Fabian Hammler, Nicole Stumm
2.1 Haftungstatbestand (§ 25e Abs. 1 UStG)
Rz. 10
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Betreiber einer elektronischen Schnittstelle ist, wer mittels dieser die Lieferung eines Gegenstands unterstützt. Die in § 25e Abs. 6 UStG a. F. enthaltene Legaldefinition des Begriffs "Betreiber eines elektronischen Marktplatzes" ist i. R. d. Neufassung des § 25e UStG und des damit verbundenen unionsrechtlich begründeten Übergangs auf den Begriff der "elektronischen Schnittstelle" m. W. z. 01.07.2021 gestrichen worden. Sie definierte den Betreiber als denjenigen, der einen elektronischen Marktplatz unterhält und es Dritten ermöglicht, auf diesem Marktplatz Umsätze auszuführen.
Betreiber einer elektronischen Schnittstelle i. S. d. § 25e Abs. 1 UStG haften für die nicht entrichtete inländische Steuer aus einer Lieferung von Gegenständen, die sie mittels einer elektronischen Schnittstelle unterstützen. Nach § 25e Abs. 1 S. 2 UStG sind Lieferungen ausgenommen, für die § 3 Abs. 3a UStG gilt, nach dem der Betreiber der elektronischen Schnittstelle so behandelt wird, als ob er die mittels der elektronischen Schnittstelle unterstützte Lieferung für sein Unternehmen selbst erhalten und (weiter)geliefert hätte.
Haftungsfall?
U betreibt eine elektronische Schnittstelle in Form eines Online-Marktplatzes. Der im Drittland ansässige Unternehmer D ist auf dem Online-Marktplatz des U registriert und veräußert über diesen Gemeinschaftswaren, die er aus seinem deutschen Lager an folgende Kunden versendet:
- an den deutschen Unternehmer K
- an den deutschen Endverbraucher E
- an den französischen Endverbraucher F
U überschreitet die Lieferschwelle des § 3c Abs. 4 S. 1 UStG.
Lösung:
U hat mittels einer elektronischen Schnittstelle die Lieferungen des D unterstützt.
- § 3 Abs. 3a UStG ist nicht einschlägig, da die Lieferung des D an einen anderen Unternehmer erfolgt. Die Lieferung ist gem. § 3 Abs. 6 S. 1 UStG im Inland steuerbar und steuerpflichtig. Führt D die Umsatzsteuer auf die Lieferung an K nicht ab, kommt eine Haftung des U gem. § 25e UStG in Betracht.
- U ist gem. § 3 Abs. 3a S. 1 UStG in die Leistungskette einbezogen, da er mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, unterstützt und diese Lieferung durch einen im Drittland ansässigen Unternehmer (D) an einen Empfänger gem. § 3a Abs. 5 S. 1 UStG (Nichtunternehmer) ausgeführt wird. Es liegt ein Reihengeschäft vor. Die Lieferung des U ist gem. § 3 Abs. 6b UStG die bewegte Lieferung und damit nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG im Inland, wo die Warenbewegung beginnt, steuerbar und steuerpflichtig. U schuldet die Steuer auf die Lieferung an E. Eine Haftung des U gemäß § 25e UStG kommt nicht in Betracht.
- Wie Lösung zu b), jedoch ist die Lieferung des U gem. § 3c Abs. 1 UStG (i. g. Fernverkauf) in Frankreich und damit nicht im Inland steuerbar. Da § 25e UStG nur eine Haftung für inländische Umsatzsteuer begründet, ist seine Anwendung im vorliegenden Falle ausgeschlossen. U muss jedoch ungeachtet der Nichtanwendbarkeit des § 25e UStG die besonderen Pflichten für Betreiber elektronischer Schnittstellen gemäß § 22f UStG beachten.
Rz. 11
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 25e Abs. 1 S. 1 UStG begründet eine Art verschuldensunabhängiger Gefährdungshaftung (zu der Frage, ob dogmatisch betrachtet eine Gefährdungshaftung vorliegt, vgl. Heidner in Bunjes, UStG § 25e Rn. 12 und 13). Das aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderliche Korrektiv dieser weitgehenden Haftungsnorm findet sich in den Ausschlusstatbeständen der Abs. 2 und 3, die die Haftung in eine verschuldensabhängige Haftung für die Verletzung eigener Aufzeichnungspflichten wandeln (vgl. Heuermann in Sölch/Ringleb, UStG, § 25e Rn. 4 und 5).
2.2 Ausschlusstatbestände
2.2.1 Ausschluss der Haftung für Lieferungen von Unternehmern, die als solche auf der elektronischen Schnittstelle registriert sind (§ 25e Abs. 2 UStG)
Rz. 12
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die von § 25e Abs. 1 S. 1 UStG angeordnete Haftung des Betreibers der elektronischen Schnittstelle ist ausgeschlossen, wenn der liefernde Unternehmer über eine gültige, ihm vom BZSt nach § 27a UStG erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verfügt. Der Betreiber der elektronischen Schnittstelle hat diese aufzuzeichnen (§ 22f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).
Rz. 13
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Aufwendig wird die Erfassung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, wenn Unternehmer, die nur im Inland Lieferungen ausführen, über eine solche (noch) nicht verfügen, weil die Beantragung für sie nicht verpflichtend ist (auf Antrag wird sie jedoch jedem Unternehmer erteilt, vgl. § 27a Abs. 1 S. 1 UStG). Derartige Fälle sind in der Praxis noch häufig anzutreffen. Oftmals müssen die Betreiber elektronischer Schnittstellen hier in erheblichem Umfang Aufklärungs- und Kommunikationsaufwand betreiben. Es erscheint wünschenswert, wenn zukünftig jedem Unternehmer automatisch bei der steuerlichen Erfassung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zugeteilt würde.
Qualifizierte Bestätigungsabfrage der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
Der Betreiber der elektronischen Schnittstelle muss sich vergewissern, dass die von ihm aufgezeichnete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die i...