1.1 Überblick über die Vorschrift
Rz. 1
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG stellt die i. g. Lieferung steuerfrei, ohne den Begriff tatbestandsmäßig zu definieren. Die Tatbestandsmerkmale der i. g. Lieferung werden daher gesondert in § 6a UStG geregelt (Legaldefinition). Dabei enthält § 6a Abs. 1 UStG die Grundvoraussetzungen der i. g. Lieferung, während § 6a Abs. 2 UStG das i. g. Verbringen nach § 3 Abs. 1a UStG der i. g. Lieferung gleichstellt. Wie bei der Ausfuhrlieferung (vgl. § 6 UStG) kann auch bei der i. g. Lieferung die Steuerfreiheit nur eintreten, wenn entsprechende Nachweise vorliegen (vgl. § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a–d UStDV). § 6a Abs. 4 UStG beinhaltet eine Vertrauensschutzregelung für den Fall, dass eine Lieferung fälschlich als i. g. Lieferung behandelt wurde und dieser Umstand auf falschen Angaben des Abnehmers beruht. Für die Anwendung des § 6a UStG sind die korrespondierenden Regelungen des i. g. Erwerbes (vgl. § 1a UStG) sowie im Einzelfall besondere Ortsvorschriften (vgl. § 3 Abs. 5a UStG) von Bedeutung.
Rz. 2
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Vorschrift ist vor dem Hintergrund des Binnenmarktes (ab 01.01.1993) zu sehen. Innerhalb des Binnenmarktes kann eine Ausfuhrlieferung begrifflich nicht vorliegen. Für den i. g. Warenverkehr wurde daher der Begriff der i. g. Lieferung (§ 6a UStG) geschaffen, der letztlich das Gegenstück zu den Ausfuhrlieferungen (§ 6 UStG) im Warenverkehr mit Drittländern bildet. Dies entspricht dem sog. Bestimmungslandprinzip, wonach die Lieferung im Ursprungsland steuerfrei gestellt wird und im Gegenzug der Besteuerung im Bestimmungsland unterliegt (im Verhältnis zu Drittländern = Einfuhr). Da innerhalb des Binnenmarktes eine Einfuhr begrifflich ebenfalls nicht möglich ist, wurde der "Gegensachverhalt" zur i. g. Lieferung daher ab 1993 als sog. i. g. Erwerb definiert (vgl. § 1a UStG). Zur Verknüpfung der i. g. Lieferung und des i. g. Erwerbs vgl. EuGH vom 06.04.2006, Rs. C-245/04, EMAG Handel Eder OHG (DStR 2006, 699, Rz. 29 f.) sowie EuGH vom 27.09.2007, Rs. C-409/04, Teleos (BStBl II 2009, 70). Es ist nicht zwingende Voraussetzung für eine i. g. Lieferung, dass der Erwerber einen i. g. Erwerb versteuert hat (siehe auch BFH vom 21.05.2014, V R 34/13, BStBl II 2014, 914 und BFH vom 21.01.2015, XI R 5/13, BStBl II 2015, 724).
Rz. 3
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Während im Warenverkehr mit Drittländern auch die Lieferung an eine Privatperson unter die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen fallen kann (vgl. § 6 UStG), sind die Tatbestandsmerkmale der i. g. Lieferung so ausgestaltet, dass der sog. nichtkommerzielle i. g. Reiseverkehr grundsätzlich nach dem Ursprungslandprinzip besteuert wird (z. B. Urlaubseinkäufe für den Privatbedarf in einem anderen Mitgliedstaat).
Rz. 4
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der Unternehmer ist verpflichtet, i. g. Lieferungen in einer sog. Zusammenfassenden Meldung (vgl. § 18a UStG und vgl. die Kommentierung zu § 18a)) an das Bundeszentralamt für Steuern mitzuteilen. Seit dem 01.01.2020 ist nach einer Änderung des § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG die fristgerechte und zutreffende Meldung der Bemessungsgrundlage und USt-IdNr. des Abnehmers weitere materiell-rechtliche Voraussetzung für eine steuerfreie i. g. Lieferung. Für weitere Einzelheiten vgl. die ausführliche Kommentierung zu § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG. I. R. d. Voranmeldungsverfahrens und der Jahreserklärung müssen die Bemessungsgrundlagen für i. g. Lieferungen gesondert erklärt werden (vgl. § 18b UStG und vgl. die Kommentierung zu § 18b). Wegen der Besonderheiten bei der Ausstellung von Rechnungen i. Z. m. i. g. Lieferungen vgl. § 14a UStG und vgl. die Kommentierung zu § 14a.
TIPP
Zur Anwendung der Vorschriften über den i. g. Warenverkehr (i. g. Lieferung/i. g. Erwerb/i. g. Verbringen) wird häufig auf die Behandlung im anderen Mitgliedstaat verwiesen. In diesem Zusammenhang werden die entsprechenden Vorschriften des deutschen Umsatzsteuerrechts herangezogen (mit Verweisungen auf die entsprechenden Artikel der MwStSystRL/6. EG-RL), dies entspricht der Annahme, dass die anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich durch die Umsetzung der MwStSystRL/6. EG-RL vergleichbare Vorschriften zur Anwendung bringen. Im Einzelfall können sich aufgrund unterschiedlicher Umsetzung der MwStSystRL/6. EG-RL Abweichungen ergeben.
Rz. 5
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Durch § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG i. V. m. § 15 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG wird die i. g. Lieferung von der USt entlastet; die i. g. Lieferung ist steuerfrei, der Vorsteuerabzug bleibt dennoch erhalten (sog. echte Steuerbefreiung, vgl. § 4 Rz. 5 und 6). Auch diese Verfahrensweise entspricht dem Bestimmungslandprinzip.
Rz. 6
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Zur Erteilung einer USt-IdNr. vgl. § 27a UStG und vgl. die Kommentierung zu § 27a (vgl. Rz. 60 sowie Rz. 194 ff.).
1.2 Rechtsentwicklung
Rz. 7
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 6a UStG ist durch das USt-Binnenmarktgesetz vom 25.08.1992 (UStBG, BGBl I 1992, 1548) mit Wirkung ab dem 01.01.1993 neu in das UStG eingefügt worden.
Rz. 8
Stand: 6. A. – E...