1.1 Überblick über die Vorschrift/Gesetzeszweck
Rz. 1
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 4 Nr. 20 UStG bezweckt, die hier genannten Umsätze der ohnehin regelmäßig zuschussbedürftigen Einrichtungen der öffentlichen Hand finanziell zu entlasten und die Besucher vor steuerbedingten Preiserhöhungen zu schützen (BFH vom 26.04.1995, Az: XI R 20/94, BStBl II 1995, 519). Überdies scheint fraglich, ob steuerbedingte Preiserhöhungen überhaupt durchzusetzen sind und in der Folge gewährte Subventionen aufgestockt werden müssten. Dies zu verhindern, ist nach Ansicht des Gesetzgebers Zweck des § 4 Nr. 20 UStG (vgl. BT-Drucks. V/1581 Ziff. 4d). Die Steuerbefreiung führt nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG zum Verlust des Vorsteuerabzugs; eine Option nach § 9 UStG ist nicht möglich.
Rz. 2
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Steuerfrei sind Umsätze
- von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) als Träger der genannten Einrichtungen;
- begünstigt sind nur solche Umsätze, die eng mit dem Betrieb der betreffenden Einrichtungen zusammenhängen, also für sie typisch sind.
Rz. 3
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Veranstalten andere als die in Buchst. a genannten Unternehmer Theatervorführungen oder Konzerte, sind diese Umsätze steuerfrei, wenn die Darbietungen von den begünstigten Einrichtungen erbracht werden.
1.2 Geltungsbereich
1.2.1 Persönlicher Geltungsbereich
Rz. 4
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Begünstigt sind die in § 4 Nr. 20 UStG genannten Einrichtungen der jPöR (bis zum 31.12.2022: des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder der Gemeindeverbände), die für die in § 4 Nr. 20 UStG genannten Umsätze einen Betrieb gewerblicher Art unterhalten. Zum Begriff des Betriebs gewerblicher Art vgl. § 2 Rz. 36.
Rz. 5
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Andere Träger sind nach § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 2 und S. 3 UStG nur befreit, wenn eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde über die Vergleichbarkeit mit den o. a. Einrichtungen, bzw. eine Bescheinigung darüber vorliegt, dass die künstlerischen Leistungen von Bühnenregisseuren und Bühnenchoreographen den o. a. Einrichtungen unmittelbar dienen (dazu vgl. Rz. 36).
1.2.2 Sachlicher Anwendungsbereich
Rz. 6
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Die jPöR muss im Besitz der wesentlichen Grundlagen zum Betrieb der betreffenden Einrichtungen sein (z. B. technisches Personal, ein Ensemble, technische Vorrichtungen etc.), d. h. die Umsätze mit eigenen Kräften ausführen können, wobei eine gelegentliche Einschaltung fremder Kräfte nicht schadet.
1.2.3 Zeitlicher Anwendungsbereich
Rz. 7
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Kulturelle Einrichtungen werden bereits seit 1926 von der Umsatzsteuer befreit. Die Vorschrift wurde im Laufe der Jahre immer wieder erweitert. Die derzeit geltende Fassung gilt seit dem UStG 1980, die den Anwendungsbereich auf Kammermusikensembles und Chöre erstreckt.
Rz. 8
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Durch Art. 4 Nr. 6 des Jahressteuergesetzes 2010 (BGBl I 2010, 1768) wurde § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 3 UStG eingeführt, der für Bescheinigungen nach § 4 Nr. 20 Buchst. a S. 2 UStG, die für Feststellungsbescheide geltenden Verjährungsregeln für anwendbar erklärt. Durch Art. 10 Nr. 3 Buchst. d des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG) vom 26.06.2013, BGBl I 2013, 1809 wurde die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 S. 3 UStG um die Umsätze von Bühnenregisseuren und Bühnenchoreografen ergänzt. Die Änderung trat am 01.07.2013 in Kraft (Art. 31 Abs. 4 AmtshilfeRLUmsG). Zuletzt mit Art. 4 Buchst. b Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22.12.2014 (BGBl I 2014, 2417 – ZKAnpG), wurde § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 4 UStG (AmtshilfeRLUmsG: ab 01.07.2013 Satz 4/bis 30.06.2013 Satz 3) m. W. v. 31.12.2014 aufgehoben.
1.3 Gemeinschaftsrechtliche Grundlagen und Verhältnis zu anderen Vorschriften
Rz. 9
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Art. 132 Abs. 1 Buchst. n der MwStSystRL (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der 6. EG-RL) enthält Steuerbefreiungen – ohne Vorsteuerabzug – für bestimmte kulturelle Dienstleistungen und damit eng verbundenen Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder von anderen von dem betreffenden EU-Mitgliedstaat anerkannten Einrichtungen erbracht werden. Welche Leistungen von der Steuer befreit werden können, lässt die RL ausdrücklich offen. Insoweit hat die Bundesrepublik Deutschland von dem großen Freiheitsspielraum Gebrauch gemacht und für bestimmte Umsätze ein Bescheinigungsverfahren vorgeschrieben. Im Gegensatz zu § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG (Steuerermäßigung für bestimmte Leistungen von Solokünstlern) ist § 4 Nr. 20 UStG nicht durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz vom 26.11.2004 (BT-Drucks. 15/4050) an die EuGH-Rechtsprechung angepasst worden.
Rz. 10
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Zum Begriff der Einrichtung: vgl. § 4 Nr. 17 Rz. 7 und vgl. § 4 Nr. 18 Rz. 8. Unter den Begriff der Einrichtung fallen jedenfalls auch Solisten und Dirigenten (vgl. Rz. 26).
Rz. 11
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Unter die Steuermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG fallen nur solche Umsätze, die nicht bereits nach § 4 Nr. 20 UStG befreit sind. Der Unternehmer hat insoweit kein Wahlrecht.
Rz. 12
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Unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 20 UStG fallen grundsätzlich...