1.1 Überblick über die Vorschrift
Rz. 1
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Vorschrift steht i. Z. m. der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 2 UStG (steuerfrei sind die Umsätze für die Seeschifffahrt und die Luftfahrt) und füllt diese inhaltlich aus (Legaldefinition). § 8 Abs. 1 UStG definiert dabei zunächst den Begriff der Umsätze für die Seeschifffahrt, § 8 Abs. 2 UStG den Begriff der Umsätze für die Luftfahrt. Nach § 8 Abs. 3 UStG hängt die Steuerbefreiung von einem entsprechenden Nachweis ab. Einzelheiten dieses Nachweises regelt § 18 UStDV (Ermächtigungsvorschrift vgl. § 8 Abs. 3 S. 2 UStG) unter Verweisung auf die entsprechende Anwendung des § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 bis 4 UStDV (= Buchnachweis). Der Buchnachweis wurde früher als materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung betrachtet, doch ist dies angesichts der EuGH-Rechtsprechung zu anderen Steuerbefreiungen nicht aufrechtzuerhalten (vgl. Rz. 51 ff.).
Rz. 2
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Die Vorschrift befreit nicht die Umsätze der Seeschifffahrt oder Luftfahrt, sondern die Umsätze für die Seeschifffahrt oder Luftfahrt. Sie hat damit den Zweck der Entlastung der Umsätze auf der Vorstufe (d. h. der Eingangsumsätze eines Schifffahrts- oder Luftfahrtunternehmens), um andauernde Vorsteuerüberhänge der Transportunternehmen zu vermeiden. Letztere erbringen i. d. R. nichtsteuerbare Auslandsumsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigen (vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a oder Nr. 2 Buchst. a UStG); § 8 UStG dient damit der Steuervereinfachung. Für den Leistungsempfänger (die Transportunternehmen) stellt sich die Frage nach dem Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) somit nicht (Heidner in Bunjes, § 8 Rn. 1). Allerdings führt das Fehlen einer Optionsmöglichkeit (§ 9 UStG) dazu, dass unzutreffend berechnete Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehbar ist (§ 14c UStG). Der begünstigte Unternehmer sollte daher Eingangsrechnungen mit Steuerausweis kritisch betrachten.
Rz. 3
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Der die Umsätze für die Seeschifffahrt oder die Luftfahrt erbringende Unternehmer hat demgegenüber den vollen Vorsteuerabzug. Seine Umsätze sind zwar steuerfrei nach § 4 Nr. 2 UStG und fallen damit grundsätzlich unter den Vorsteuerausschluss nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 UStG, aufgrund der Regelungen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 Buchst. a UStG ist er aber dennoch zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt (sog. echte Steuerbefreiung, vgl. § 4 Rz. 5 und 6).
1.2 Rechtsentwicklung
Rz. 4
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§ 8 UStG gilt im Wesentlichen unverändert seit dem UStG 1980. Änderungen wurden durch das StMBG vom 21.12.1993 (BStBl I 1994, 50) sowie durch Art. 7 Nr. 4 des JStG 2007 vorgenommen, durch den die Verweisungen auf die Zolltarifpositionen in § 8 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 UStG angepasst wurden.
Rz. 5
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Bereits im Entwurf des JStG 2013 vom 19.06.2012 (BT-Drucks. 17/10000, Art. 9 Nr. 4) war eine teilweise Neuformulierung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 UStG vorgesehen. Umgesetzt wurde diese durch Art. 10 Nr. 4 des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (AmtshilfeRLUmsG, Gesetz vom 26.06.2013, BGBl I 2013, 1809) m. W. v. 01.07.2013 (Art. 31 Abs. 4 AmtshilfeRLUmsG).
1.3 Geltungsbereich
1.3.1 Sachlicher Geltungsbereich
Rz. 6
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Die Vorschrift befreit die Umsätze für die Seeschifffahrt oder Luftfahrt mit dem Zweck der Entlastung der Umsätze auf der Vorstufe, d. h. der Eingangsumsätze eines Schifffahrts- oder Luftfahrtunternehmens (vgl. Rz. 1 ff.). Die Befreiung gilt umfassend für alle nämlichen Umsätze (vgl. dazu Rz. 18 ff. und vgl. Rz. 37 ff.).
1.3.2 Persönlicher Geltungsbereich
Rz. 7
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§ 8 UStG sieht hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs keine Beschränkungen vor und gilt daher für alle Unternehmer i. S. d. § 2 UStG.
1.3.3 Zeitlicher Geltungsbereich
Rz. 8
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Die Vorschrift wurde in den letzten Jahren nicht wesentlich geändert und ist damit grundsätzlich auf alle noch offenen Steuerfestsetzungen anwendbar (vgl. Rz. 4). Die Änderungen durch das AmtshilfeUmsG in § 8 Abs. 2 Nr. 1 UStG gelten ab 01.07.2013 (vgl. Rz. 5).
1.4 Gemeinschaftsrechtliche Grundlagen und Verhältnis zu anderen Vorschriften
Rz. 9
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§ 8 UStG entspricht weitgehend den Vorgaben der Art. 148, Art. 150 und Art. 371 MwStSystRL (Art. 15 Nr. 4–9, Art. 28 Abs. 3 Buchst. a i. V. m. Anhang E Nr. 13, Art. 28 Abs. 3 Buchst. b i. V. m. Anhang F Nr. 23 und 25 der 6. EG-RL). Zur Auslegung von Art. 148 Buchst. a, c und d MwStSystRL durch den Mehrwertsteuerausschuss vgl. die Leitlinien aus der 103. Sitzung vom 20.04.2015 – Dokument A – taxud.c.1(2015)3366194-868, UR 2016, 185. Zu diesbezüglichen Abweichungen von § 8 Abs. 1 UStG vgl. UR 2016, 309. Zum Recht auf Vorsteuerabzug vgl. Art. 169 Buchst. b MwStSystRL.
Rz. 10
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Zur Auslegung des Art. 15 Nr. 4–9 der 6. EG-RL sind bereits zahlreiche Entscheidungen des EuGH ergangen. Mit Urteil vom 26.06.1990 (vgl. EuGH vom 26.06.1990, Rs. C-185/89 Velker International Oil Company Ltd. NV, UR 1991, 349) hat der EuGH entschieden, dass die Lieferung von Gegenständen zur Versorgung (im Urteilsfall Lieferung von Bunkeröl) eines Schiffes im Sinne dieser Vorschrift...