Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerliche Behandlung der sog. „Toilettengroschen”
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Unternehmer, der es übernommen hat, Toilettenanlagen in Kaufhäusern und Einkaufszentren zu warten und zu reinigen, erbringt Leistungen nicht gegenüber den Kunden, die die Toiletten benutzen, sondern gegenüber den Betreibern der Kaufhäuser und Einkaufszentren, in denen sich die Toilettenanlagen befinden.
2. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die von den Toilettenbenutzern ohne verbale Aufforderung seitens des Personals freiwillig in eine dafür bereitstehende Schale eingelegten „Toilettengroschen”, auf deren Herausgabe die Auftraggeber verzichten, steuerpflichtiges Entgelt für die Reinigungs- und Wartungsarbeiten sind.
Normenkette
UStG 1999 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller betreibt seit Beginn der 90-er Jahre ein Einzelunternehmen, das er in seinen Gewinnermittlungen und Steuererklärungen als „Pachttoiletten” bezeichnet.
Dem Gericht liegen in der Handakte der Umsatzsteuersonderprüferin 3 Verträge mit Kaufhausbetrieben aus den Jahren 1996 und 1998 vor, nach denen der Antragsteller die fortwährende Reinigung der Kundentoiletten während der Öffnungszeiten der Kaufhäuser übernimmt. Der Antragsteller hatte nach diesen Verträgen für die Personalkosten und die erforderlichen Reinigungs- und Verbrauchsmaterialien (mit Ausnahme von Wasser und Strom) aufzukommen. Andererseits war es seinem Personal gestattet, die von den Kunden gegebenen „Trinkgelder” entgegenzunehmen, ohne dass der Antragsteller berechtigt gewesen wäre, die Benutzung der Toiletten von einem zwingend zu zahlenden Entgelt abhängig zu machen oder ausdrücklich auf eine Zahlung von freiwilligen Beiträgen hinzuwirken. Einer der Verträge ist als „Pachtvertrag” überschrieben, ohne dass dem Antragsteller die vollständige Verfügungsmacht über die Toilettenanlagen übertragen worden wäre. Gleiches gilt für einen weiteren „Pflege- und Wartungsvertrag”, in dem von pachtfreier Verpachtung die Rede ist. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf Bl.43 – 50 d. Handakte der Umsatzsteuersonderprüferin Bezug.
Nach Angaben der Beteiligten waren die Rechtsbeziehungen an den übrigen im Streitjahr betreuten Standorten (typischerweise Einkaufszentren oder Kaufhäuser), verteilt über das Bundesgebiet in 16 Gemeinden, in gleicher Weise ausgestaltet. D. h., die Arbeitnehmer des Antragstellers stellten Teller oder andere Behältnisse bereit, auf bzw. in denen die Kunden, ohne dazu rechtlich verpflichtet oder verbal dazu aufgefordert worden zu sein, ihre Geldbeträge ablegten. Diese Geldbeträge –im Folgenden „Toilettengroschen” genannt – wurden dem Antragsteller abgeliefert, der daraus wiederum seine Aufwendungen, insbesondere Personalkosten, Reinigungsmittel, Verbrauchsmaterialien und Gemeinkosten bestritt. Lediglich in einigen Einrichtungen beteiligte sich der Vertragspartner des Antragstellers mit vergleichsweise geringfügigen Beträgen an den Aufwendungen.
In den Jahren 1995 – 1998 wirkte der Antragsteller gegenüber dem seinerzeit zuständigen Finanzamt M darauf hin, dass die Umsatzsteuer für die Jahre 1991 – 1995 auf 0,– DM festgesetzt wurde, da die vereinnahmten Gelder nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – EuGH – vom 03.03.1994 C-16/93 – Tolsma, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 1994, 357, nicht steuerbar seien. Das Finanzamt folgte diesem Begehren und löschte danach zunächst das Umsatzsteuer-Signal.
Im Streitjahr erfasste der Antragsteller in seiner Buchführung Umsatzerlöse in Höhe von … Euro. Davon entfielen … Euro auf die oben erwähnten Kostenbeteiligungen. Diese Kostenbeteiligungen wurden vom Antragsteller der Umsatzsteuer unterworfen und in der am 28.09.2005 eingereichten, als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wirkenden Umsatzsteuererklärung 2003 erklärt. Die übrigen Erlöse (… Euro) behandelte der Antragsteller als nicht steuerbar. Der Aufwand für Gehälter betrug im Streitjahr … Euro. Der Jahresüberschuss betrug … Euro. Auch alle übrigen (seit 1995) vorliegenden Gewinnermittlungen weisen Gewinne aus.
Anfang 2006 führte das Finanzamt M beim Antragsteller eine Umsatzsteuersonderprüfung durch. Die Prüferin gelangte zu der Auffassung, dass sämtliche vom Antragsteller erzielten Erlöse der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien. Das EuGH-Urteil vom 03.03.1994 C16/93 – Tolsma, HFR 1994, 357, sei im Streitfall nicht einschlägig. Denn bei der gezielten Inanspruchnahme der Toiletten durch den Kunden stelle die damit im Zusammenhang stehende freiwillige Vergütung keine aus privaten Motiven erfolgte Schenkung, sondern ein freiwilliges Entgelt für die entgegengenommene Dienstleistung dar. Ferner stellte die Prüferin erhebliche Mängel in der Kassenführung fest. Wegen de...