OFD Erfurt, Verfügung v. 20.10.2004, S 7177 A - 08 - L 243
Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG gilt für die nachfolgend genannten drei Unternehmergruppen:
- Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände (Gebietskörperschaften) mit ihren Theatern, Orchestern, Chören, Museen, botanischen und zoologischen Gärten, Tierparks, Archiven, Büchereien sowie Denkmälern der Bau- und Gartenbaukunst (§ 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG);
- gleichartige Einrichtungen anderer Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass die gleichen kulturellen Aufgaben wie die von den unter a) genannten Gebietskörperschaften geführten Einrichtungen erfüllt werden (§ 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG);
- sonstige Unternehmer, die Theateraufführungen oder Konzerte veranstalten und sich dabei der Theater oder Orchester, Kammermusikensembles oder Chöre der unter a) oder b) genannten Unternehmer bedienen (§ 4 Nr. 20 Buchst. b UStG).
Der Gesetzgeber begründet die Steuerbefreiung der Gebietskörperschaften damit, dass diese Einrichtungen in erheblichem Maße staatlich subventioniert sind. Die Einbeziehung anderer Unternehmer in die Steuerbefreiung erfolgte, um die Wettbewerbsneutralität zwischen den Einrichtungen der anderen Unternehmer und den Gebietskörperschaften zu gewährleisten.
Unter dem Begriff „Theater” fällt die Gesamtheit der darstellenden Künste, insbesondere Schauspiel, Oper, Operette, Ballett, Musical, Zimmertheater, Heimatbühne, literarisches Kabarett, Puppen-, Marionetten- und Pantomimentheater.
Varietes sind grds. nicht mit einem Theater vergleichbar; die Grenzen zwischen Variete und Theater können aber fließend sein. Deshalb ist über die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 20 UStG im Rahmen von Einzelfallprüfungen zu entscheiden (BMF vom 6.1.1999).
Die Prüfung, ob und für welchen Zeitraum die Einrichtung eines anderen Unternehmers die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllt, wird von den zuständigen Landesbehörden vorgenommen.
Nach der Zuständigkeits-Verordnung zum Umsatzsteuer-Bescheinigungsverfahren ist folgende Landesbehörde für Bescheinigungen nach § 4 Nr. 20a UStG zuständig:
Thüringer Kultusministerium
Abteilung 5
Werner-Seelenbinder-Straße 7 |
Postfach 10 04 52 |
99096 Erfurt |
99004 Erfurt |
Telefon: 0361/3794711 (Sekretariat)
Eine erteilte Bescheinigung gilt als Grundlagenbescheid i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, der Bindungswirkung entfaltet, solange er nicht geändert oder aufgehoben wird.
Die Bescheinigung schafft die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der Leistungen für den in ihr bezeichneten Zeitraum, also auch für die Zeit vor der Antragstellung (BFH vom 6.12.1994, BStBl 1995 II S. 913, vgl. Rundverfügung vom 8.1.1996, S 7177 A – 02 – St 34).
Mit dem seit dem 1.1.1980 geltenden Gesetzeswortlaut („wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt”) wurde klargestellt, dass die Einschaltung der für die Erteilung der Bescheinigung zuständigen Landesbehörde nicht an die Person des Unternehmers gebunden ist. Für den Unternehmer besteht nach dieser Vorschrift kein Wahlrecht, durch Nichtvorlage einer Bescheinigung auf die Steuerbefreiung zu verzichten. Damit wird dem Gesetzeszweck entsprechend verhindert, dass der andere Unternehmer ungerechtfertigte Steuervorteile gegenüber den Gebietskörperschaften erlangt.
Durch § 4 Nr. 20a UStG soll eine Gleichbehandlung der anderen Unternehmer mit den Gebietskörperschaften erreicht werden. Da die Gebietskörperschaften keinen Vorsteueranspruch haben, können auch die anderen Unternehmer nicht unter Verzicht auf die Steuerbefreiung (durch Nichtvorlage der Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde) Steuervorteile im Wege des Vorsteuerabzugs erlangen.
Die für die Erteilung der Bescheinigung zuständige Landesbehörde kann nicht nur vom Unternehmer, sondern auch von Amts wegen eingeschaltet werden (Abschnitt 110, 114 Abs. 2 UStR).
Um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu gewährleisten, ist die zuständige Landesbehörde von Amts wegen einzuschalten, wenn Unternehmer keine Bescheinigung nach § 4 Nr. 20a Satz 2 UStG vorlegen, aber unter die Befreiungsvorschrift fallen könnten.
Die Finanzämter haben in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit im übrigen vorliegen. Dazu gehört insbesondere eine einem Theater, Orchester etc. gleichartige Einrichtung, also eine abgegrenzte, funktionsfähige Einheit im Sinne einer Zusammenfassung sachlicher und persönlicher Mittel.
Vorsteuern, die nach § 4 Nr. 20 UStG steuerfreien Umsätzen zuzuordnen sind, sind nach § 15 Abs. 2 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Der Unternehmer hat nicht die Möglichkeit, nach § 9 UStG auf die Steuerfreiheit zu verzichten.
Nach bisher geltender Interpretation war eine Steuerbefreiung für Solokünstler und -Künstlerinnen nicht möglich, da dem deutschen Umsatzsteuerrecht ein Solokünstler als öffentliche Einrichtung unbekannt ist und es somit auch keine vergleichbare Einrichtung „Solokünstler” geben konnte.
Nach Auffassung des EuGH (Urteil vom 3.4.2003, Rs. C-144/00, BStBl 2003 II S. 679) ist Art. 13 Teil A Abs. 1 ...