OFD Frankfurt, Verfügung v. 8.10.2008, S 7110 A - 2/86 - St 110
Die im Einzelfall zu beurteilenden Sachverhalte bei der Beschaffung von Theaterkarten durch Theatergemeinden und Volksbühnenvereine sind in ihrer rechtlichen und tatsächlichen Gestaltung sehr vielfältig, so dass verschiedene umsatzsteuerliche Behandlungen in Betracht kommen können. Im Einzelnen gilt für die am häufigsten auftretenden Fallgestaltungen Folgendes:
1. Veranstaltungsleistungen im Sinne von § 4 Nr. 20 Buchst. b UStG
Die tatsächlichen Verhältnisse können so gestaltet sein, dass die Besucherorganisation bei der Beschaffung von Eintrittskarten gegenüber ihren Mitgliedern wie ein Veranstalter in Erscheinung tritt. In diesem Falle ist die Leistung der Besucherorganisation nach § 4 Nr. 20 Buchst. b UStG von der Umsatzsteuer befreit.
Ein Anhaltspunkt für die Veranstaltereigenschaft der Besucherorganisation ist ein Aufdruck auf der Eintrittskarte oder eine anderweitige Kennzeichnung, aus der sich für das Mitglied erkennbar ergibt, dass die Besucherorganisation, auf den Spielplan Einfluss zu nehmen (insbesondere ein Absetzen möglicherweise nicht beliebter Vorführungen erwirken zu können), die Zuweisung der Eintrittskarten durch die Besucherorganisation an ihre Mitglieder und die Platzverteilung durch die Besucherorganisation (z.B. nach einem roulierenden Verfahren oder durch Verlosung) sowie die „Abnahme” einer gesamten Vorstellung oder die Teilbelegung einer Aufführung. Bei der Prüfung der Veranstaltereigenschaft einer Besucherorganisation ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen.
2. Vermittlung
Je nach den Umständen des Einzelfalles kann die Beschaffung von Eintrittskarten auch als Vermittlungsleistung anzusehen sein. In diesem Falle sind alle Zahlungen, die die Besucherorganisation für ihre Tätigkeit vereinnahmt (insbesondere die Provisionen), umsatzsteuerbares Leistungsentgelt der Besucherorganisation.
Vermittlungsleistungen kommen dann in Betracht, wenn die Besucherorganisation in fremdem Namen und für fremde Rechnung tätig wird. Ein Handeln in fremdem Namen ist anzunehmen, wenn das Mitglied bei einem Theaterbesuch in unmittelbare Rechtsbeziehungen zum Theaterbetreiber und nicht zur Besucherorganisation tritt (vgl. BFH-Urteil vom 21.12.1965, BStBl 1966 III S. 162). Handeln in fremdem Namen bedeutet, dass die Besucherorganisation erkennbar im Namen des Veranstalters tätig wird, d.h. nicht selbst als Veranstalter erscheint. Dem Mitglied muss ersichtlich sein, dass es zum Veranstalter der angebotenen Aufführung in unmittelbare Rechtsbeziehungen tritt.
Für die Annahme eines Handelns in fremdem Namen ist wesentlich, dass der Wille der Beteiligten (Veranstalter – Besucherorganisation – Mitglied) auf die Vermittlung durch die Besucherorganisation gerichtet ist. Ein Handeln der Besucherorganisation für fremde Rechnung ist z.B. gegeben, wenn sie über die von ihr erzielten Provisionen den Veranstaltern Rechnung legt und ein unternehmerisches Risiko für die Besucherorganisation nicht besteht. Erzielt die Besucherorganisation Minusprovisionen, ist ein Handeln für fremde Rechnung ausgeschlossen. Die Besucherorganisation trägt ein unternehmerisches Risiko, wenn sie Eintrittskarten, für die ein Mitglied nicht zu zahlen verpflichtet ist (bei rechtzeitiger Rückgabe), nicht selbst weiter vermitteln und auch nicht dem Veranstalter zurückgeben kann.
3. Dienstleistungskommission
Die tatsächlichen Verhältnisse bei der Beschaffung von Eintrittskarten können im Einzelfall auch so gestaltet sein, dass umsatzsteuerrechtlich eine Dienstleistungskommission angenommen werden kann. Nach § 3 Abs. 11 UStG liegt eine Dienstleistungskommission vor, wenn ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet wird und er im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung handelt. In diesem Fall gilt diese sonstige Leistung als an ihn und von ihm erbracht.
Die Leistungen der Leistungskette, d.h. die an den Auftragnehmer erbrachte und die von ihm ausgeführte Leistung, werden bezüglich ihres Leistungsinhalts gleich behandelt (Abschn. 32 Abs. 2 Satz 1 UStR). Danach sind die sachbezogenen umsatzsteuerlichen Merkmale der an den Auftragnehmer erbrachten Leistungen auch für die von ihm erbrachten Leistungen maßgebend.
Durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15.12.2003 (BGBl 2003 l S. 2645) wurde der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 11 UStG – neben den bereits geregelten Fällen des „Leistungseinkaufs” – mit Wirkung zum 1.1.2004 auch auf Fälle des „Leistungsverkaufs” ausgedehnt. Nach Tz. 4 des BMF-Schreibens vom 6.2.2004, IV B 7 – S 7100 – 254/03 (BStBl 2004 l S. 446) sind die Grundsätze des § 3 Abs. 11 UStG auch auf Umsätze aus „Leistungsverkäufen” anzuwenden, die vor dem 1.1.2004 erbracht wurden.
3.1 „Leistungseinkauf”
Erbringt die Besucherorganisation für Rechnung eines anderen (des Mitglieds) in eigenem Namen Leistungen durch eine...