Rz. 43

Stand: 6. A. – ET: 07/2024

Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen: Zur umsatzsteuerlichen Beurteilung von Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft hat der BFH mit seinem Urteil vom 06.06.2002 (BStBl II 2003, 36) seine bis dahin vertretene Organverwaltertheorie aufgegeben. Unabhängig von der Rechtsform der Gesellschaft und der Stellung des Gesellschafters richtet sich die Steuerbarkeit der Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen danach, ob der Gesellschafter selbstständig oder nichtselbstständig tätig wird und ob ein gewinnunabhängiges Sonderentgelt bzw. eine Leistungsabgeltung über die Beteiligung am Gewinn oder Verlust der Gesellschaft vereinbart wurde. Beispiele für die Qualifikation von Entgelten als Sonderentgelte sind in der Verfügung der OFD Frankfurt vom 12.12.2008 (Az: S 7100 A – 82 – St 110, UR 2009, 501) aufgelistet.

 

Rz. 44

Stand: 6. A. – ET: 07/2024

Ist der Geschäftsführer einer GmbH nach dem Gesamtbild der Verhältnisse selbstständig tätig und stellt er der GmbH seine Leistungen in Rechnung, kann die GmbH aus diesen Rechnungen den Vorsteuerabzug geltend machen (vgl. FG Köln vom 19.06.2006, EFG 2007, 225). Bei der Prüfung, ob der Geschäftsführer selbstständig oder nichtselbstständig tätig ist, hat das Merkmal des Unternehmerrisikos in Form des Vergütungsrisikos eine große Bedeutung. Der fehlende Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Urlaubs- oder Krankheitsfall spricht für die Selbstständigkeit, die Freistellung von einem Vermögensrisiko spricht für die Nichtselbstständigkeit.

 

Rz. 45

Stand: 6. A. – ET: 07/2024

Vorsteuerabzugsberechtigung bei beabsichtigter Unternehmensgründung: Mit Urteil vom 11.11.2015 (NWB Datenbank, DAAAF-69017) hat der BFH zur Problematik der Vorsteuerabzugsberechtigung bei beabsichtigter Unternehmensgründung Stellung genommen. Der Kläger beabsichtigte die Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit über die Gründung einer GmbH, an der er als Alleingesellschafter beteiligt sein sollte. Für die noch zu gründende GmbH sollte das Vermögen einer bereits langjährig tätigen anderen GmbH erworben werden (Unternehmenskauf). Im Zusammenhang mit der beabsichtigten GmbH-Gründung sowie des beabsichtigten Vermögenserwerbs (Unternehmenskauf) bezog der Kläger Beratungsleistungen und wollte die aus den Beratungsleistungen entstandene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen. Weder die Gründung der GmbH noch der geplante Unternehmenskauf wurden tatsächlich vollzogen.

 

Rz. 46

Stand: 6. A. – ET: 07/2024

Als mögliche vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer thematisierte der BFH verschiedene Varianten und gelangte zu dem Ergebnis, dass der Kläger weder aufgrund eigener unternehmerischer Tätigkeit noch in seiner Eigenschaft als Gesellschafter vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer sei. Eine eigene unternehmerische Tätigkeit wurde nicht entfaltet. Der bloße Erwerb und das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen der noch zu gründenden GmbH begründeten ebenfalls keine Unternehmereigenschaft. Vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer konnte daher nur die Vorgründungsgesellschaft, die Vorgesellschaft der zu gründenden GmbH oder die Gesellschaft selbst (spätere GmbH) sein. (Zu den Gründungsphasen einer Kapitalgesellschaft und der Unternehmereigenschaft vgl. Kommentierung zu § 2 UStG.) Da die GmbH tatsächlich nie gegründet wurde, kam als vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer nur die Vorgründungsgesellschaft infrage. Der BFH (Urteil vom 11.11.2015, NWB Datenbank, DAAAF-69017) stellte unter Verweis auf das EuGH-Urteil vom 29.04.2004 (Rs.C-137/02, Faxworld, NWB Datenbank, IAAAB-72574) fest, dass eine Vorgründungsgesellschaft grundsätzlich ein vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer sein kann. Die Vorsteuerabzugsberechtigung ergebe sich im Fall Faxworld aus der Tatsache, dass die Vorgründungsgesellschaft Leistungen in Anspruch genommen hatte, die sie zur Durchführung von geplanten steuerbaren Umsätzen benötigte. Dass die geplanten steuerbaren Umsätze nicht von ihr selbst, sondern von der noch zu gründenden Gesellschaft (Faxworld AG) ausgeübt werden sollten, war hierbei unschädlich (vgl. EuGH vom 29.04.2004, Rs.C-137/02, Faxworld, NWB Datenbank, IAAAB-72574, Rn. 41). Im dem durch den BFH (Urteil vom 11.11.2015, NWB Datenbank, DAAAF-69017) zu beurteilenden Fall mangelte es nach Auffassung des BFH jedoch an "übertragbaren Vermögenswerten". Im Gegensatz zum Fall Faxworld sieht der BFH in den bezogenen Beratungsleistungen keine übertragbaren Leistungen, die bei der beabsichtigten GmbH-Gründung zu umsatzsteuerbaren Umsätzen geführt hätten. Der BFH (Urteil vom 11.11.2015, NWB Datenbank, DAAAF-69017) stellt vielmehr fest, dass auch für den Fall, dass die GmbH tatsächlich gegründet worden wäre, für die vom Kläger bezogenen Leistungen keine auf eine GmbH übertragbaren Vermögenswerte ("Investitionsgüter") entstanden seien. Die Finanzverwaltung schließt sich der Auffassung des BFH mit BMF-Schreiben vom 12.04.2022 (BStBl I 2022 I, 650; vgl. auch Abschn. 15.2b. Abs. 4 UStAE...

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