Rz. 14
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Begriffe des Versicherungsvertreters und Versicherungsmaklers sind nach übereinstimmender Auffassung der Rechtsprechung und Finanzverwaltung richtlinienkonform nach dem Gemeinschaftsrecht auszulegen. Dies hat der BFH in einem Urteil vom 06.09.2007 (Az: V R 50/05, UR 2008, 121) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung, wonach es zur Begriffsbestimmung auf die handelsrechtlichen Begriffe des Versicherungsvertreters und Versicherungsmaklers nach §§ 92, 93 HGB ankommen soll, entschieden. Der BFH stützt seine Rechtsprechungsänderung auf die Entscheidung des EuGH in der Rs. Arthur Andersen (EuGH vom 03.03.2005, Rs. C-472/03, UR 2005, 201 = DStR 2005, 467). Die Finanzverwaltung hat sich dieser Auffassung in Abschn. 4.11.1. Abs. 1 S. 3 UStAE angeschlossen.
Rz. 15
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Welche Unternehmer als Versicherungsvertreter oder -makler anzusehen sind, beurteilt sich somit nach dem Gemeinschaftsrecht. Eine Legaldefinition dieser Begriffe ist in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL de lege lata nicht vorgesehen. Der bisweilen in der Literatur vertretene Ansatz, diese Begriffe aus anderen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts herzuleiten, ist abzulehnen.
Rz. 16
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Auch der EuGH verzichtet auf eine allgemeine Definition dieser Berufsgruppen. Die Zuordnung einer Dienstleistung, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht wird, nimmt der EuGH rein tätigkeitsbezogen vor. Eine Prüfung anhand der formalen Eigenschaft des Dienstleisters lehnt der EuGH ab (EuGH vom 17.03.2016, Rs. C-40/15, Aspiro, UR 2016, 386). Stattdessen nimmt der EuGH eine Prüfung der in Rede stehenden Dienstleistung anhand von zwei Prüfungskriterien vor:
- Erstens muss der Dienstleistungserbringer sowohl mit dem Versicherer als auch mit dem Versicherten in Verbindung stehen (EuGH vom 20.11.2003, Rs. C-8/01, Taksatorringen, UR 2004, 82). Diese Verbindung kann auch nur mittelbarer Natur sein, wenn der Dienstleistungserbringer ein Unterauftragnehmer des Versicherungsmaklers oder -vertreter ist (EuGH vom 03.04.2008, Rs. C-124/07, J. C. M. Beheer, UR 2008, 389);
- zweitens muss seine Tätigkeit wesentliche Aspekte der Versicherungsvermittlungstätigkeit, wie Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen, umfassen (EuGH vom 03.03.2005, Rs. C-472/03, Arthur Andersen, UR 2005, 201).
Mangels gesetzlicher Tatbestandsmerkmale behandelt der EuGH die Berufsbilder des Versicherungsvertreters bzw. -maklers rechtsdogmatisch als offenen Typusbegriff und nimmt insoweit eine typologische, tätigkeitsspezifische Auslegung vor.