Rz. 60
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bekanntermaßen wurden zum 01.01.2004 die Anforderungen, denen eine Eingangsrechnung genügen muss, um zum Vorsteuerabzug zu berechtigen, erheblich verschärft. Der Leistungsempfänger muss im Besitz einer nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung sein, in der die Pflichtangaben vollständig und richtig sind (vgl. Abschn. 15.2 Abs. 2 ff. UStAE). Dabei wird in der Praxis übersehen, dass dies nur für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG gilt. Die Anforderungen beschränken sich mit anderen Worten auf Fälle, in denen die Vorsteuer in einer Eingangsrechnung ausgewiesen wird; nur hier wird die Rechnung zum "Transportmittel des Vorsteuerabzugs". Keine Anwendung finden diese Gedanken insbesondere auf die hier zu erörternden Fälle des i. g. Erwerbs (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG); selbiges gilt aber auch bei Steuerschuld des Leistungsempfängers (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UStG, vgl. hierzu Weimann, UidP, 16. Aufl. 2018, Kap. 75.5).
Unternehmer I in Rom liefert am 16.01.2018 an Unternehmer D in Dortmund steuerfrei i. g. Ware. Die Rechnung erstellt I am 22.05.2018; diese geht D am 28.05.2018 zu. D hat monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen abzugeben.
Lösung:
Die Steuer entsteht
- mit Ablauf des Monats, in dem die Rechnung ausgestellt worden ist (= Mai 2018),
- spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats (= Februar 2018).
D hat den Eingangsumsatz in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für Februar 2018 anzumelden. Bei Berechtigung des D zum Vorsteuerabzug entsteht dieser zeitgleich.
Rz. 61
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Lange Zeit war für derartige Fallgestaltungen der Zeitpunkt der Entstehung des Vorsteuerabzugs unklar. Es wäre durchaus denkbar gewesen, dass zunächst ausschließlich die Steuerschuld und erst bei Rechnungseingang der Vorsteueranspruch entsteht. Der BFH hatte diese Frage dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, der – zugunsten des Steuerpflichtigen – auf die gleichzeitige Entstehung von Steuerschuld und Vorsteueranspruch erkannt hat (EuGH vom 01.04.2004, Rs. C-90/02, Gerhard Bockemühl, UR 2004, 367; vgl. auch Abschn. 15.10 UStAE). In der gleichen Umsatzsteuer-Voranmeldung, in der der i. g. Erwerb (oder der Leistungsbezug nach § 13b UStG) versteuert werden, ist unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG auch die Vorsteuer zu ziehen; das Vorliegen einer Eingangsrechnung ist daher nicht erforderlich! Da der Vorsteuerabzug auch ohne jedwede Eingangsrechnung möglich ist, ist es natürlich auch überflüssig zu prüfen, ob – wenn eine Rechnung vorliegt – diese dann den Voraussetzungen der §§ 14, 14a UStG genügt!
TIPP
- In der Praxis halten sich die Mitarbeiter der Beratungsbüros immer wieder vollkommen unnötig mit der Frage auf, ob in den beschriebenen Fällen die Eingangsrechnungen wohl den Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug genügen. So wird gerade mit Vorlieferanten aus den EU-Beitrittsstaaten immer wieder darüber debattiert, ob und wie Rechnungsnummern vergeben werden müssen und wie die Leistungsbeschreibung auszusehen hat. Der Berater sollte die Mitarbeiter darauf hinweisen, dass dies überflüssig ist; die Rechnungen können ohne jedwede Prüfung "durchgewinkt" werden!
- Auch die Kreditorenbuchhalter der Mandanten verschwenden hier wertvolle Arbeitszeit; ein Mandantenrundschreiben sollte dies klarstellen!