rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Innergemeinschaftliches Verbringen. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer als formelle Voraussetzung für die Steuerfreiheit
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein steuerfreies innergemeinschaftliches Verbringen liegt vor, wenn die betreffenden Gegenstände vom Steuerpflichtigen oder für seine Rechnung nach Orten außerhalb eines Mitgliedstaats, aber innerhalb der Union versandt oder befördert werden, und die Verbringung an diesen Steuerpflichtigen bewirkt wird, der als solcher in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt.
2. Aufgrund des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität kommt es für die Befreiung des Verbringens nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige seine ausländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aufgrund der vom Mitgliedstaat im Rahmen des Art. 22 Abs. 8 der RL 77/388/EWG aufgestellten Pflichten aufgezeichnet hat, wenn feststeht, dass er es für sein Unternehmen verbracht hat.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 1a, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 2, § 6 Abs. 3; UStDV § 17c Abs. 3 Nr. 2; EWGRL 388/77 Art. 22 Abs. 8, Art. 28a Abs. 5
Tenor
1. Der Umsatzsteuerbescheid vom 13. November 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2014 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens, einschließlich des Vorabentscheidungsverfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Im Streitjahr (2006) erwarb der Kläger, ein Einzelunternehmer, der mit Baumaschinen handelt, einen neuen Pkw für sein Unternehmen, den er diesem zuordnete. Da er mit dem Fahrzeug nicht zufrieden war, entschied er sich, dieses wieder zu verkaufen. Das neue Fahrzeug versandte er am 20. Oktober 2006 an einen spanischen Kfz-Händler, um den Pkw in Spanien zu verkaufen. Nachdem ein Käufer gefunden worden war, veräußerte der Kläger das Fahrzeug am 11. Juli 2007 an das spanische Unternehmen D.
Der Kläger hatte für diesen Vorgang im Jahr 2006 keinen Umsatz und im Jahr 2007 eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung des Pkw an D erklärt. In seinen Aufzeichnungen hielt er fest, dass das Fahrzeug am 20. Oktober 2006 nach Spanien an den Kfz-Händler versandt (CMF-Frachtbrief) und im Jahr 2007 an D verkauft wurde (Rechnung vom 11. Juli 2007). Der Kläger zeichnete keine eigene spanische UmsatzsteuerIdentifikationsnummer auf. In Spanien erklärte er keinen Umsatz. Seine Steuererklärung für 2006 stand einer Festsetzung der Umsatzsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
Im Rahmen einer Außenprüfung aufgrund einer Meldung der Veranlagungsstelle vertrat der Prüfer die Auffassung, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Jahr 2007 lägen nicht vor; es sei in Deutschland eine steuerpflichtige Lieferung im Jahr 2007 zu versteuern. Der Prüfer hatte sich während der Außenprüfung an das Bundeszentralamt für Steuern (BZA) mit der Bitte gewandt, die spanischen Finanzbehörden zu befragen. Das BZA teilte am 17. Dezember 2009 mit, nach den Angaben der „beigefügten Wirtschaftsauskunft” vom 8. Mai 2009 sei D zwar ein in Spanien registriertes, wirtschaftlich jedoch inaktives Unternehmen. Diese Wirtschaftsauskunft liegt nicht vor.
Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) erließ am 30. März 2010 einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2007. Diesen hob das FA im anschließenden Klageverfahren vor dem Finanzgericht –FG– (14 K 2320/13) auf, weil das Gericht darauf hingewiesen hatte, dass sich das Fahrzeug im Jahr 2007 bereits in Spanien befunden hatte.
Nunmehr vertrat das FA die Auffassung, das Verbringen des Fahrzeugs im Jahr 2006 nach Spanien sei steuerbar und steuerpflichtig und änderte mit Bescheid vom 13. November 2013 gem. § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) die Festsetzung für das Jahr 2006.
Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2014 als unbegründet zurückwies. Der Kläger habe das Fahrzeug im Jahr 2006 mit Verkaufsabsicht und daher nicht nur vorübergehend vom Inland nach Spanien verbracht. Der Umsatz sei nicht steuerbefreit, weil der Kläger keine eigene spanische UmsatzsteuerIdentifikationsnummer aufgezeichnet und damit den erforderlichen Buchnachweis nicht geführt habe.
Am 10. Juni 2014 erhob der Kläger u. a. mit der Begründung Klage, selbst dann, wenn das Verbringen steuerbar sei, sei es steuerfrei.
Der Kläger beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid vom 13. November 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2014 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es regt an, im Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
Der Kläger habe nicht alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen, seine ausländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer dem Finanzamt mitzuteilen. Das FA verwies auf ...