1.1 Überblick über die Vorschrift
Rz. 1
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 4 Nr. 12 UStG befreit die Nutzungsüberlassung von Grundstücken und Grundstücksteilen von der Umsatzsteuer. Zu diesem Zweck werden in § 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. a–c UStG die unter die Steuerbefreiung fallenden Nutzungsüberlassungen aufgeführt. In den Fallgruppen des § 4 Nr. 12 S. 2 UStG wird die Steuerbefreiung dagegen wiederum ausgeschlossen.
Da mit der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 S. 1 UStG der Vorsteuerausschluss nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG einhergeht, insbesondere § 15 Abs. 3 Nr. 1 UStG nicht einschlägig ist, handelt es sich bei § 4 Nr. 12 UStG um eine unechte Steuerbefreiung. Die nicht abziehbare Vorsteuer aus den Eingangsumsätzen muss i. R. d. Kalkulation des Nutzungsentgelts mit einbezogen werden (vgl. hierzu auch Heidner in Bunjes, § 4 Nr. 12 Rn. 1 ff.).
Nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 und 2 UStG ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 S. 1 UStG möglich, was jedoch nicht nur einen unternehmerischen Leistungsempfänger voraussetzt, sondern auch, dass dieser seinerseits vorsteuerunschädliche Umsätze aufweist (vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu § 9 UStG).
1.2 Gesetzeszweck
Rz. 2
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Die Steuerbefreiung für die Nutzungsüberlassung von Grundstücken und Grundstücksteilen hat zum einen das sozialpolitische Ziel, die Wohnraummieten möglichst niedrig zu halten (vgl. BFH vom 7.10.1987, Az: V R 2/79, BStBl II 1988, 88). Da aber mit der Steuerbefreiung der Vorsteuerausschluss einhergeht, verteuert dies andererseits gerade das Nutzungsentgelt.
Zum anderen hat die Steuerbefreiung auch praktische Gründe. Insbesondere die Einbeziehung der Wohnraummiete in die Steuerpflicht würde die Veranlagungsfälle erheblich erhöhen (vgl. Englisch in RID, § 4 Nr. 12 Rn. 6; der Vermieter ist zwar Unternehmer i. S. d. § 2 UStG, soweit er nur steuerfreie Umsätze ausführt, ist er jedoch nicht zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärung verpflichtet – vgl. Stadie in R/D, § 18 Rn. 28).
1.3 Rechtsentwicklung
Rz. 3
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Bereits in § 2 Nr. 4 des UStG 1918 vom 26.07.1918 (RGBl 1918, 779) wurden "Verpachtungen und Vermietungen von Grundstücken ..., mit Ausnahme der Verpachtungen und Vermietungen eingerichteter Räume;" von der Besteuerung ausgenommen.
Nach dem UStG 1934 vom 16.10.1934 (RGBl I 1934, 942) war gem. § 4 Nr. 10 UStG nicht mehr allgemein die Vermietung und Verpachtung eingerichteter Räume , sondern nur noch die Beherbergung in Gaststätten steuerpflichtig.
Mit Wirkung ab dem 01.01.1958 wurde die Grundstücksüberlassung bei Kaufanwartschaftsverhältnissen, die Bestellung von Erbbaurechten und die Bestellung und Veräußerung von Dauerwohn- und Dauernutzungsrechten von der Umsatzsteuer befreit (Elftes Gesetz zur Änderung des UStG vom 16.08.1961, BStBl I 1961, 1330).
Bei der Systemumstellung mit Wirkung ab 01.01.1968 zur Allphasen-Nettoumsatzsteuer mit Vorsteuerabzug wurde die Umsatzsteuerbefreiung von Grundstücksüberlassungen im Wesentlichen übernommen, verbunden mit dem Ausschluss des Vorsteuerabzugs und der Möglichkeit der Option bei Leistung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen; zudem wurde die vorübergehende Beherbergung von Fremden steuerpflichtig (Umsatzsteuergesetz vom 29.05.1967, BGBl I 1967, 545).
Nachdem der BFH zu dem Ergebnis kam, dass die Bestellung von Erbbaurechten der Grunderwerbsteuer unterliege (vgl. BFH vom 28.11.1967, Az: II 1/64, BStBl II 1968, 222 und Az: II R 37/66, BStBl II 1968, 223) und somit bereits nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei war, wurde ab 01.01.1980 die Bestellung von Erbbaurechten aus § 4 Nr. 12 UStG ausgenommen (vgl. aber Schumann, MwStR 2017, 525, der in unionskonformer Auslegung die Anwendung des § 4 Nr. 12 UStG bejaht); zusätzlich wurde die kurzfristige Überlassung von Campingplätzen und Plätzen zum Abstellen von Fahrzeugen steuerpflichtig (Gesetz zur Neufassung des Umsatzsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 26.11.1979, BGBl 1979, 1953).
Das Steuerbereinigungsgesetz 1985 (BGBl I 1984, 1493; BStBl I 1984, 659) dehnte die Steuerbefreiung auf die Bestellung, Übertragung und Überlassung der Ausübung von dinglichen Nutzungsrechten aus. Hierdurch sollte die Möglichkeit der steuerpflichtigen Überlassung von Wohnraum und mithin das Recht zum Vorsteuerabzug hinsichtlich der hierfür anfallenden Herstellungskosten, ausgeschlossen werden.
Mit Steueränderungsgesetz 1992 (BStBl I 1992, 146) wurde mit Wirkung zum 01.01.1991 (vgl. Art. 40 Abs. 2 S. 1 StÄndG 1992, BStBl I 1992, 184) auch die langfristige Vermietung von Abstellplätzen für Fahrzeuge von der Steuerbefreiung ausgenommen.
1.4 Sachlicher und persönlicher Geltungsbereich
Rz. 4
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Hinsichtlich des sachlichen Geltungsbereichs erfasst § 4 Nr. 12 UStG die dort in Buchst. a–c genannten Umsätze, mit Ausnahme der in § 4 Nr. 12 S. 2 UStG genannten Vermietungen und Verpachtungen. Erfasst sind demnach grundsätzlich alle sonstigen Leistungen i. S. d. § 3 Abs. 9 S. 1 und 2 UStG, die sich auf die Nutzungsüberlassung von Grundstücken oder Grundstücksteilen beziehen. Die Nutzungsüberlassung bewegliche...