1.1 Überblick über die Vorschrift
Rz. 1
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die USt ist neben der Lohnsteuer die derzeit bedeutendste Einnahmequelle des Bundes und der Länder. Vermehrt deckt die deutsche Finanzverwaltung seit Jahren Fälle massiven Umsatzsteuerbetrugs auf, insbesondere i. Z. m. Karussellgeschäften.
Rz. 2
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Das Ausmaß der durch Umsatzsteuerbetrug verursachten Steuerschäden lässt sich nur schwer bestimmen. Dies nicht nur deshalb, weil die Steuerbetrüger ihren "Erfolg" in keine Statistik einfließen lassen, sondern auch, weil viele Mitgliedstaaten die Zahlen entweder nicht erheben oder nicht veröffentlichen. Weitgehend seriöse Schätzungen liegen dem Europäischen Rechnungshof ausweislich eines Sonderberichts offensichtlich nur zu Deutschland (Steuerschaden 2005 etwa 17 Mrd. EUR) und dem Vereinigten Königreich (Steuerschaden 2005/2006 etwa 18 Mrd. EUR) vor. Weitere Zahlen:
- Die USt-Ausfälle – so mutmaßt das Europäische Parlament – könnten das Volumen des Jahresgesamthaushaltes der Gemeinschaft übersteigen (BR-Drucks. 1004/08 vom 19.12.2008; hierzu Weimann, UStB 2009, 52)!
- 2006 beliefen sich in Großbritannien die betrugsbedingten USt-Ausfälle auf 13,5 % des gesamten Mehrwertsteuer-Aufkommens.
- Europaweit werden die USt-Ausfälle auf rund 10 % geschätzt.
- Nach IFO/IFW könnte sich der Betrag für 2019 auf 30–60 Milliarden EUR belaufen, für 2020 findet man einen Betrag von 50 Milliarden EUR (DATEV Trialog vom 01.04.2021).
Rz. 3
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Dabei nutzen die Täter insbesondere das betrugsanfällige System des Vorsteuerabzugs und der Umsatzbesteuerung von grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsbewegungen innerhalb der EU. Der Umsatzsteuerbetrug wird damit zu einem europäischen Problem, dem die Finanzverwaltungen aller Mitgliedstaaten durch intensivere Zusammenarbeit, neue Prüfungsmethoden und insbesondere vermehrte Umsatzsteuerprüfungen begegnen werden.
HINWEIS
Aus diesem Grund wurden zum 01.07.2010 in Umsetzung der Vorgaben des Art. 263 MwStSystRL die Abgabemodi für die Zusammenfassende Meldung verschärft (vgl. die Kommentierung zu § 18a sowie Weimann, UStB 2009, 111 und 2010, 222).
Rz. 4
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Vor diesem Hintergrund ist auch die USt-Nachschau nach § 27b UStG zu sehen. Das BMF hat mit Schreiben vom 23.12.2002 (BStBl I 2002, 1447) zu der damals noch recht neuen Vorschrift Stellung genommen. Das Einführungsschreiben ist über Abschn. 282b in die UStR 2005 und die UStR 2008 eingegangen und wurde durch den UStAE als Abschn. 27b.1. weitestgehend unverändert fortgeführt. Dennoch werden für den Bereich der EU immer noch jährlich Summen von 151–160 Milliarden an Umsatzsteuerhinterziehung genannt (Burghardt PSP vom 12.10.17).
1.2 Rechtsentwicklung
Rz. 5
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§ 27b UStG wurde m. W. v. 01.01.2002 durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz (StVBG vom 19.12.2001, BGBl I 2001, 3922 = BStBl I 2002, 32) neu in das UStG eingefügt und wie folgt begründet (RegE BT-Drucks. 14/6883):
„Die Erfahrungen zeigen, dem Umsatzsteuerbetrug kann mit den bestehenden Regelungen der Außenprüfung (Umsatzsteuersonderprüfung, Betriebsprüfung) nicht ausreichend begegnet werden.
Die Außenprüfung muss angekündigt werden. Die Ankündigung gibt steuerunehrlichen Unternehmen die Zeit, Vorkehrungen zu treffen, um gegenüber den Steuerbehörden einen normalen Geschäftsbetrieb vorzutäuschen oder den Geschäftsbetrieb einzustellen. Die Steuerbehörden sind daher nach geltendem Recht nicht in dem notwendigen Maße in der Lage, sich ein zuverlässiges Bild über ein Unternehmen zu machen. Eine wirksame Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs macht die Kenntnisse der tatsächlichen Verhältnisse eines Unternehmens erforderlich. Das Finanzamt muss in die Lage versetzt werden, sich insbesondere einen Eindruck über die räumlichen Verhältnisse, das tatsächlich eingesetzte Personal und den üblichen Geschäftsbetrieb zu verschaffen. Nur auf diesem Wege ist es möglich, ordentliche Unternehmen von solchen zu unterscheiden, die in erster Linie dazu eingesetzt werden, den Fiskus zu schädigen.”
Rz. 6
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Das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 01.11.2011 (BGBl I 2011, 2131) hat die umsatzsteuerlichen Anforderungen an eine elektronische Rechnung rückwirkend zum 01.07.2011 deutlich reduziert (vgl. § 14 sowie Weimann, E-Rechnungen, 2013). Die behördlichen Prüfungsbefugnisse wurden durch die neuen § 27b Abs. 2 S. 2 und 3 UStG entsprechend erweitert (vgl. Rz. 40 ff.).
1.3 Geltungsbereich
1.3.1 Sachlicher Geltungsbereich
Rz. 7
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§ 27b UStG regelt die Befugnis der deutschen Finanzverwaltung zu unangemeldeten Prüfungsmaßnahmen.
1.3.2 Persönlicher Geltungsbereich
Rz. 8
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§ 27b UStG sieht hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs keine Beschränkungen vor und gilt daher für alle Unternehmer i. S. d. § 2 UStG unabhängig von der Rechtsform und der Größe des Unternehmens (auch Kleinunternehmer i. S. d. § 19 UStG).
1.3.3 Zeitlicher Geltungsbereich
Rz. 9
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§ 27b UStG gilt m. W. v. 01.01.2002 (Art. 9 Abs. 2 StVBG). Die Vorschrift gilt für Prüfungsmaßnahmen, die nach dem 31.12.2001 erfolgen; diese können sich a...