Fabian Hammler, Nicole Stumm
1.3.1 Sachlicher Geltungsbereich
Rz. 9
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Vorschrift definiert, unter welchen Bedingungen die Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren (IOSS-Verfahren) möglich ist. Bei Inanspruchnahme der Sonderregelung ist die Einfuhr gem. § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG steuerfrei. Die Mehrwertsteuer wird vom Erwerber als Teil des Kaufpreises entrichtet (vgl. Erläuterungen zu den Mehrwertsteuervorschriften für den elektronischen Geschäftsverkehr, 4.2.2. Warum wurde die Einfuhrregelung eingeführt?, S. 63).
Rz. 10
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die beiden wesentlichen Voraussetzungen für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Sonderregelung sind, dass
- es sich um Fernverkäufe handelt, die ein Betreiber einer elektronischen Schnittstelle gem. § 3 Abs. 3a S. 2 UStG unterstützt bzw. um Fernverkäufe gem. § 3c Abs. 2 oder 3 UStG (d. h. Lieferungen aus dem Drittland an Nicht-Steuerpflichtige in der EU)
- mit einem Sendungswert von höchstens EUR 150. Dieser Wert entspricht dem Wert für "Waren mit geringem Wert", für die eine Zollbefreiung besteht, vgl. Kap. V Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates.
HINWEIS
Die Lieferungen von verbrauchsteuerpflichtigen Waren jedweden Wertes sind von der Anwendung der Sonderregelung ausgeschlossen (vgl. § 18k Abs. 1 S. 4 UStG)). Dies gilt auch für den Fall, in dem Waren mit geringem Wert zusammen mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren gekauft und/oder versandt werden (vgl. Erläuterungen zu den Mehrwertsteuervorschriften für den elektronischen Geschäftsverkehr, 4.2.3. Welche Lieferungen fallen unter die Einfuhrregelung?, S 63).
Mit der Einführung dieser Sonderregelung ist mit Wirkung ab dem 01.07.2021 die Mehrwertsteuer-Befreiung für die Einfuhr von Waren mit einem Sendungswert bis zu 22 EUR entfallen (vgl. Erläuterungen zu den Mehrwertsteuervorschriften für den elektronischen Geschäftsverkehr, 4 Fernverkäufe und Einfuhr von Waren mit geringem Wert, S. 58).
Rz. 11
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Da die Vorschrift als Wahlrecht ausgestaltet ist, ist eine fristgemäße Registrierung für die Nutzung des Verfahrens unabdingbar. Bei fristgerechter Registrierung ermöglicht das Verfahren den Unternehmern bzw. den in ihrem Auftrag handelnden Vertretern, die Steuer auf die in Rz. 10 genannten Fernverkäufe in nur einer besonderen Steuererklärung zu übermitteln und die selbst ermittelte Steuer entsprechend zu entrichten (§ 18k Abs. 1 S. 1 und 2 UStG).
Rz. 12
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Es gilt zu beachten, dass der sachliche Anwendungsbereich auf die Meldung von Fernverkäufen für Sendungen mit einem Sachwert von bis zu maximal 150 EUR beschränkt ist (vgl. § 18k Abs. 1 S. 1 UStG). Für Sendungen mit einem Sachwert von über 150 EUR findet das Verfahren keine Anwendung. In diesem Fall ist eine umsatzsteuerliche Registrierung im Bestimmungsmitgliedstaat unvermeidbar.
Rz. 13
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Da die Sonderregelung nur bei einem Sachwert von höchstens 150 EUR Anwendung findet, ist die Bestimmung dieses Wertes von enormer Bedeutung. Der Sachwert definiert sich dabei wie folgt:
a. |
bei Waren zu kommerziellen Zwecken der Preis der Waren selbst beim Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union ohne Transport- und Versicherungskosten, sofern sie nicht im Preis enthalten und gesondert auf der Rechnung ausgewiesen sind, sowie alle anderen Steuern und Abgaben, die von den Zollbehörden anhand der einschlägigen Dokumente ermittelt werden können; |
b. |
bei Waren zu nichtkommerziellen Zwecken der Preis, der für die Waren selbst gezahlt worden wäre, wenn sie zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union verkauft worden wären. |
Alle sonstigen verbundenen Kosten neben Transport- und Versicherungskosten, die nicht den Wert der Waren selbst widerspiegeln, sind ebenfalls vom Sachwert auszuschließen, wenn sie getrennt und eindeutig in der Rechnung ausgewiesen sind (z. B. Werkzeugkosten, Lizenzgebühren, Ausfuhrsteuer usw.). Der Begriff "andere Steuern und Abgaben" bezieht sich auf alle Steuern oder Abgaben, die auf der Grundlage des Werts der Gegenstände oder zusätzlich zu einer auf diese Gegenstände erhobenen Steuer oder Abgabe erhoben werden (vgl. Erläuterungen zu den Mehrwertsteuervorschriften für den elektronischen Geschäftsverkehr, 4.2.3 Welche Lieferungen von Gegenständen fallen unter die Einfuhrregelung?, S. 63 f.).
Unternehmer U1 verkauft Waren zu einem Nettopreis von 130 EUR, die sich zum Zeitpunkt der Bestellung im Drittland befinden. Er weist auf der Rechnung an den Kunden den Umsatzsteuerbetrag i. H. v. 24,70 EUR (19 % auf 130 EUR) sowie die Transportkosten i. H. v. 10 EUR offen aus.
Lösung:
Auch wenn der Kunde Waren zu einem Bruttobetrag von 154,70 EUR bezieht und insgesamt 164,70 EUR zahlt, kann U1 das IOSS-Verfahren nutzen, da der Umsatzsteuerbetrag sowie die Transportkosten offen ausgewiesen sind und der Nettopreis unter 150 EUR liegt.
Abwandlung:
Würde U1 nur einen Gesamtpreis von 164,70 EUR auf der Rechnung ausweisen, wäre das IOSS-Verfahren nicht mehr anwendbar, da die Nebenkosten nicht vom Warenpreis separierbar sind, sodas...