Rüdiger Weimann, Robert C. Prätzler
11.1 Bestandsaufnahme
Rz. 70
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Antwort der Bundesregierung auf eine große Anfrage der Fraktion der FDP verdeutlichte recht eindrucksvoll, wie wenig das Attribut "einfach" auf das Steuerrecht und insbesondere das Umsatzsteuerrecht anzuwenden ist (vgl. BT-Drucks. 15/1548 vom 16.09.2003):
- Zahl der Steuergesetze unbezifferbar: Derzeit regeln 118 Gesetze als Stammnormen das Steuerrecht. Gesetze, die neben ihrem außersteuerlichen Regelungsgehalt auch Vorschriften zur Besteuerung enthalten, lassen sich nicht beziffern.
- 4853 BMF-Schreiben: Ausweislich der Bundesdatenbank "VV-Steuer" gibt es 2042 gültige – im BStBl I veröffentlichte – BMF-Schreiben. Hinzu kommen 1193 BMF-Schreiben, die eine zeitliche Beschränkung in ihrer Anwendung aufweisen. Darüber hinaus werden 1618 nicht im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlichte BMF-Schreiben in der Datenbank nachgewiesen.
- Mehrfachänderung von Gesetzen: Allein in der 14. Legislaturperiode wurden folgende Vorschriften des UStG mehrfach geändert: § 3c Abs. 3, § 4 Nr. 8, § 4 Nr. 19, § 7 Abs. 5, § 10 Abs. 4, § 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1, § 14 Abs. 4, § 15 Abs. 1, § 15 Abs. 5, § 15a Abs. 4 bis 6, § 16 Abs. 6, § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 2, § 19 Abs. 1, § 22 Abs. 2, § 22a Abs. 2, § 24 Abs. 1, § 27 Abs. 1a, § 27 Abs. 3, Nr. 41 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2.
- Nichtanwendungserlasse: Allein in der 14. Legislaturperiode sind 28 BMF-Schreiben oder gleichlautende Erlasse der obersten FinBeh der Länder ergangen, die anordnen, dass BFH-Entscheidungen über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden sind.
11.2 Gegensteuern des BMF
Rz. 71
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Mit Schreiben vom 07.06.2005 wollte das BMF das "Anweisungsdickicht" erstmalig lüften. Auf einen Schlag wurden unter der Überschrift "Eindämmung der Normenflut" ca. 1000 BMF-Schreiben aufgehoben, die vor dem 01.01.1980 ergangen sind. Weiter gültig blieben schon damals immerhin 134 BMF-Schreiben aus der Zeit vor 1980.
In der Folgezeit arbeitete das BMF regelmäßig den Gesamtbestand seiner Schreiben durch und hat bei Drucklegung alle Schreiben gesichtet, die bis zum 09.03.2023 ergangen sind (BMF vom 10.03.2023, Az: IV A 2 – O 2000/22/10003 :001, 2023/0169552 a. a. O.). Zu den Fundstellen der BMF-Schreiben für frühere Zeiträume vgl. Vorauflage (5. Aufl. 2018), Rz. 101.
Rz. 72
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Auffällig ist, dass alle diese Schreiben – mit Ausnahme des ersten Schreibens vom 07.06.2005 – neben einer Positivliste noch zusätzlich folgende Regelung treffen: "Die Aufhebung der BMF-Schreiben bedeutet keine Aufgabe der bisherigen Rechtsauffassung der Verwaltung, sondern dient der Bereinigung der Weisungslage."
11.3 Beratungskonsequenzen
Rz. 73
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Den Schreiben hängt daher eine Positivliste an. Nur die nicht in die Listen aufgenommenen Schreiben werden außer Kraft gesetzt. Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen (grundlegend bereits Weimann, GStB 2007, 277):
11.4 Fazit
Rz. 74
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Insbesondere die kassierenden BMF-Schreiben ab dem Schreiben vom 29.03.2007 sind rundherum "Mogelpackungen": Die Normenflut wurde ausgeweitet...