Rz. 18
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 2 UStG i. V. m. § 8 Abs. 1 UStG ist grundsätzlich davon abhängig, dass die Umsätze unmittelbar an Betreiber eines Seeschiffes oder an die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger erbracht werden (vgl. Abschn. 8.1. Abs. 1 S. 1, 3 UStAE). Die Umsätze vorangehender Stufen (z. B. Zwischenhändler im Reihengeschäft) sind folglich grundsätzlich nicht begünstigt. Wenn aber im Leistungszeitpunkt deren endgültige Verwendung für den Bedarf eines qualifizierenden Seeschiffes feststeht und die endgültige Zweckbestimmung der Leistung bereits aufgrund der Befolgung der steuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten (Beleg- und Buchnachweis) sowie der Befolgung der Aufbewahrungspflichten und nicht erst durch besondere Kontroll- und Überwachungsmechanismen nachvollziehbar ist, kann sich die Steuerbefreiung auch auf vorhergehende Stufen erstrecken (vgl. Abschn. 8.1. Abs. 1 S. 3 UStAE).
Rz. 18a
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Hinsichtlich der Frage der unmittelbaren Leistungserbringung hat sich die Verwaltungsauffassung mehrfach geändert. Zunächst ging die Verwaltung von einer Befreiung auch auf Vorstufen aus. Abschn. 145 Abs. 2 UStR 2005 forderte allerdings bezüglich der Leistungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 UStG die unmittelbare Leistungserbringung (vgl. EuGH vom 26.06.1990, Rs. C-185/89, UVR 1990, 338 [UR 1991, 349] – Art. 15 Nr. 4 der 6. EG-RL "Lieferung von Gegenständen zur Versorgung von Schiffen" – Gleichstellung mit Behandlung bei Ausfuhrumsätzen). Nach Abschn. 145 Abs. 1 UStR 2008 wurde dann die unmittelbare Leistungserbringung in allen Fällen gefordert, was allerdings durch das BMF-Schreiben vom 24.01.2008 (Az: IV A 6 – S 7155-a/07/0002, BStBl I 2008, 294; aufgehoben durch BMF-Schreiben vom 04.04.2014, Az: IV D 3 – S 7155-a/07/10002, BStBl I 2014, 801) unter den dort genannten Bedingungen eine Einschränkung bei der Lieferung von Wasser- und Luftfahrzeugen erfuhr. Die unmittelbare Leistungserbringung wurde durch die Rechtsprechung auch für Leistungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG gefordert (vgl. BFH vom 06.12.2001, Az: V R 23/01, BStBl II 2002, 257 – Versetzen und Ausholen von Seelotsen/Leistungserbringung gegenüber Behörde; zum Lotsenversetzdienst vgl. FG Hamburg vom 29.08.2007, Az: 5 K 198/06, EFG 2008, 172, keine unmittelbare Leistungserbringung i. S. v. § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG).
Rz. 18b
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Als Reaktion auf das Urteil des EuGH vom 19.07.2012 (C-33/11, "A Oy I", vgl. Rz. 14) hat die Verwaltung (vgl. BMF vom 04.04.2014, Az: IV D 3 – S 7155-a/07/10002, BStBl I 2014, 801) den UStAE in Abschn. 8.1. Abs. 1 S. 2 abermals angepasst: "Die Lieferung eines Wasserfahrzeuges i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist auch dann umsatzsteuerfrei, wenn die Lieferung an einen Unternehmer erfolgt, der das Wasserfahrzeug zum Zwecke der Überlassung an einen Betreiber eines Seeschiffs oder die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger zu deren ausschließlicher Nutzung erwirbt und diese Zweckbestimmung im Zeitpunkt der Lieferung endgültig feststeht und vom liefernden Unternehmer nachgewiesen wird."
Rz. 18c
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Mit Schreiben vom 06.10.2017 (Az: III C 3 – S 7155/16/10002, BStBl I 2017, 1349; mit Übergangsregelung bis 31.12.2017) reagierte das BMF auf das Urteil des EuGH vom 04.05.2017, A Oy II (vgl. Rn. 16) und änderte erneut insbesondere Abschn. 8.1. Abs. 1 UStAE. Zunächst wurde in Abschn. 8.1. Abs. 1 UStAE die bisher kategorische Forderung nach einer unmittelbaren Leistungserbringung auf ein "grundsätzlich" abgeschwächt. Daneben wurde der Satz 3 neu formuliert sowie die Sätze 4 und 5 neu eingefügt und dadurch die Rechtsprechungsgrundsätze des Urteils A Oy II in den UStAE übernommen. BMF: "3Die Steuerbefreiung kann sich nicht auf Umsätze auf den vorhergehenden Stufen erstrecken, wenn im Zeitpunkt dieser Leistungen deren endgültige Verwendung für den Bedarf eines Seeschiffes ihrem Wesen nach nicht feststeht; steht im Zeitpunkt der Leistung deren endgültige Verwendung für den Bedarf eines Seeschiffes fest und ist die endgültige Zweckbestimmung der Leistung nicht erst durch besondere Kontroll- und Überwachungsmechanismen nachvollziehbar, kann sich die Steuerbefreiung auch auf vorhergehende Stufen erstrecken (vgl. EuGH-Urteile vom 14.9.2006, C-181/04 bis C-183/04, Elmeka, und vom 19.7.2012, C-33/11, A). 4Auch Dienstleistungen im Bereich des Beladens und Entladens eines Seeschiffes können steuerfrei sein, wenn sie nicht unmittelbar an den Betreiber eines Seeschiffes, sondern auf einer vorhergehenden Stufe erbracht werden, wie etwa eine von einem Unterauftragnehmer an einen Auftraggeber erbrachte Be- oder Entladeleistung, die dieser dann einem Speditions- oder Transportunternehmen weiterberechnet. 5Auch können Be- und Entladedienstleistungen steuerfrei sein, die an den Verfügungsberechtigten der Schiffsladung, etwa deren Ausführer oder Einführer, erbracht werden (vgl. EuGH-Urteil vom 4.5.2017, C-33/16, A)." Entfallen ist der bisherige Satz 8 zur Le...