2.1 Innergemeinschaftliche Lieferung
2.1.1 Grundsachverhalt
Rz. 30
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der Hauptanwendungsfall der i. g. Lieferung definiert sich wie folgt: Ein Unternehmer (vgl. § 2 UStG) erbringt eine Lieferung (vgl. § 3 UStG) an einen Abnehmer, wobei der Gegenstand der Lieferung in das üGG (vgl. § 1 Abs. 2 und 2a UStG; Abschn. 1.9, 1.10 UStAE) gelangt (§ 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG). Der Abnehmer erwirbt dabei den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen, muss also selbst ebenfalls Unternehmer sein (§ 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG) und unterliegt mit dem Erwerb in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG; vgl. § 1a UStG). Seit dem 01.01.2020 ist die Verwendung einer gültigen ausländischen EU-USt-IdNr. durch den Abnehmer weitere Voraussetzung (§ 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG), ebenso wie die fristgerechte und vollständige Meldung des Vorgangs in der ZM (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG). Daneben müssen nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a–d UStDV beim liefernden Unternehmer entsprechende Beleg- und Buchnachweise über den Sachverhalt vorliegen.
2.1.2 Unternehmer
Rz. 31
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Besteuerung des Umsatzsteuerrechts knüpft an die Unternehmereigenschaft (vgl. § 2 UStG) an. Dementsprechend kann eine i. g. Lieferung grundsätzlich nur durch einen Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens gegen Entgelt erbracht werden (§ 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG i. V. m. § 1a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a UStG). Der Unternehmer muss der Regelbesteuerung unterliegen.
Rz. 32
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Auf Kleinunternehmer (§ 19 Abs. 1 UStG; beachte Optionsmöglichkeit § 19 Abs. 2 UStG) finden die Vorschriften über die i. g. Lieferungen (§ 6a UStG) und die Angabe einer USt-IdNr. in einer Rechnung (§ 14a Abs. 1, 3 und 7 UStG) keine Anwendung (§ 19 Abs. 1 S. 4 UStG). Dies gilt jedoch nicht für den Fall der Lieferung neuer Fahrzeuge (§ 19 Abs. 4 UStG). Nicht anwendbar soll § 6a UStG (§ 24 Abs. 1 S. 2 UStG – Ausschluss der Steuerbefreiungen § 4 Nr. 1–7 UStG) auch für pauschalierende Landwirte sein (vgl. Abschn. 24.5 Abs. 1 UStAE). In Fällen der Differenzbesteuerung (§ 25a UStG) ist die Steuerbefreiung für i. g. Lieferungen ausgeschlossen (§ 25a Abs. 5 S. 2 und Abs. 7 Nr. 3 UStG; vgl. BFH vom 07.12.2006, Az: V R 52/03, BStBl II 2007, 420). S. Abschn. 6a.1 Abs. 3 UStAE. Besonderheiten gelten für die Lieferung neuer Fahrzeuge (Definition vgl. § 1b Abs. 3 UStG). Nach § 2a UStG werden auch Nichtunternehmer und Unternehmer, die jedoch nicht im Rahmen ihres Unternehmens liefern, für diese Lieferung wie Unternehmer behandelt (für den Abnehmer vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG und § 1b UStG) und können daher eine i. g. Lieferung verwirklichen (wegen des Vorsteuerabzuges vgl. § 15 Abs. 4a UStG).
2.1.3 Ort der Lieferung
2.1.3.1 Ortsermittlung nach § 3 Abs. 6 und 7 UStG
Rz. 33
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG setzt die Steuerbarkeit (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) der i. g. Lieferung voraus. Der Lieferort muss daher im Inland (§ 1 Abs. 2 UStG) liegen. Grundsätzlich bestimmt sich der Lieferort in Fällen des Beförderns oder Versendens (§ 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG) nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG, die Lieferung gilt dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung beginnt.
2.1.3.1.1 Lieferbedingung "ship to hold"
Rz. 34
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bei Vereinbarung einer besonderen Lieferbedingung "ship to hold" kann dem BFH zufolge grundsätzlich dennoch eine einheitliche bewegte Warenlieferung vorliegen (vgl. BFH vom 30.07.2008, Az: XI R 67/07, BStBl II 2009, 552). Im Urteilsfall wurden von einem in Großbritannien ansässigen Lieferer Mobiltelefone an einen deutschen Abnehmer geliefert. Die Mobiltelefone wurden von einem durch den Lieferer beauftragten Spediteur zunächst zu einer deutschen Schwestergesellschaft des Lieferers ins Inland verbracht und vom dortigen Lager erst nach Erteilung der Freigabebestätigung durch den Lieferer (nach Zahlungseingang) an den deutschen Abnehmer ausgehändigt. Nach Auffassung des BFH gilt eine Lieferung auch dann bei Beginn der Versendung in einem anderen Mitgliedstaat als dort ausgeführt (§ 3 Abs. 6 S. 1 UStG), wenn die Person des inländischen Abnehmers dem mit der Versendung Beauftragten im Zeitpunkt der Übergabe der Ware nicht bekannt ist, aber mit hinreichender Sicherheit leicht und einwandfrei aus den unstreitigen Umständen, insbesondere aus Unterlagen abgeleitet werden kann (Änderung der Rechtsprechung, abweichend von der damaligen Verwaltungsauffassung). Die Finanzverwaltung ist dem gefolgt und lässt es für eine einheitlich zu würdigende Lieferung genügen, dass der Abnehmer feststeht, was grundsätzlich aus den Versendungsunterlagen oder anderen Unterlagen oder unstreitigen Umständen mit hinreichender Sicherheit leicht und einwandfrei ableitbar sein müsse (vgl. Abschn. 3.12. Abs. 3 S. 4 ff. UStAE).
2.1.3.1.2 Lieferung in Konsignationslager
Rz. 35
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Ob die vorstehend beschriebene Rechtslage auch auf die Lieferung in ein Konsignationslager anzuwenden ist, war umstritten. Abschn. 3.12. Abs. 3 S. 7 UStAE a. F. regelte hierzu pauschal, dass bei einem Verbringen in ein Auslieferungs- oder Konsignationslager im Zeitpunk...