2.1 Grundsatz
Rz. 6
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Gem. Art. 1 MWSTG unterliegen folgende Sachverhalte der Mehrwertsteuer:
- im Inland von steuerpflichtigen Personen gegen Entgelt erbrachte Leistungen (Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen),
- Bezug von Leistungen von Unternehmen mit Sitz im Ausland durch Empfänger im Inland (Bezugsteuer),
- Einfuhr von Gegenständen (Einfuhrsteuer).
Rz. 7
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Somit unterliegt grundsätzlich jede Lieferung von Gegenständen sowie jede Dienstleistung der MWST, es sei denn, es handelt sich um eine in der Ausnahmeliste (Art. 21 MWSTG) genannte Leistung. Nicht der Steuer unterliegen ferner Gebühren, Beiträge oder sonstige Zahlungen, die für hoheitliche Tätigkeiten empfangen werden (Art. 18 Abs. 2 Buchst. l MWSTG).
Rz. 8
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In Ergänzung zur Steuer auf den Umsatz im Inland wird die Steuer auf die Einfuhren (Art. 50–64 MWSTG) erhoben. Damit ist sichergestellt, dass Gegenstände, die ins Zollinland eingeführt werden, zu demselben Satz besteuert werden wie die im Inland zugekauften Waren.
2.2 Begriff der Lieferung
Rz. 9
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Der Begriff der Lieferung ist im Vergleich zur MwStSystRL sehr weit gefasst. Er umfasst u. a. auch die Bearbeitung eines Gegenstandes für fremde Rechnung (Art. 3 Buchst. d Ziff. 2 MWSTG) sowie das Überlassen eines Gegenstandes zum Gebrauch oder zur Nutzung (Art. 3 Buchst. d Ziff. 3 MWSTG). Jede Lieferung i. S. v. Art. 3 Buchst. d MWSTG setzt einen Gegenstand voraus. Gegenstände i. S. d. MWSTG sind bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Elektrizität, Gas, Wärme, Kälte und Ähnliches (Art. 3 Buchst. b MWSTG). Als bewegliche Sache gilt, was Gegenstand eines Fahrniskaufes (Art. 187 OR) oder eines Energielieferungsvertrages sein kann. Liegenschaften, Gebäude und Teile davon gehören zu den unbeweglichen Sachen.
2.2.1 Verschaffung der Verfügungsmacht
Rz. 10
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In Art. 3 Buchst. d Ziff. 1 MWSTG ist der typische Anwendungsfall einer Lieferung geregelt. Danach liegt eine Lieferung vor, wenn die Befähigung verschafft wird, in eigenem Namen über einen Gegenstand wirtschaftlich zu verfügen. Die Verfügungsmacht kommt dem Abnehmer dann zu, wenn er wie ein Eigentümer über den Gegenstand verfügen kann, diesen also selber verbrauchen oder gebrauchen oder aber in eigenem Namen auf eine weitere Wirtschaftsstufe übertragen, sie in eigenem Namen veräußern kann (BGer, Urteil vom 31.03.2003 [2A.399/2002], E. 3.2). Ob im konkreten Fall das Eigentum oder der Besitz an dem Gegenstand übertragen worden ist oder nicht, spielt keine Rolle. So etwa gilt auch die im Rahmen eines Kommissionsgeschäfts erfolgte Übergabe von Gegenständen als Lieferung (Felix Geiger, OFK-MWSTG, Art. 3 N 21 f.).
2.2.2 Bearbeitung eines Gegenstandes
Rz. 11
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Als Lieferung gilt auch die entgeltliche Ablieferung von Waren, Bauwerken und Grundstücken, an denen – gestützt auf einen Werkvertrag oder Auftrag – für fremde Rechnung Arbeiten besorgt worden sind (Art. 3 Buchst. d Ziff. 2 MWSTG). Anders als im EU-Recht macht es jedoch keinen Unterschied, ob der Unternehmer bei der Be- bzw. Verarbeitung von beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen Material verwendet hat oder nicht. Unter den Begriff der Lieferung fallen deshalb neben der Herstellung von Gegenständen auch für fremde Rechnung vorgenommene Arbeiten an beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen wie Änderungs-, Reparatur-, Reinigungsarbeiten, Einstell- und Inbetriebsetzungsarbeiten, Unterhalts- und Kontrollarbeiten an Anlagen oder Software-Installationen beim Kunden vor Ort (MWST-Info 06, Teil II Ziff. 1).
2.2.3 Gebrauchsüberlassung
Rz. 12
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Im Unterschied zum EU-Recht gilt in der Schweiz auch das Überlassen von Gegenständen zum Gebrauch oder zur Nutzung (z. B. gestützt auf einen Miet-, Leasing- oder Pachtvertrag [Art. 253 ff. und Art. 275 ff. OR]) als Lieferung (Art. 3 Buchst. d Ziff. 3 MWSTG). Dass dem Mieter, Leasingnehmer oder Pächter bei dieser Art von Rechtsgeschäften – anders als bei der Lieferung i. S. v. Art. 3 Buchst. d Ziff. 1 MWSTG – keine Verfügungsmacht verschafft wird, ist ohne Bedeutung. Mit dieser Lösung wollte der Gesetzgeber insbesondere die Probleme, die sich bei der Qualifikation von Leasingverträgen ergeben können, entschärfen.
2.3 Begriff der Dienstleistung
Rz. 13
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Der Begriff der Dienstleistung (gemäß deutscher Terminologie "sonstige Leistung") wird im MWSTG negativ umschrieben. Als solche gilt jede Leistung, die keine Lieferung ist (Art. 3 Buchst. e MWSTG). Das Überlassen von immateriellen Werten und Rechten wie Patenten und Lizenzen (Ziff. 1) sowie das Unterlassen oder Dulden einer Handlung bzw. eines Zustandes gelten – entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch – ebenfalls als Dienstleistungen (Ziff. 2).
2.4 Einheit der Leistung
Rz. 14
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Grundsätzlich gelten mehrere zivilrechtlich selbstständige Leistungen auch umsatzsteuerrechtlich als Mehrheit von selbstständigen Leistungen, d. h. sie haben ein eigenes steuerliches Schicksal. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung werden jedoch mehrere Leistungen zu einer Gesamtleistung zusammengefasst, wenn sie ...