2.1 Allgemeines
Rz. 7
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Trotz der Vorteile einer unechten Steuerbefreiung (Verzicht auf die Abgabe von USt-Voranmeldungen und Jahreserklärungen) wirkt sich diese nachteilig aus, wenn bei Steuerpflicht hohe Eingangsumsätze zu einem Vorsteuerüberhang und damit zu einem Erstattungsanspruch führen würden. Für einige unechte Steuerbefreiungen sieht § 9 UStG daher die Möglichkeit eines Verzichts auf vor:
Rz. 8
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der Verzicht auf die Steuerbefreiung wird als Option bezeichnet. Er zieht die Steuerpflicht des Umsatzes nach sich, und zwar mit dem Regelsteuersatz von derzeit 19 %.
Rz. 8a
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Soweit auf unechte Steuerbefreiungen nicht nach § 9 UStG verzichtet werden kann, werden diese zu Recht als "unvollkommen" bezeichnet (Heidner in Bunjes, § 4 Nr. 15 Rz. 1), weil sie durch den "Verlust des Vorsteuerabzugs" (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 Nr. 1 Umkehrschluss UStG) zu einer endgültigen Umsatzsteuerbelastung führen.
2.2 Steuerbelastungsvergleich vor der Option
Rz. 9
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die sinnvolle Ausübung des Optionsrechts erfordert vorab einen Steuerbelastungsvergleich. Nutzt z. B. der Eigentümer einer Ferienwohnung diese ausschließlich selbst oder überlässt er sie Dritten zur ausschließlich unentgeltlichen Nutzung, gilt dies umsatzsteuerlich als Letztverbrauch mit der Folge, dass nach derzeitiger deutscher Verwaltungsauffassung (vgl. Rz. 13 f.) keine USt anfällt und gleichzeitig auch keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug auf Eingangsleistungen besteht. Anders bei entgeltlicher Überlassung der Ferienwohnung; diese wird i. d. R. zur Steuerpflicht der Ausgangsumsätze und damit zur Vorsteuerabzugsberechtigung auf die Eingangsumsätze führen (vgl. im Einzelnen Abschn. 4.12.1.–4.12.11. und Abschn. 9.1.–9.2. UStAE). Soweit die Nutzungsüberlassung steuerpflichtig erfolgt oder erfolgen könnte, stellt sich bei dem ihr vorangehenden Erwerb der Wohnung immer die Frage, ob der Veräußerer im Interesse des Erwerbers gem. § 9 UStG zur Steuerpflicht optieren sollte.
Beispiel (vergleichende Kalkulation):
Bauträger BT errichtet zum 01.05.2017 am Timmendorfer Strand eine Ferienwohnanlage. Eine der Wohneinheiten veräußert BT an Reiseveranstalter RV. Dieser beabsichtigt, die Wohnung i. S. v. § 4 Nr. 12 S. 2 UStG kurzfristig (= Mietdauer unter sechs Monaten; vgl. Abschn. 4.12.3. Abs. 2 UStAE sowie EuGH vom 12.02.1998, Rs. C-346/95, Blasi, UR 1998, 189) an Reisende zu überlassen. Im Interesse des RV ist zu prüfen, ob wirtschaftlich ein steuerfreier oder ein steuerpflichtiger Erwerb sinnvoller ist.
Lösung:
BT hätte den Verkaufspreis (VKP) wie folgt zu kalkulieren:
|
VKP mit Option |
VKP ohne Option |
Gestehungspreis des BT netto |
240.000 EUR |
240.000 EUR |
+ nicht abziehbare Vorsteuer (19 % des Gestehungspreises) |
|
45.600 EUR |
+ Rohgewinnaufschlag |
40.000 EUR |
40.000 EUR |
Nettoverkaufspreis |
280.000 EUR |
325.600 EUR |
+ USt (19 %) |
53.200 EUR |
entfällt |
VKP |
333.200 EUR |
325.600 EUR |
Aufgrund des möglichen Vorsteuerabzugs wäre für RV bei unverändertem Rohgewinnaufschlag des BT ein steuerpflichtiger Erwerb sinnvoll.
Rz. 10
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Das Beispiel zeigt, dass
- wenn der Veräußerer bei der Kalkulation seinerseits i. S. v. § 15 Abs. 1 UStG abzugsfähige Vorsteuerbeträge zu berücksichtigen hat und gleichzeitig
- dem Erwerber in Rechnung gestellte USt bei diesem als Vorsteuer nach § 15 Abs. 2 ff. UStG abziehbar wäre,
der Veräußerer im Interesse des Erwerbers bei dem der Nutzungsüberlassung vorangehenden Erwerb gem. § 9 UStG zur Steuerpflicht optieren sollte (vgl. Paus/Eichmann, StWK Gruppe 11 S. 193 = Heft 11/2002).