rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlen eines Mietvertrages als Kriterium zur Verneinung einer Geschäftsveräußerung i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird ein bis zur Veräußerung der Ausführung steuerpflichtiger Vermietungsumsätze dienendes Grundstück ohne Mietverträge übertragen, liegt eine die Vorsteuerberichtigung wegen geänderter Verwendung gem. § 15a Abs. 4 S. 1 UStG auslösende steuerfreie Grundstücksveräußerung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG vor.
2. Das Nichtvorhandensein eines Mietvertrages lässt eine Geschäftsveräußerung i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG ausscheiden.
Normenkette
UStG 1999 § 1 Abs. 1a, § 15a Abs. 4 S. 1, Abs. 3 Nr. 1, Abs. 1, § 4 Nr. 9 Buchst. a
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein (e.V.) mit dem Zweck der Pflege und Wahrung des Schützenbrauchtums und der Ausübung des modernen Schießsports. Im Juli 1996 hatte der Kläger ein Grundstück mit aufstehendem Gebäude, der Gaststätte Schützenberg, für symbolische 1 DM erworben, für etwa 1,1 Mio. DM teilsaniert (vor allem großen und kleinen Saal sowie weitere gastronomische Bereiche) und seit Mitte 1998 steuerpflichtig vermietet. Die Vermietung des Grundstücks stellte die einzige unternehmerische Betätigung des Klägers und das Grundstück dessen gesamtes Unternehmensvermögen dar. Die auf die Sanierungsmaßnahmen entfallenden Vorsteuern i. H. v. 181.204 DM machte der Kläger im Jahr 1998 vollständig erfolgreich als Vorsteuern geltend.
Der Mieter, ein ehemaliger Hotelier, nutzte die sanierten Räumlichkeiten zur Durchführung einzelner Veranstaltungen (z. B. Karneval u.ä.) und betrieb in den Räumen eine Disko. Nachdem der Mieter Probleme mit dem Diskobetrieb bekam, stellte er diesen ein und zahlte die monatliche Miete nicht mehr regelmäßig. Daraufhin kündigte der Kläger den Mietvertrag in 2001. Auf Betreiben einer Gläubigerbank ordnete das Amtsgericht Mühlhausen im Juni 2001 die Zwangsverwaltung des Objekts an und in 2003 das Zwangsversteigerungsverfahren. Laut eines im Auftrag des Amtsgerichts erstellten Wertgutachtens vom 15. Februar 2002 des Dipl-Ing. Herrn F bestand an dem Gebäude einerseits ein erheblicher Reparaturstau, andererseits ging der Gutachter im Ertragswertverfahren unter Berücksichtigung der Baumängel von einer nachhaltig erzielbaren Netto-Kaltmiete i. H. v. 1.750 EUR aus. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen.
Im Juni 2003 veräußerte der Kläger das unvermietete Grundstück mit Gebäude. Seit 2005 nutzen die Erwerber das Objekt – nach Umbau und Sanierung für ca. 277.000 EUR – ähnlich wie vorher der Kläger, nur in modifizierter Form, nämlich wieder als Veranstaltungsstätte sowie als Tagesförderstätte für Menschen mit Behinderung und als Küchenbetrieb.
In dem notariellen Vertrag war als Kaufpreis ein Betrag von 135.000 EUR vereinbart. Umsatzsteuer ist im Vertrag weder gesondert ausgewiesen noch sonst erwähnt. In der Zeit von der Kündigung des Mietvertrags bis zur Veräußerung konnte der Zwangsverwalter keinen Dauermieter finden, sondern das Objekt nur noch für einzelne Veranstaltungen vermieten. Wegen der Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag vom 23. Juni 2003 und auf das Schreiben des Zwangsverwalters vom 17. November 2010 Bezug genommen.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) vertrat die Auffassung, die Veräußerung sei gem. § 4 Abs. 9a UStG steuerfrei. Damit liege im Gegensatz zur vorherigen steuerpflichtigen Vermietung eine Änderung der Verwendung i. S. d. § 15a UStG vor. Es nahm daher eine Vorsteuerberichtigung vor und forderte mit Bescheid vom 11.11.2004 von dem Kläger Vorsteuern i. H. v. 44.008 EUR zurück.
Mit hiergegen gerichtetem Einspruch machte der Kläger geltend, bei der Veräußerung des Grundstücks Schützenberg habe es sich um eine Geschäftsveräußerung gem. § 1 Abs. 1a UStG gehandelt, welche den ursprünglich gewährten Vorsteuerabzug beim Veräußerer unberührt lasse.
Das FA wies den Einspruch zurück. Es war der Ansicht, dass die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG nicht vorliegen. Zum Zeitpunkt der Veräußerung im Juni 2003 habe kein „lebendes Unternehmen” existiert. Die Gaststätte sei teilweise unsaniert und insgesamt in einem desolaten Zustand gewesen. Eine nachhaltige Nutzung hätte eine generelle Komplexsanierung und tiefgreifende Rekonstruktion unter großem finanziellem Aufwand vorausgesetzt. Bei Eigentumsübergang habe weder ein vermietetes noch ein vermietbares Objekt vorgelegen. Dies ergebe sich aus dem Wertgutachten sowie aufgrund einer Objektbesichtigung durch das FA im August 2004.
Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, die Hauptbestandteile des Gebäudes (großer Saal, kleiner Saal und Café) hätten eine Nutzung erlaubt. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb des Klägers habe aus der teilweisen Vermietung des Objekts ohne funktionsfähige Gaststätteneinri...