1.1 Überblick über die Vorschrift/Gesetzeszweck
Rz. 1
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 4 Nr. 16 UStG befreit Leistungen "zur Betreuung oder Pflege körperlich, kognitiv oder psychisch hilfsbedürftiger Personen" von der Umsatzsteuer. Aus sozialpolitischen Gründen soll verhindert werden, dass derartige Leistungen um die Umsatzsteuer verteuert werden. Entlastet werden sollen sowohl die Sozialversicherungsträger als auch die selbst zahlenden Leistungsempfänger. Die Inanspruchnahme sozialer Dienstleistungen soll nicht mit Umsatzsteuer belastet werden. Allerdings entfällt mit der Steuerbefreiung gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG das Recht auf Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen, sodass insofern doch eine verdeckte Belastung mit der Umsatzsteuer gegeben ist. Eine Option zur Steuerpflicht ist nach § 9 Abs. 1 UStG nicht möglich.
Die Leistungen müssen entweder von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder von Einrichtungen des Privatrechts erbracht werden, die nach dem Sozialrecht für die Betreuung und Pflege in Betracht kommen oder nach bürgerlichen Recht als Betreuer bestellt und damit als soziale Einrichtungen anerkannt sind.
1.2 Rechtsentwicklung
Rz. 2
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 4 Nr. 16 UStG wurde durch das JStG 2009 (BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74) vollständig neu gefasst. Die bisher hier ebenfalls geregelten Heilbehandlungsleistungen wurden in § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG verlagert und § 4 Nr. 16 UStG beschränkte sich seither auf die Befreiung von Betreuungs- und Pflegeleistungen, die durch die tatbestandliche Verknüpfung mit dem SGB neu strukturiert wurden.
Rz. 3
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Durch das AmtshilfeRLUmsG (BGBl I 2013, 1809, BStBl I 2013, 802) wurden Betreuungsleistungen bestellter Betreuer i. S. d. § 1896 BGB von der Umsatzsteuer befreit und die sog. Sozialgrenze in Buchst. m (früher k) von 40 % auf 25 % herabgesetzt.
Rz. 4
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Das StÄndG 2015 vom 02.11.2015 (BGBl I 2015, 1834, BStBl I 2015, 846) änderte § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. g UStG. Durch das Dritte Pflegestärkungsgesetzes vom 23.12.2016 (BGBl I 2016, 3191) wurde § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. g UStG m.W.z. 01.01.2017 neu gefasst und die Begriffe der "niedrigschwelligen Betreuungs- und Entlastungsangebote" unter dem neuen Oberbegriff "Angebote zur Unterstützung im Alltag" zusammengefasst.
Rz. 5
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Weitere redaktionelle Änderungen brachten das Bundesteilhabegesetz vom 23.12.2016 (BGBl I 2016, 3234) und das Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2552).
Rz. 6
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Mit dem JStG 2020 (BGBl I 2020, 3096, BStBl I 2021, 6) wurde der Eingangssatz des § 4 Nr. 16 UStG klarstellend geändert und auch die Pflegeberatungen nach § 7a SGB XI von der Umsatzsteuer befreit. Zudem stellt § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. m (früher l) UStG für die Erfüllung der 25 %-Grenze nicht mehr auf die Verhältnisse des vorangegangenen Kj. ab.
Rz. 7
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts (BGBl I 2021, 882) hat m.W.z. 01.01.2023 Änderungen der Verweise in § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. k UStG an die ab diesem Zeitpunkt maßgebenden Vorschriften im BGB zur Folge.
Rz. 8
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Durch das Soldatenentschädigungsgesetz (BGBl I 2021, 3932) erfolgen m.W.z. 01.01.2024 und 01.01.2025 Anpassungen bei den in § 4 Nr. 16 S. 1 Buchst. m UStG genannten Sozialleistungsträgern.
Rz. 8a
Stand: 6. A. – ET: 03/2024
Durch das Wachstumschancengesetz (vgl. BT-Drucks. 20/8628) soll auch § 4 Nr. 16 geändert werden (vgl. hierzu Kraeusel, UVR 2023, 332; Rennar, MwStR 2023, 678). Der bisherige Buchst. m sollte zu Buchst. n werden und ein neuer Buchst. m soll mit folgendem Inhalt eingefügt werden:
Zitat
m) Einrichtungen, die als Verfahrenspfleger nach den §§ 276, 297, 298, 317 und 419 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestellt worden sind, wenn die Preise, die diese Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der Mehrwertsteuer unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern, oder ...
Mit der Ergänzung würden alle zur Unterstützung einer hilfsbedürftigen Person tätigen Verfahrenspfleger, die im Rahmen eines Betreuungs-, Unterbringungs- oder Freiheitsentziehungsverfahrens nach dem FamFG tätig werden, als begünstigte Einrichtungen anerkannt werden. Mit der Gesetzesänderung würde die Entscheidung des BFH in seinem Urteil vom 25.11.2022 (Az: V R 34/19, UR 2022 mit Anm. Meurer) umgesetzt, wonach an der Tätigkeit eines Verfahrenspflegers in Betreuungs- und Unterbringungssachen ein besonderes Gemeinwohlinteresse besteht. Bisher können sich die nach §§ 276, 317 FamFG gerichtlich bestellten Verfahrenspfleger für Betreuungs- und Unterbringungssachen unmittelbar auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen.
Der Bun...