1.1 Überblick über die Vorschrift/Gesetzeszweck/Historie
Rz. 1
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 4 Nr. 29 UStG wurde durch das JStG 2019 vom 17.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) zum 1. Januar 2020 neu in das Umsatzsteuergesetz eingefügt. Gleichzeitig wurde die bisherige Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG für Personenzusammenschlüsse im medizinischen Bereich aufgehoben.
Sonstige Leistungen von selbstständigen inländischen Personenzusammenschlüssen an ihre inländischen Mitglieder sind demnach steuerfrei, sofern sie
- unmittelbar für deren dem Gemeinwohl dienenden, nicht unternehmerischen oder steuerfreien Leistungen gem. § 4 Nr. 11b, 14–18, 20–25 oder 27 UStG verwendet werden,
- gegen eine anteilige, genaue Erstattung der gemeinsamen Kosten des Personenzusammenschlusses erfolgen und
- es zu keiner Wettbewerbsverzerrung kommt.
Rz. 2
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Zweck der Steuerbefreiung ist es, dem Gemeinwohl dienende nicht steuerbare oder steuerfreie Tätigkeiten auch dann nicht mit Umsatzsteuer zu belasten, wenn die förderungswürdigen Tätigkeiten zum Teil auf einen Personenzusammenschluss ausgelagert wurden. Allerdings werden nur sonstige Leistungen, nicht aber Lieferungen befreit.
Neben einer Kostensenkung von dem Gemeinwohl dienenden Leistungen zugunsten der Allgemeinheit soll durch die Umsatzsteuerbefreiung auch der Wettbewerbsnachteil zwischen meist kleineren Unternehmen, die Fremdleistungen einkaufen müssen, und größeren Unternehmenseinheiten, die Materialbeschaffungen und Dienstleistungen unternehmensintern oder im Rahmen von organschaftlichen Unternehmensverbindungen erbringen können, ausgeglichen werden (vgl. BT-Drucks. 19/13436, 152; Hölzer in: R/D, UStG, § 4 Nr. 29, Rn. 3, Brill/Scheller, NWB 2023, 1045 (1047)).
Zudem ermöglicht § 4 Nr. 29 UStG auch juristischen Personen des öffentlichen Rechts eine begünstigte interkommunale Zusammenarbeit (vgl. BT-Drucks. 19/13436, 152).
1.2 Unionsrechtliche Grundlagen
Rz. 3
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Unionsrechtliche Grundlage des § 4 Nr. 29 UStG ist Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL, wonach die Mitgliedstaaten die von einem Personenzusammenschluss erbrachte Dienstleistungen von der Umsatzsteuer befreien, wenn diese unmittelbar zur Ausübung von Tätigkeiten beitragen, die nach Art. 132 MwStSystRL dem Gemeinwohl dienen (vgl. BT-Drucks. 19/13436, 151).
Rz. 4
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Bis zur Einführung des § 4 Nr. 29 UStG war die Besteuerung von Kostenteilungszusammenschlüssen im deutschen Umsatzsteuerrecht – mit Ausnahme von § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a. F. für bestimmte Heilberufe – nicht geregelt. Diese Beschränkung auf Zusammenschlüsse, deren Mitglieder im Gesundheitsbereich tätig sind, war nicht mit der MwStSystRL vereinbar (EuGH vom 21.09.2017, Rs. C-616/15, Kommission/Deutschland, UR 2017, 792 mit Anm. Küffner). Bis zum Inkrafttreten von § 4 Nr. 29 UStG war grundsätzlich eine direkte Berufung auf das Unionsrecht möglich (EuGH, vom 21.09.2017, Rs. C-616/15, Kommission/Deutschland, UR 2017, 792; BFH vom 06.09.2018, Az: V R 30/17, UR 2018, 950). Vgl. zum Ganzen auch Brill/Scheller, NWB 2023, 1045.
Rz. 5
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Gleichzeitig hatte der EuGH auch entschieden, dass es unzulässig sei, die Steuerbefreiung auch auf Personenzusammenschlüsse im Bereich der Versicherungen und Finanzdienstleistungen auszudehnen, da insofern keine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit i. S. d. Art. 132 MwStSystRL gegeben ist (EuGH, Urteile vom 21.09.2017, Rs. C-326/15, DNB Banka, UR 2017, 806 und Rs. C-605/15, Aviva, UR 2017, 801; vgl. hierzu auch Erdbrügger, DStR 2018, 9; Sterzinger, UR 2017, 773 (776 f.)).
Rz. 6
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Bereits zuvor hatte der EuGH in seinem Urteil vom 04.05.2017 (Rs. C-274/15, Kommission/Luxemburg, UR 2017, 424 mit Anm. Küffner) ausgeführt, dass es sich bei dem Zusammenschluss um einen eigenen, selbstständigen, von seinen Mitgliedern verschiedenen Steuerpflichtigen handeln muss und dass es unschädlich sei, wenn die Mitglieder des Zusammenschlusses auch steuerbare Tätigkeiten ausüben, also gemischte Ausgangsumsätze erbringen. In den Genuss der Steuerbefreiung käme der Zusammenschluss jedoch nur, wenn seine Dienstleistungen unmittelbar für Zwecke der Tätigkeiten dieser Mitglieder erbracht werden, die von der Steuer befreit sind oder für die die Mitglieder nicht Steuerpflichtige sind.
1.3 Geltungsbereich
1.3.1 Persönlicher Geltungsbereich
Rz. 7
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Nach § 4 Nr. 29 UStG begünstigte sind im Inland ansässige, selbstständige Personenzusammenschlüsse.
1.3.2 Sachlicher Geltungsbereich
Rz. 8
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Begünstigte sind die sonstigen Leistungen des Personenzusammenschlusses an seine im Inland ansässigen Mitglieder. Die sonstigen Leistungen des Personenzusammenschlusses müssen zudem für unmittelbare Zwecke der Ausübung der in § 4 Nr. 29 UStG benannten, dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten von Mitgliedern des Personenzusammenschlusses verwendet werden, um steuerbefreit zu sein.