1.1 Überblick über die Vorschrift
Rz. 1
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 18f UStG stellt es m. W. v. 01.01.2002 (vgl. Rz. 2) in das Ermessen (§ 5 AO) des zuständigen FA, die Erstattung von Vorsteuerüberhängen von einer entsprechenden Sicherheitsleistung des Unternehmers abhängig zu machen.
Rz. 2
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Das Recht zum Vorsteuerabzug ist in hohem Maße betrugsanfällig; zum von der EU-Kommission für 2017 ermittelten Betrugsvolumen vgl. Einf. UStG, Rz. 66. In den Fällen, in denen die Zustimmung des FA zur Steueranmeldung erforderlich ist (§ 168 S. 2 AO), weil diese zu einer Herabsetzung der bisher entrichteten USt oder zu einer Vergütung von angemeldeten Vorsteuerbeträgen führt, kann bei zweifelhafter Berechtigung zum Vorsteuerabzug die seitens der Finanzverwaltung erforderliche Prüfung eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Die Ermittlungsdauer kann beim Unternehmer zu Liquiditätsschwierigkeiten führen. Mit Rücksicht auf Liquiditätsprobleme kann der Vorsteueranspruch einvernehmlich gegen Sicherheitsleistung zunächst akzeptiert werden. Damit ist sowohl dem Steuerpflichtigen als auch der Finanzverwaltung gedient. Aufgrund der Sicherheitsleistung geht das FA kein Risiko eines Steuerausfalls ein.
Rz. 3
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Das BMF hat mit Schreiben vom 08.10.2002, BStBl I 2002, 1018 zu der Neuregelung Stellung genommen. Das Einführungsschreiben ist bis auf redaktionelle Änderung inhaltsgleich mit Abschn. 245k UStR 2005; Letzterer wiederum wurde unverändert in die UStR 2008 und als Abschn. 18f.1. ab 01.11.2010 auch in die UStAE übernommen.
1.2 Rechtsentwicklung
Rz. 4
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§ 18f UStG wurde m. W. v. 01.01.2002 durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz (StVBG vom 19.12.2001, BGBl I 2001, 3922 = BStBl I 2002, 32) neu in das UStG eingefügt.
1.3 Geltungsbereich
1.3.1 Sachlicher Geltungsbereich
Rz. 5
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Der Zustimmung nach § 168 S. 2 AO unterliegen Steueranmeldungen (§ 167 AO) in Form von USt-Voranmeldungen (§ 18 Abs. 1 UStG) und USt-Jahreserklärungen (§ 18 Abs. 3 UStG), soweit der Unternehmer für sich einen Erstattungsbetrag ("Rotbetrag") ermittelt hat.
Rz. 6
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Die Verweisung des § 18f S. 2 UStG auf § 167 Abs. 1 S. 1 AO ist erforderlich, um auch in den Fällen, in denen das FA von der Voranmeldung abweicht, die Festsetzung einer Sicherheitsleistung zu ermöglichen (vgl. Amtliche Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 637/01).
1.3.2 Persönlicher Geltungsbereich
Rz. 7
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§ 18f UStG sieht hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs keine Beschränkungen vor und gilt daher für alle Unternehmer i. S. d. § 2 UStG.
1.3.3 Zeitlicher Geltungsbereich
Rz. 8
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§ 18f UStG gilt m. W. v. 01.01.2002 (Art. 9 Abs. 2 StVBG). Die Vorschrift gilt für die betroffenen Steueranmeldungen oder -festsetzungen (vgl. Rz. 3 f.), wenn sie nach dem 31.12.2001 erfolgen. Damit können Sicherheitsleistungen auch für bereits vor dem 01.01.2002 abgeschlossene Anmeldungs- bzw. Besteuerungszeiträume vereinbart werden. Auf den Zeitpunkt des angemeldeten Umsatzes oder der Entstehung eines Vorsteueranspruchs kommt es für die Anwendung des § 18f UStG nicht an (Huschens in V/S = Vorgängerkommentar zu S/W/R, 111. Lfg. 3/2002, § 18f Rn. 31).
1.4 Gemeinschaftsrechtliche Grundlagen und Verhältnis zu anderen Vorschriften
Rz. 9
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Obwohl § 18f UStG als rein verfahrensrechtliche Regelung in der MwStSystRL keine mit ihr unmittelbar korrespondierende Vorschrift findet, dürfte er aber EG-rechtlich grundsätzlich unbedenklich sein.
Rz. 10
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Insbesondere verstößt § 18f UStG nicht gegen den Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer. Die MwStSystRL gewährt dem Steuerpflichtigen zwar das Recht, die mit dem Bezug der Leistung entstandene Vorsteuer sofort durch Vorlage der Rechnung auszuüben; dabei unterstellt sie allerdings die Richtigkeit der Angaben des Steuerpflichtigen zur Abzugsberechtigung. Die MwStSystRL trifft gerade keine Maßnahmen zur Sicherung des Steueraufkommens; diese obliegen vielmehr den Mitgliedstaaten (Leonard/Heidner, in Bunjes, 19. Aufl. 2020, § 18f Rn. 3; zustimmend Mößlang, in S/R, § 18f Rn. 1).
Rz. 11
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Die Ausgestaltung des konkreten Sicherungssystems findet aber ihre Grenzen im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel (EuGH vom 18.12.1997, Rs. C-286/94, C-340/95, C-401/95 und C-47/96, Garage Molenheide u. a., UR 1998, 470; vom 25.10.2001, Rs. C-78/00, Kommission/Italienische Republik, UR 2001, 541).
Rz. 12
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Sicherungsmaßnahmen dürfen nicht so eingesetzt werden, dass sie das Vorsteuerabzugsrecht infrage stellen. Das Recht darf nicht so eingeschränkt werden, dass ein grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer für eine bestimmte Frist mit Mehrwertsteuern belastet bleibt oder die Steuern für ihn Kostenfaktoren darstellen. Aus diesem Blickwinkel könnte die Regelung über die Sicherheitsleistung problematisch sein. Eine Vorsteuererstattung gegen Sicherheitsleistung, die dem Unternehmer aus den dazu notwendigen Bankbürgschaften Kosten verursacht, könnte ein finanzielles Risiko i. S. d. EuGH-Urteils vom 25.10.2001 darstellen.
Rz. 13
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Daran ändert auch nichts, dass die...