1.1 Überblick über die Vorschrift/Gesetzeszweck
Rz. 1
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 4 Nr. 17 UStG enthält zwei Steuerbefreiungstatbestände:
- nach Buchst. a werden die Lieferungen von menschlichen Organen, menschlichem Blut und von Frauenmilch von der Steuer befreit;
- in Buchst. b die Beförderung kranker/verletzter Personen mit dafür eingerichteten Fahrzeugen.
§ 4 Nr. 17 Buchst. a UStG bezweckt, die Lieferung der i. d. R. im Rahmen einer gem. § 4 Nr. 14 UStG steuerfreien Heilbehandlungsleistung verwendeten Organe etc. von der Umsatzsteuer zu befreien und damit eine umfassende umsatzsteuerrechtliche Entlastung des betroffenen Patienten von der Umsatzsteuer zu erreichen. Die Befreiung der Lieferung von Frauenmilch ergibt sich aus ihrer besonderen Bedeutung für das noch hilfsbedürftige Baby.
Durch § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG sind nur Lieferungen umsatzsteuerfrei, nicht aber die Beförderung von Organen und dem menschlichen Körper entnommene Substanzen (vgl. EuGH vom 03.06.2010, Rs. C-237/09, De Fruytier, UR 2010, 624).
Sinn und Zweck der in § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG geregelten Steuerbefreiung für Krankentransporte ist die Begünstigung des Patienten, dessen Transportkosten nicht durch Umsatzsteuer belastet werden sollen. Zudem soll ausweislich der Gesetzesbegründung – zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen – eine Gleichstellung des privaten Krankentransportgewerbes mit der öffentlichen Hand, den Krankenhausbetreibern und den Wohlfahrtsverbänden herbeigeführt werden (vgl. Begründung zum RegE eines UStG 1979, BT-Drucks. 8/1779, 34).
Rz. 2
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Der Vorsteuerabzug ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen; eine Option nach § 9 UStG ist nicht möglich.
1.2 Rechtsentwicklung
Rz. 3
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Die Steuerbefreiung für Blutkonserven reicht schon bis zum UStG 1951 zurück. Allerdings war nur die Lieferung zwischen Blutsammelstellen und Krankenanstalten steuerbefreit. 1966 wurde der Anwendungsbereich auf Frauenmilch ausgedehnt. Die Lieferung von Blutkonserven an Ärzte wurde 1968 von der Steuer befreit. Seit dem 01.01.1980 besteht § 4 Nr. 17 Buchst. a und b UStG in der seither unveränderten Fassung, die die Steuerbefreiung auf Lieferungen von menschlichen Organen und auf Krankenbeförderungen ausgedehnt hat und für die Lieferungen von menschlichem Blut nicht mehr vorsieht, dass diese zwischen bestimmten Einrichtungen (Blutsammelstellen, Ärzte, Krankenanstalten) erfolgt.
1.3 Unionsrechtliche Grundlagen
Rz. 4
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§ 4 Nr. 17 Buchst. a UStG setzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. d der MwStSystRL und § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG setzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. p der MwStSystRL in nationales Recht um.
Rz. 5
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Allerdings verwendet § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG – im Gegensatz zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. p MwStSystRL – den Begriff der "ordnungsgemäß anerkannten Einrichtung" nicht. Der EuGH hat sich zum Begriff der Einrichtung i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL dahingehend geäußert, dass diese nur für juristische Personen als Leistende gelte, nicht aber auf natürliche Personen anwendbar sei. Insofern stellt sich die Frage, ob diese einschränkende Rechtsprechung auch i. R. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. p MwStSystRL gilt (EuGH vom 11.08.1995, Rs. C-453/93, Bulthuis-Griffioen, UVR 1996, 80). Denn dann könnte der Gedanke aufkommen, § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG verstoße gegen die MwStSystRL, da diese Vorschrift auch natürliche Personen/Personengesellschaften von der Steuer befreit, da sie keine Einschränkung auf juristische Personen vorsieht. Allerdings hat der EuGH mit Urteil vom 07.09.1999 (Rs. C-216/97, Jennifer und Mervyn Gregg, IStR 1999, 599) in Ergänzung seiner vormaligen Rechtsprechung zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und g der 6. EG-RL entschieden, dass der dort verwendete Begriff der Einrichtung keine bestimmte Rechtsform voraussetzt, demnach auch natürliche Personen und Vereinigungen aus mehreren natürlichen Personen begünstigt sind. Eine auch nach dieser Entscheidung verbleibende Abweichung des nationalen Umsatzsteuerrechts zu den Richtlinienregelungen kann allerdings in dem Erfordernis einer "anerkannten Einrichtung" liegen, da insoweit § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG keine weiteren Voraussetzungen enthält.
Rz. 6
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Mit Urteil vom 03.06.2010 (Rs. C-237/09, De Fruytier, UR 2010, 624) hat der EuGH entschieden, dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. d der 6. EL-RL (entspricht Art. 132 Abs. 1 Buchst. d der MwStSystRL) dahin auszulegen ist, dass er nicht auf Beförderungen von menschlichen Organen und dem menschlichen Körper entnommenen Substanzen anwendbar ist, die von einem Selbstständigen für Krankenhäuser und Laboratorien durchgeführt werden. Die in Art. 13 der 6. EG-RL genannten Steuerbefreiungen sind autonome unionsrechtliche Begriffe, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen (vgl. insbesondere EuGH vom 25.02.1999, Rs. C-349/96, UR 1999, 254). Danach müsse der Begriff "Lieferung" in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. d der 6. EG-RL eine dem Unionsrecht eigene autonome einheitliche Auslegun...