Rz. 33
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG setzt die Steuerbarkeit (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) der i. g. Lieferung voraus. Der Lieferort muss daher im Inland (§ 1 Abs. 2 UStG) liegen. Grundsätzlich bestimmt sich der Lieferort in Fällen des Beförderns oder Versendens (§ 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG) nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG, die Lieferung gilt dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung beginnt.
2.1.3.1.1 Lieferbedingung "ship to hold"
Rz. 34
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bei Vereinbarung einer besonderen Lieferbedingung "ship to hold" kann dem BFH zufolge grundsätzlich dennoch eine einheitliche bewegte Warenlieferung vorliegen (vgl. BFH vom 30.07.2008, Az: XI R 67/07, BStBl II 2009, 552). Im Urteilsfall wurden von einem in Großbritannien ansässigen Lieferer Mobiltelefone an einen deutschen Abnehmer geliefert. Die Mobiltelefone wurden von einem durch den Lieferer beauftragten Spediteur zunächst zu einer deutschen Schwestergesellschaft des Lieferers ins Inland verbracht und vom dortigen Lager erst nach Erteilung der Freigabebestätigung durch den Lieferer (nach Zahlungseingang) an den deutschen Abnehmer ausgehändigt. Nach Auffassung des BFH gilt eine Lieferung auch dann bei Beginn der Versendung in einem anderen Mitgliedstaat als dort ausgeführt (§ 3 Abs. 6 S. 1 UStG), wenn die Person des inländischen Abnehmers dem mit der Versendung Beauftragten im Zeitpunkt der Übergabe der Ware nicht bekannt ist, aber mit hinreichender Sicherheit leicht und einwandfrei aus den unstreitigen Umständen, insbesondere aus Unterlagen abgeleitet werden kann (Änderung der Rechtsprechung, abweichend von der damaligen Verwaltungsauffassung). Die Finanzverwaltung ist dem gefolgt und lässt es für eine einheitlich zu würdigende Lieferung genügen, dass der Abnehmer feststeht, was grundsätzlich aus den Versendungsunterlagen oder anderen Unterlagen oder unstreitigen Umständen mit hinreichender Sicherheit leicht und einwandfrei ableitbar sein müsse (vgl. Abschn. 3.12. Abs. 3 S. 4 ff. UStAE).
2.1.3.1.2 Lieferung in Konsignationslager
Rz. 35
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Ob die vorstehend beschriebene Rechtslage auch auf die Lieferung in ein Konsignationslager anzuwenden ist, war umstritten. Abschn. 3.12. Abs. 3 S. 7 UStAE a. F. regelte hierzu pauschal, dass bei einem Verbringen in ein Auslieferungs- oder Konsignationslager im Zeitpunkt des Beginns der Versendung des Gegenstands in das Lager keine Verschaffung der Verfügungsmacht gegenüber einem feststehenden Abnehmer vorliegen soll (vgl. Abschn. 1a.2 Abs. 6 UStAE a. F.). Nach Verwaltungsauffassung erfolgte demnach zuerst ein i. g. Verbringen mit entsprechender Erwerbsbesteuerung, während die anschließende Lieferung an den Abnehmer (Entnahme aus dem Lager) eine steuerbare und steuerpflichtige Inlandslieferung darstellte. Ausführlich zur bisherigen Verwaltungsauffassung, Verfahrensweise, Registrierungspflicht sowie mit Beschreibung von Vereinfachungsregelungen anderer Mitgliedstaaten vgl. OFD Frankfurt vom 15.12.2015, Az: S 7100 a A – 4 – St 110, DStR 2016, 1032 (zur grundsätzlichen Behandlung des Konsignationslagers vgl. Weimann in UidP, 14. Aufl. 2016, Kap. 33; zur Kritik an der "stark verkürzten" Darstellung in der Verfügung der OFD Frankfurt vom 15.12.2015, a. a. O., und zur Konsignationslagerregelung in Belgien vgl. Langner/Vastmans in UStB 2016, 278 ff.). Zur Behandlung des Verbringens in ein rumänisches Konsignationslager vgl. FinBeh Hamburg vom 07.12.2015, Az: S 7071 – 2012/002 – 51.
Rz. 36
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Zur Behandlung der Einlagerung in ein Konsignationslager hat sich der BFH in zwei Urteilen geäußert (vgl. BFH vom 20.10.2016, Az: V R 31/15, BStBl II 2017, 1076 und BFH vom 16.11.2016, Az: V R 1/16, BStBl II 2017, 1079. Demnach ist der Lieferort nach § 3 Abs. 6 UStG zu bestimmen, wenn der Abnehmer bei Beginn der Versendung feststeht. Eine kurzzeitige Lagerung des Gegenstandes der Lieferung nach Beginn der Versendung in einem Auslieferungslager soll dabei unschädlich sein. Steht der Abnehmer bei Beginn der Versendung hingegen noch nicht fest, liegt ein i. g. Verbringen vor. Die Verwaltung hat die Regelung in Abschn. 1a.2 Abs. 6 UStAE a. F. und Abschn. 3.12 Abs. 3 UStAE a. F. entsprechend angepasst und die Rechtsprechung des BFH damit übernommen. Sie verlangt, dass der Abnehmer den Liefergegenstand bei Beginn der Versendung bereits verbindlich bestellt oder bezahlt hat (vgl. Abschn. 1a.2 Abs. 6 S. 4 – 9 UStAE und Abschn. 3.12 Abs. 3 und Abs. 7 UStAE i. d. F. des BMF-Schreibens vom 10.10.2017, Az: III C 3 – S 7103-a/15/10001, BStBl I 2017, 1442 – grundsätzliche Anwendung auf alle offenen Fälle, Nichtbeanstandungsregelung für Fälle vor dem 01.01.2018 [Nichtbeanstandungsregelung verlängert 01.01.2019, vgl. BMF vom 14.12.2017, Az: III C 3 – S 7103-a/15/10001, BStBl I 2017, 1673, nochmals verlängert 01.01.2020, vgl. BMF vom 31.10.2018, III C 3 – S 7103-a/15/10001, BStBl I 2018, 1203]; ergänzend vgl. OFD Frankfurt vom 07.12.2017, Az: S 7100 a A – 004 – St 110, UR 2018, 219, und OFD Frankfurt am Main vom 08.11.2018, S 71...