Rz. 167
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Rechtsprechung des EuGH/BFH zur Beteiligung an einem Betrugsmodell (vgl. § 6a, Rz. 203 ff.) ist auf Ausfuhrlieferungen nur in besonders gelagerten Fällen übertragbar.
Der BFH entschied in zwei Urteilen (vgl. BFH vom 12.03.2020, V R 20/19, UR 2020, 718 und BFH vom 12.03.2020, V R 24/19, BFH/NV 2020, 1098), dass die Ausstellung einer unterfakturierten "Zweitrechnung" oder einer gesplitteten Rechnung nicht dazu führt, dass die Steuerfreiheit für die Ausfuhrlieferung aufgrund einer vom Abnehmer zulasten des Steueraufkommens eines Drittstaats begangenen Steuerhinterziehung zu versagen ist. Aus der Verkürzung von Einfuhrumsatzsteuer in einem Drittstaat folge kein Nachteil für das gemeinsame Mehrwertsteuersystem. Er bezog sich dabei auf eine EuGH-Entscheidung vom 17.10.2019 (C-653/18 "Unitel", UR 2019, 849, zur Anwendung BMF vom 25.06.2020, Az: III C 3 – S 7134/19/10003:001, BStBl I 2020, 582). Der EuGH war allerdings weniger eindeutig und überließ dem vorlegenden Gericht die Prüfung, ob nicht doch ein Betrug zum Nachteil des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems vorliege. Der bloße Umstand, dass die betrügerischen Handlungen in einem Drittstaat begangen wurden, sei nicht ausreichend, um dies auszuschließen. Auch könne die Steuerbefreiung zu versagen sein, wenn der tatsächliche Empfänger nicht identifiziert werde.
Der deutsche Gesetzgeber sieht im zum 01.01.2020 neu geschaffenen § 25f UStG keine Versagung der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen, sondern nur für innergemeinschaftliche Lieferungen vor.
Aus Sicht der Finanzverwaltung kann ein Unternehmer sich bei Mängeln in Bezug auf den Buch- und Belegnachweis nicht auf die Grundsätze steuerlicher Neutralität und der Verhältnismäßigkeit berufen, wenn er sich vorsätzlich an einer das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gefährdenden Steuerhinterziehung beteiligt hat bzw. davon Kenntnis hatte oder nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte haben müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers zulasten eines Mitgliedstaates verknüpft war und er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden, zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um diese zu verhindern (vgl. Abschn. 6.5. Abs. 1 S. 10 UStAE).