Rz. 19
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Zunächst verneinte die deutsche Finanzverwaltung das Vorliegen eines i. g. Dreiecksgeschäfts i. S. v. § 25b UStG, wenn an einem Reihengeschäft mehr als drei Unternehmer beteiligt waren (so noch Abschn. 276b Abs. 2 S. 2 UStR 2000). Hieran hat die Finanzverwaltung nicht weiter festgehalten und sprach erstmals in Abschn. 276b Abs. 2 S. 2 UStR 2005 auch dann von einem i. g. Dreiecksgeschäft, wenn
- an einem Reihengeschäft mehr als drei Unternehmer beteiligt sind und
- die drei unmittelbar nacheinander liefernden Unternehmer am Ende der Lieferkette stehen.
Rz. 20
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Regelung wurde durch Abschn. 276b Abs. 2 UStR 2008 und ab 01.11.2011 durch Abschn. 25b.1 Abs. 2 UStAE unverändert fortgeführt. Die meisten EU-Mitgliedstaaten teilten diese nunmehr aufgegebene "enge" Auffassung der deutschen Finanzverwaltung nicht. Der Binnenmarkt war insoweit alles andere als harmonisiert; mit der Neuregelung wurde ein erfreulicher Schritt in Richtung einheitliche Interpretation von EU-Recht getan (Weimann, UidP, Kap. 17.12). Die deutsche Wirtschaft begrüßt die Regelung insbesondere deshalb, weil sie die bisherigen Risiken des mittleren Unternehmers vermindert. Wenn in der Vergangenheit der Vorlieferant des mittleren Unternehmers ohne dessen Wissen die Ware von einem weiteren Vorlieferanten bezog, lagen nach deutscher Verwaltungsauffassung die Voraussetzungen des § 25b UStG nicht vor. Damit wurde der mittlere Unternehmer im Bestimmungsland steuer- und registrierungspflichtig – eine Konsequenz, die der Unternehmer durch die Wahl eines i. g. Dreiecksgeschäftes gerade hatte vermeiden wollen. Die unerwarteten Pflichten wiederum führten beim mittleren Unternehmer in der Regel zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand durch Umstellung der Buchführung, Einrichtung der EDV, Bestellung eines Steuerberaters etc., der eigentlich bereits bei der Kalkulation eines Auftrages hätte berücksichtigt werden müssen. Dem mittleren Unternehmer blieb dann allenfalls der Weg, sich durch geschickte Gestaltung seines Einkaufsvertrages zivilrechtlich gegenüber seinem Vorlieferanten schadlos zu halten; den Fiskus freilich interessierten solche Überlegungen nicht. Die Finanzverwaltung verdeutlicht die Neuregelung:
Der in Deutschland ansässige Unternehmer D bestellt beim in Belgien ansässigen Unternehmer B dort nicht vorrätige Werkzeugteile. B gibt die Bestellung weiter an den in Luxemburg ansässigen Unternehmer L mit der Bitte, die Teile direkt zu D nach Deutschland auszuliefern. Weil auch L die Werkzeugteile nicht am Lager hat, bestellt er sie beim in Spanien ansässigen Unternehmer SP, der sie weisungsgemäß an D versendet. Alle Unternehmer treten jeweils unter der USt-IdNr. ihres Landes auf. L weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer i. S. v. § 3 Abs. 6 S. 6 UStG versendet hat:
Lösung:
Zwischen SP, L, B und D liegt ein Reihengeschäft vor. Darüber hinaus ist ein i. g. Dreiecksgeschäft i. S. d. § 25b Abs. 1 UStG zwischen L, B und D anzunehmen, weil L als erster am Dreiecksgeschäft beteiligter Lieferer den Gegenstand der Lieferungen versendet. Die Versendung ist der ersten Lieferung im Dreiecksgeschäft (L an B) zuzuordnen, da L den Gegenstand als Lieferer i. S. v. § 3 Abs. 6 S. 6 UStG versendet hat (vgl. Abschn. 3.14 Abs. 7 ff. UStAE). Ort der Lieferung ist nach § 3 Abs. 6 S. 5 i. V. m. S. 1 UStG Spanien (Beginn der Versendung). Die Lieferung des L an B ist als i. g. Lieferung in Spanien steuerfrei. Der Erwerb des Gegenstandes unterliegt bei B grundsätzlich der Besteuerung des i. g. Erwerbs in Deutschland, da die Beförderung dort endet (§ 3d S. 1 UStG), und in Belgien, da B seine belgische USt-IdNr. verwendet (§ 3d S. 2 UStG). Die zweite Lieferung im Dreiecksgeschäft (B an D) ist eine ruhende Lieferung. Lieferort ist nach § 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 2 UStG Deutschland, da sie der Beförderungslieferung nachfolgt. SP erbringt eine ruhende Lieferung in Spanien (§ 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 UStG), die nach spanischem Recht zu beurteilen ist.
Rz. 21
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Wie bereits erwähnt interpretierten die meisten anderen EU-Mitgliedstaaten den Begriff des i. g. Dreiecksgeschäfts in Art. 28c Teil E Abs. 3 der 6. EG-RL weiter als die deutsche Finanzverwaltung. Daher und aufgrund des Referentenentwurfs zu den ursprünglich beabsichtigten UStR 2004 (vgl. Weimann, UVR 2003, 313) erhoffte sich die Praxis, dass zukünftig auch dann aus einem Reihengeschäft ein i. g. Dreiecksgeschäft abgespalten werden kann, wenn dem abgespaltenen Geschäft weitere Liefervorgänge folgen. Insoweit wurde die Praxis durch die Neufassung der Umsatzsteuer-RL sicher enttäuscht, da Abschn. 25b.1 Abs. 2 S. 2 UStAE bei Geschäften mit mehr als drei Beteiligten ausdrücklich fordert, dass die drei unmittelbar nacheinander liefernden Unternehmer am Ende der Lieferkette stehen.
Der in Deutschland ansässige Unternehmer D bestellt beim in Belgien ansässigen Unternehmer B dort nicht vorrätige Werkzeugteile. B gibt die Bestellung weiter...