Rz. 38
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Ein Reihengeschäft ist eine Transaktion, bei der mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte (bis zum 31.12.2019: "Umsatzgeschäfte") abschließen und der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer zum letzten Abnehmer gelangt (§ 3 Abs. 6a S. 1 UStG, bis 31.12.2019: § 3 Abs. 6 S. 5 UStG). Für den Fall des Reihengeschäftes ist zu beachten, dass die Beförderung oder Versendung nur einer der Lieferungen zugeordnet werden kann (§ 3 Abs. 6a S. 1 UStG = bewegte Lieferung) und nur diese Lieferung die Voraussetzungen der i. g. Lieferung (§ 6a UStG) erfüllen kann (vgl. auch Abschn. 3.14 Abs. 2 S. 2, 3 und Abs. 13 S. 1, 2 UStAE; vgl. Abschn. 6a.1 Abs. 2 UStAE). Für die übrigen Lieferungen (= ruhende Lieferungen) im Reihengeschäft regelt § 3 Abs. 7 S. 2 UStG, dass der bewegten Lieferung vorangehende Lieferungen dort als ausgeführt gelten, wo die Beförderung oder Versendung beginnt (§ 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 UStG), der bewegten Lieferung nachfolgende Lieferungen als dort ausgeführt gelten, wo die Beförderung oder Versendung endet (§ 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 2 UStG). Bei einem sog. gebrochenen Transport (vgl. Rz. 56) kann kein Reihengeschäft vorliegen (vgl. Abschn. 3.14 Abs. 4 UStAE).
Ab dem 01.01.2020 regelt § 3 Abs. 6a S. 2 UStG, dass bei Beförderung oder Versendung durch den ersten Lieferer die Warenbewegung dessen Lieferung zuzuordnen ist. Bei Beförderung oder Versendung durch den letzten Abnehmer wird die Warenbewegung der Lieferung an diesen Abnehmer zugeordnet (§ 3 Abs. 6a S. 3 UStG). Weiterhin ordnet § 3 Abs. 6a S. 4 UStG für den Fall, dass der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet wird, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), grundsätzlich die Warenbewegung der Lieferung an diesen Unternehmer zu, es sei denn er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Dieser Nachweis soll seit dem 01.01.2020 im Wege einer Fiktion durch Verwenden einer USt-IdNr. aus dem Abgangsmitgliedstaat bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung gegenüber seinem Vorlieferanten erfolgen (§ 3 Abs. 6a S. 5 UStG).
Abschn. 3.14 UStAE wurde durch BMF vom 25.04.2023 an die geänderte Rechtslage angepasst. Die Verwendung der USt-IdNr setzt aus Sicht des BMF ein "positives Tun" voraus, sodass eine bloß formularmäßig eingedruckte USt-IdNr. nicht ausreiche. Spätere Änderungen nach Warenbewegung seien unbeachtlich. Eine mündliche Verwendung, gefolgt von Dokumentation, ist ebenso genügend wie eine Erklärung, dass eine bestimmte USt-IdNr. für alle zukünftigen Lieferungen als verwendet gelten soll. Seltsam sind Ausführungen in Abschn. 3.14. Abs. 10 UStAE, es reiche auch aus, wenn der Erwerber die Erklärung über die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug objektiv nachvollziehbar vorgenommen habe, der Leistungsbezug vom Leistungsempfänger in zutreffender Weise erklärt worden, der Zwischenhändler seinen Meldepflichten nach § 18a UStG nachgekommen sei und die Rechnung über die Leistung einen Hinweis auf die USt-IdNr. des Leistungsempfängers enthalte. Dieser Text scheint aus Abschn. 3a.2. Abs. 10 UStAE übernommen worden zu sein, widerspricht aber der Gesetzeslage: Verwenden muss der Zwischenhändler die USt-IdNr. gegenüber dem ersten Lieferer, um die Warenbewegung abweichend zuzuordnen, und als Unternehmer handelt der Zwischenhändler im Reihengeschäft immer, da er einen Wiederverkauf vornimmt ("mehrere Unternehmer" in der Definition). Die Neuregelung im UStG dient der Umsetzung einer der sog. Sofortmaßnahmen ("Quick Fixes") der EU, konkret des neu eingefügten Art. 36a MwStSystRL.
Bis zum 31.12.2019 war in § 3 UStG keine vergleichbare explizite Zuordnungsregelung für die Warenbewegung vorgesehen. Die Finanzverwaltung stellte u. a. bei Versendung auf die Auftragserteilung an den selbstständigen Beauftragten ab sowie im Zweifel auf die Frachtzahlerkonditionen (vgl. Abschn. 3.14 Abs. 7–10a UStAE a. F.). Nur für den Fall, dass der "mittlere" Unternehmer der Lieferkette den Gegenstand der Lieferung beförderte oder versendete, enthielt § 3 Abs. 6 S. 6 UStG a. F. die widerlegbare Vermutung, dass die Warenbewegung der Lieferung an ihn zuzuordnen war. Der Unternehmer konnte alternativ nachweisen, dass er die Beförderung oder Versendung in seiner Eigenschaft als Lieferer und nicht als Abnehmer der Vorlieferung getätigt hatte. Hierzu reichte es der Finanzverwaltung regelmäßig, dass dieser Unternehmer eine USt-IdNr. des Mitgliedstaates verwendete, in dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstands begann, und aufgrund der mit seinem Vorlieferanten und seinem Auftraggeber vereinbarten Lieferkonditionen Gefahr und Kosten der Beförderung oder Versendung übernahm, v. a. durch handelsübliche Lieferklauseln, z. B. die sog. Incoterms (vgl. Abschn. 3.14. Abs. 9 und 10 UStAE a. F.). Es ist unverständlich, weshalb in § 3 Abs. 6a S. 4 UStG immer noch Formulierungen erhalten blieben, die ein Handeln "als Lieferer" verla...