keine Bedeutung zu.
Fundstellen
BStBl II 1974, 311 |
BFHE 1974, 441 |