1.1 Überblick über die Vorschrift
Rz. 1
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler erbringen ihre Leistungen regelmäßig unmittelbar gegenüber den von ihnen bedienten Bausparkassen und Versicherern. Deren Leistungen sind nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG oder § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Wenn in diesem Gefüge die Vermittlungsleistungen der Makler und Vertreter selbst steuerpflichtig wären, führte dies auf Ebene der Bausparkassen und Versicherer mangels eigener Vorsteuerabzugsberechtigung zu einer Definitivbelastung mit der vom Vertreter/Makler in Rechnung gestellten Umsatzsteuer aus den Provisionen. Diese Mehrkosten würden unweigerlich über den Preis auf die Kunden abgewälzt oder aber dadurch vermieden werden, dass zum Schaden der selbstständigen Vermittlerberufe auf angestellte Vertreter zurückgriffen würde (vgl. Finanzausschuss, Schriftlicher Bericht vom 30.03.1967 zu BT-Drucks. V 1581, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de). Zur Vermeidung dessen sah sich der Gesetzgeber veranlasst, mit der Vorschrift des § 4 Nr. 11 UStG den Steuerbefreiungstatbestand des § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG abzurunden, um damit ein in-sich geschlossenes Normengefüge zu schaffen. Systemkonform führt die Steuerbefreiung für die betroffenen Makler und Vertreter bei diesen zum Vorsteuerausschluss ohne Möglichkeit zur Option (§ 9 UStG).
1.2 Rechtsentwicklung
Rz. 2
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§ 4 Nr. 11 UStG wurde durch das UStG 1967 eingeführt und gilt seitdem unverändert fort.
1.3 Geltungsbereich
1.3.1 Sachlicher Geltungsbereich
Rz. 3
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Die Steuerbefreiung ist berufs- und zugleich tätigkeitsbezogen und umfasst
- nur Umsätze der genannten Berufsgruppen (Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler) und
- nur, soweit sie für diese Berufe charakteristisch, d. h. berufstypisch sind.
Rz. 4
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Die ausgeübte Tätigkeit muss stets berufstypisch sein. Dabei muss es sich um konkrete Vertragsvermittlungen handeln. Zu den wesentlichen Aspekten einer steuerfreien Versicherungsvermittlungstätigkeit gehört es, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzuführen (EuGH vom 03.05.2005, Rs. C-472/03, Arthur Andersen, DStR 2005, 467 sowie BFH vom 06.09.2007, Az: V R 50/05, BStBl II 2008, 829). Hierzu kann nach neuerer Rechtsprechung des BFH im Einzelfall auch die Anwerbung, Betreuung, Überwachung und Schulung von nachgeordneten Untervertretern zählen, soweit sichergestellt ist, dass der Obervermittler durch die Prüfung eines jeden Vertragsangebots mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann (vgl. Rz. 23 ff.). Allgemeine Interessentenwerbung, das Erheben von Daten (BFH vom 06.09.2007, Az: V R 50/05, BStBl II 2008, 829) oder rein verwaltende Tätigkeiten (BFH vom 29.06.1987, Az: X R 11/81, BStBl II 1987, 867) genügen dagegen nicht.
Rz. 4a
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Problematisch sind die Fälle, in denen sich die Vertragsleistung aus unterschiedlichen Komponenten zusammensetzt. Hierbei gilt nach der Rechtsprechung des EuGH der Grundsatz, dass bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen umfasst, eine Gesamtbetrachtung dahingehend vorzunehmen ist, ob dieser Umsatz für Zwecke der Mehrwertsteuer zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung darstellt (vgl. EuGH vom 18.01.2018, Rs. C-463/16, Stadion Amsterdam, DStR 2018, 246). Eine einheitliche Leistung ist anzunehmen, wenn die Einzelleistungen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine "einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre" (EuGH vom 02.07.2020, Rs. C-231/19, Blackrock Investment Management [UK], DStR 2020, 1498). Eine Leistung ist hierbei als Nebenleistung einer Hauptleistung zu werten, wenn sie "für die Kunden keinen eigenen Zweck darstellt, sondern das Mittel, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen" (EuGH vom 02.12.2010, Rs. C-276/09, Everything Everywhere, BeckRS 2010, 91367). Nebenleistungen folgen der steuerrechtlichen Beurteilung der Hauptleistung (EuGH vom 25.03.2021, Rs. C-907/19, Q-GmbH, DStR 2021, 799).
1.3.2 Persönlicher Geltungsbereich
Rz. 5
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Die Steuerbefreiung ist berufsbezogen und enthält insoweit eine abschließende Aufzählung der begünstigten Berufsgruppen. Befreit sind auch nebenberuflich in den begünstigten Berufen tätige Angehörige anderer Berufsgruppen (Abschn. 4.11.1. Abs. 2 S. 2 UStAE).
Rz. 6
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Nicht befreit sind andere Berufsgruppen, auch wenn sie ähnliche Tätigkeitsmerkmale aufweisen (Abschn. 4.11.1. Abs. 1 S. 2 UStAE unter Hinweis auf BFH vom 16.07.1970, Az: V R 138/69, BStBl II 1970, 709). Somit ist eine über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Analogie auf Leistungen anderer, im Gesetz nicht genannter Berufsgruppen, unzulässig (BFH vom 09.07.1998, Az: V R 62/97, BStBl II 1999, 253).
Rz. 7
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Die Steuerbefreiung ist an keine bestimmte Rechtsform des Unternehmens gebunden (Abschn. 4.11.1. Abs. 2 S. 2 UStAE). Auch juristische Pers...