Dipl.-Finanzwirt (FH) Carsten Timm
Rz. 24
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Voraussetzung für einen i. g. Erwerb ist, dass der Erwerber einen Gegenstand erwirbt. Zum Begriff des Gegenstandes verweist Abschn. 1a.1. Abs. 1 S. 2 UStAE auf Abschn. 3.1. Abs. 1 UStAE. Demnach umfasst der Begriff "Gegenstand" grundsätzlich:
- körperliche Gegenstände (d. h. Sachen gem. § 90 BGB und Tiere gem. § 90a BGB),
- Sachgesamtheiten,
- den Gegenständen gleichgestellte Wirtschaftsgüter (z. B. elektrischer Strom, Wärme, Wasserkraft).
Rz. 25
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Wegen der Besonderheiten bei der Lieferung von Gas über das Erdgasnetz, von Elektrizität sowie von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze (ergänzt durch JStG 2010 vom 08.12.2010, BGBl I 2010, 1768 m. W. v. 01.01.2011) unter den Bedingungen des § 3g Abs. 1 oder 2 UStG vgl. Abschn. 3g.1. Abs. 6 UStAE und Abschn. 1a.1. Abs. 1 S. 7 UStAE kein i. g. Erwerb; vgl. Abschn. 6a.1. Abs. 1 S. 3 UStAE. Die Anwendung des § 1a Abs. 2 UStG (i. g. Verbringen) wird in Fällen des § 3g UStG durch § 3g Abs. 3 UStG ausdrücklich ausgeschlossen.
Rz. 26
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Da § 1a Abs. 1 Nr. 1 UStG das Gelangen des Liefergegenstandes voraussetzt, bestehen Besonderheiten bei Werklieferungen. Nach Abschn. 6a.1. Abs. 1 S. 4 UStAE können auch Werklieferungen unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 6 S. 1 UStG i. g. Lieferungen nach § 6a UStG sein. Das Spiegelbild davon, der i. g. Erwerb, dürfte demnach erfordern, dass das fertige Werk Gegenstand der Lieferung ist und sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 6 UStG bestimmt. Abweichend hiervon bestimmt sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 7 UStG (vgl. Abschn. 3.12. Abs. 4, 6 UStAE), wenn das fertige Werk erst vor Ort erstellt wird, beispielsweise bei Errichtung eines Gebäudes oder einer ortsgebundenen Anlage. Vorangehende Materialtransporte betreffen insoweit nicht den Liefergegenstand, sondern Gegenstände anderer Wesensart. Wird dagegen eine betriebsfertig hergestellte Maschine lediglich zum Zweck des besseren und leichteren Transports zerlegt und vor Ort wieder zusammengefügt, bestimmt sich der Ort nach § 3 Abs. 6 UStG (vgl. Abschn. 3.12. Abs. 4 S. 7 UStAE) und dürfte ein i. g. Erwerb vorliegen.
Rz. 27
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Bestimmt sich der Ort der Lieferung nicht nach § 3 Abs. 6 UStG, stellt sich die Frage nach einem i. g. Verbringen i. S. d. § 1a Abs. 2 UStG, da der liefernde Unternehmer Gegenstände anderer Wesensart in das Inland verbringt und es zumindest nicht offenkundig ist, dass das Verbringen zu einem nur vorübergehenden Zweck erfolgen soll, wenn die Gegenstände durch Einfügen in eine stationäre Einrichtung oder Anlage endgültig im Inland verbleiben. Aus Sicht der Verwaltung stellt die Verwendung bei einer Werklieferung eine ihrer Art nach nur vorübergehende Verwendung dar, die nicht als i. g. Verbringen zu behandeln ist (vgl. Abschn. 1a.2. Abs. 10 Nr. 1 UStAE mit Beispiel zu Baustoffen; vgl. auch Art. 17 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL). Da in einem solchen Fall weder eine i. g. Lieferung/i. g. Erwerb nach § 6a UStG/§ 1a Abs. 1 UStG noch ein i. g. Verbringen nach § 1a Abs. 2 UStG vorliegt, bleibt nur das rechtsgeschäftslose Verbringen innerhalb des Unternehmens (vgl. Abschn. 2.7. Abs. 1 S. 3 UStAE).
Rz. 28
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Zu beachten sind in diesem Zusammenhang jedoch auch die Vorschriften des § 13b UStG (= Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers), durch die letztlich eine dem i. g. Erwerb wirtschaftlich/fiskalisch vergleichbare Situation geschaffen wird.
Rz. 29
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Abzugrenzen ist der i. g. Erwerb von den sonstigen Leistungen. § 1a Abs. 1 UStG setzt eine Lieferung voraus. Liegt demgegenüber eine sonstige Leistung vor, scheidet der i. g. Erwerb aus. Zur Abgrenzung zwischen Werklieferung und Werkleistung vgl. Abschn. 3.8. Abs. 6 UStAE. Ab 01.10.2010 sieht § 3a Abs. 2 UStG, vorbehaltlich des § 3a Abs. 3–8 und der §§ 3b, 3e UStG, grundsätzlich die Ortsbestimmung am Ort des Unternehmens des Leistungsempfängers vor.
Rz. 30
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Der Gegenstand der Lieferung muss nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG grundsätzlich für das Unternehmen des Erwerbers erworben werden (vgl. Abschn. 15.2b. und 15.2c. UStAE zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Unternehmen). Sofern der Erwerb für die Privatsphäre des Erwerbers erfolgt, liegt demnach grundsätzlich kein i. g. Erwerb vor. Insofern wird der Unternehmer nicht anders behandelt als Nichtunternehmer, die mit ihren Erwerben im Ausland dem Ursprungslandprinzip unterliegen. Durch die Verwendung seiner USt-IdNr. signalisiert der Erwerber dem Lieferer, dass diese Voraussetzung erfüllt ist. Eine diesbezügliche Sonderregelung enthält § 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG für juristische Personen als Erwerber, die entweder nicht Unternehmer sind oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwerben.