2.1 Bedeutung, Inhalt und Aufbau der Vorschrift
Rz. 20
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 13 Abs. 1 UStG regelt nicht die Voraussetzungen der Umsatzsteuer, sondern lediglich den Zeitpunkt ihrer Entstehung. Materiell-rechtlich entsteht die Umsatzsteuer durch die Verwirklichung der jeweiligen Steuertatbestände kraft Gesetzes (BFH vom 07.07.1983, Az: V R 197/81, BStBl II 1984, 70) und damit unabhängig davon, ob
Rz. 21
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Insofern füllt § 13 UStG auch nicht die "Blankettvorschrift" des § 38 AO ("Entstehung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis: Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft") aus, sondern ergänzt die Vorschrift lediglich (vgl. statt vieler Bülow in S/W/R, UStG § 13 Rn. 9; Nieskens in R/D, § 13 Anm. 44).
Rz. 22
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Rechtstechnisch knüpft § 13 Abs. 1 UStG hinsichtlich des Entstehungszeitpunkts der Steuer nicht an die Verwirklichung eines jeden einzelnen steuerbaren bzw. zu versteuernden Vorgangs an, sondern fasst aus praktischen Erwägungen die in
- Nr. 1 Buchst. a (Lieferungen und sonstige Leistungen, Sollversteuerung),
- Nr. 1 Buchst. b (Lieferungen und sonstige Leistungen, Ist-Besteuerung),
- Nr. 1 Buchst. d (elektronische Leistungen von Drittlandsunternehmern: Vereinfachungs-Wahlrecht des § 18 Abs. 4c UStG),
- Nr. 2 (unentgeltliche Wertabgaben),
- Nr. 5 (Änderung der Bemessungsgrundlage),
- Nr. 9 (Auslagerungen)
geregelten Vorgänge zusammen und bestimmt, dass für alle diese Vorgänge (gemeinsam) die Umsatzsteuer "mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums/Besteuerungszeitraums" entsteht.
Rz. 23
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Ausgenommen hiervon sind die Vorgänge in
- Nr. 1 Buchst. c (Beförderungseinzelbesteuerung),
- Nr. 3 (Unrichtiger Steuerausweis),
- Nr. 4 (Unberechtigter Steuerausweis),
- Nr. 6 bis Nr. 8 (Binnenmarktumsätze).
Hier sieht das UStG Sonderregelungen vor.
Rz. 24
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 13 UStG betrifft nur die "in dem Besteuerungszeitraum entstandene" Steuer i. S. v. § 16 Abs. 1 UStG, d. h. diese eine unselbstständige Besteuerungsgrundlage. Diese ist mit den Vorsteueransprüchen zu saldieren (§ 16 Abs. 2 UStG; ausgenommen sind Fälle des § 16 Abs. 1a S. 3 UStG: Vereinfachungs-Wahlrecht von Drittlandunternehmern bei elektronischen Dienstleistungen). Der Saldo ergibt dann die für den Besteuerungszeitraum zu berechnende Steuer i. S. v. § 18 Abs. 1 UStG (BFH vom 24.03.1983, Az: V R 8/81, BStBl II 1983, 612; vom 13.11.1986, Az: IV R 211/83, BStBl II 1987, 347).
TIPP
Weder die gem. § 13 Abs. 1 UStG entstandene Steuer noch der Vorsteueranspruch führen verfahrensmäßig ein Eigenleben. Sie sind vielmehr beide integrale Bestandteile der Steuerberechnung nach § 16 UStG. Erst der Saldo aus beiden Besteuerungsgrundlagen ergibt die für den Besteuerungszeitraum festzusetzende (positive oder negative) Steuer i. S. v. § 18 Abs. 1 UStG (Bülow in S/W/R, § 13 Rn. 11; Wagner in S/R, § 13 Rn. 6 f.).
2.2 Bedeutung der Steuerentstehung für vergangene und zukünftige Änderungen des Umsatzsteuersatzes/Leistungszeitpunkt als entscheidendes Prüfungskriterium
Rz. 25
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Nur vordergründig ist die Änderung des Umsatzsteuersatzes ein Problem des § 12 UStG (= eigentliche Regelung des Steuersatzes). Vielmehr gilt es i. Z. m. einer Steuersatzänderung primär stets zu entscheiden, wann die Umsatzsteuer i. S. v. § 13 UStG entstanden ist. Damit kommt dem Zeitpunkt der infrage stehenden (steuerbaren und steuerpflichtigen) Leistung eine zentrale Bedeutung zu (so auch Raudszus, UStB 2006, 139):
- Der zum 01.01.2007 neue allgemeine Steuersatz von 19 % war auf Lieferungen, sonstige Leistungen und i. g. Erwerbe anzuwenden, die nach dem 31.12.2006 bewirkt wurden. Maßgebend für die Anwendung dieses Steuersatzes ist stets der Zeitpunkt, in dem der jeweilige Umsatz ausgeführt wird (= Leistungszeitpunkt).
- Entsprechendes gilt für die Corona-bedingte Absenkung der Umsatzsteuer im zweiten Halbjahr 2020 (vgl. Weimann, Umsatzsteuersenkung 2020) und das Ende der Steuerermäßigung in der Gastronomie zum 01.01.2024.
- Auf den Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung kommt es für die Frage, welchem Steuersatz eine Leistung unterliegt, ebenso wenig an wie auf den Zeitpunkt der Entgeltsvereinnahmung oder der Rechnungserteilung (BMF vom 11.08.2006, BStBl I 2006, 477 Rn. 4).
- Auch in den Fällen der Ist-Besteuerung (§ 20 UStG) und der Ist-Besteuerung von Anzahlungen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 4 UStG) ist entscheidend, wann der Umsatz bewirkt wird (Abschn. 12.1. Abs. 3 UStAE). Das gilt unabhängig davon, wann die Steuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG entsteht.
- Entsprechendes gilt für Teilleistungen; für diese sieht die Finanzverwaltung allerdings besondere Übergangsregelungen vor (BMF vom 11.08.2006, BStBl I 2006, 477 Rn. 4).
TIPP
Der Leistungszeitpunkt und dessen mögliche Verschiebung (V...