Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Umsatzsteuerfreiheit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit
Leitsatz (redaktionell)
Die Gewährung eines Entgelts für die Eingehung einer als beschränkt persönliche Dienstbarkeit (§ 1090 Abs. 1 BGB) eingetragenen Unterlassungsverpflichtung, mit welcher ein Grundstückseigentümer als Unternehmer auf eine wettbewerbsrelevante Nutzung des Grundstücks verzichtet, ist als sonstige Leistung nach § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG steuerfrei.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 12 S. 1c, § 3 Abs. 9; BGB § 1090 Abs. 1
Streitjahr(e)
2006
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Umsatzsteuerfreiheit des gegen Entgelt erklärten und im Grundbuch eingetragenen Verzichts auf eine bestimmte, für einen Dritten wettbewerbsrelevante Nutzung eines Grundstücks. Die im Handelsregister eingetragene Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der durch Austritt des vorletzten Gesellschafters nach § 783 Satz 1 BGB am 21.02.2012 auf sie angewachsenen, zuvor im Handelsregister eingetragenen MZ-oHG. Auf diese war durch Vertrag vom 14.08.2006 mit ertragsteuerlicher Rückwirkung zum Übertragungsstichtag 31.12.2005 unter anderem die im Handelsregister eingetragene LB-oHG (bis Oktober 2006 firmierend in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG) verschmolzen worden. Vertraglicher Unternehmensgegenstand der LB-oHG war der Erwerb, die Errichtung und die Vermietung von Grundstücken, Baulichkeiten und Anlagen aller Art nebst Nebengeschäften. Tatsächlich befasste sich die LB-oHG seit ihrer Gründung mit der Vermietung und Verwaltung von Grundstücken. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die LB-oHG im Besteuerungszeitraum 2006 Unternehmerin i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG war und die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten zu berechnen hatte.
Die LB-oHG war Eigentümerin eines im Grundbuch der Stadt eingetragenen Grundstücks, welches sie zum Zwecke des Betriebs einer Lebensmittelproduktion an die Klägerin vermietet hatte. Im Jahre 2000 wurde die Produktion eingestellt, der Mietvertrag beendet und die Betriebsgebäude abgerissen. Das Grundstück bzw. das Areal befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof und zur Innenstadt der Stadt. Nach den Planungen der Stadt bestand nach Aufgabe der industriellen Nutzung durch die Klägerin die Absicht, das Areal bauplanungsrechtlich als so bezeichnetes eingeschränktes Gewerbegebiet und Mischgebiet i. S. d. § 6 Abs. 1 BauNVO auszuweisen und im Rahmen eines am 11.02.2003 mit der Klägerin und der LB-oHG geschlossenen umfassenden städtebaulichen Vertrages neu zu erschließen.
Durch notariell beurkundeten „Dienstbarkeitsvertrag” vom 12.07.2006 erklärte sich die LB-oHG gegenüber der im Handelsregister eingetragenen D-KG damit einverstanden (vgl. § 2 des Vertrages), dass es ihr in ihrer Stellung als Grundstückseigentümerin auf Dauer untersagt sei, auf dem Grundstück Lebensmittel jedweder Art zu vertreiben oder von Dritten vertreiben zu lassen. Insbesondere war es dem Eigentümer untersagt, einen Lebensmittelmarkt, ein SB-Warenhaus bzw. Verbrauchermarkt mit dem Angebot von Nahrungs- und Genussmitteln oder einen Lebensmittel-Discount-Markt zu betreiben sowie ferner das Grundstück zu diesem Zweck an einen Dritten zu vermieten, zu verpachten oder sonst zur Nutzung zu überlassen. Auch das Errichten von „Einrichtungen und Baulichkeiten, die einem Lebensmittelmarkt dienen, wie Parkflächen und Werbepylons”, war untersagt. Das Anbieten von Nahrungs- und Genussmitteln im Rahmen des Betriebs eines Hotels, Restaurants oder einer anderen zulässigen Hauptnutzung (z. B. Büronutzung, Freizeiteinrichtung, Bildungseinrichtung, usw.) oder einer speziellen Verkaufseinrichtung mit maximal 300 qm Verkaufsfläche (z. B. Shops und Kioske) war dagegen zulässig. Hintergrund dieser Vereinbarung war, dass die D-KG auf dem Nachbargrundstück erfolgreich einen größeren Lebensmittelmarkt betrieb. Die LB-oHG bewilligte und beantragte die Eintragung der genannten Untersagungen im Grundbuch als zu Gunsten von D-KG auf unbestimmte Dauer eingerichtete beschränkte persönliche Dienstbarkeiten an erster Rangstelle, was auch geschah. Als „Entgelt” (vgl. § 3 des Vertrages) hatte D-KG binnen zwei Wochen nach Eintragung der Dienstbarkeit einen Betrag von 1,6 Mio. Euro an die LB-oHG zu zahlen. Umsatzsteuer wurde dabei weder ausgewiesen noch kalkuliert.
Am 26.01.2007 reichte die MZ-oHG als Rechtsnachfolgerin der LB-oHG beim Finanzamt eine Umsatzsteuerjahreserklärung für 2006 ein, in der sie die noch in 2006 fällige und bezahlte Forderung gegen D-KG aus dem Dienstbarkeitsvertrag vom 12.07.2006 i. H. v. 1,6 Mio. Euro nicht berücksichtigte, weil sie die Auffassung vertrat, dass ein steuerpflichtiger Umsatz insoweit nicht vorliege. Die hierauf beruhende Steueranmeldung für das Unternehmen der LB-oHG stand nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Infolge einer Prüfungsanordnung vom 15.12.2011 begann der inzwischen örtlich zuständige Beklagte (das Finanzamt, im Folgenden: ,FA') bei der Klägerin als nunmehriger Rechts...