Dipl.-Finanzwirt (FH) Carsten Timm
2.2.1 Allgemeines
Rz. 40
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Grundsätzlich sind innerhalb eines einheitlichen Unternehmens steuerbare Umsätze nicht möglich (vgl. Abschn. 2.7. Abs. 1 S. 3 UStAE). Transportiert ein Unternehmer demnach Gegenstände seines Unternehmensvermögens von einem Teil seines Unternehmens in einen anderen Teil seines Unternehmens, liegt umsatzsteuerlich ein sog. rechtsgeschäftsloses Verbringen (Innenumsatz) vor, welches keine weiteren umsatzsteuerlichen Folgen auslöst, d. h. nicht steuerbar ist. Eine hiervon abweichende Behandlung gilt kraft gesetzlicher Fiktion jedoch für den Fall, dass das Verbringen entweder aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet (vgl. Abschn. 1.10. UStAE) erfolgt – für diesen Fall fingiert § 3 Abs. 1a UStG eine Lieferung, die nach § 6a Abs. 2 UStG als i. g. Lieferung gilt – oder dass das Verbringen vom übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland erfolgt – für diesen Fall fingiert § 1a Abs. 2 UStG einen i. g. Erwerb (vgl. Abschn. 1a.2. Abs. 1 und 2 UStAE).
2.2.2 Voraussetzungen
Rz. 41
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Ein i. g. Verbringen liegt nach § 1a Abs. 2 S. 1 UStG vor, wenn der Unternehmer (nicht: juristische Person als Schwellenerwerber nach § 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. d UStG) einen Gegenstand seines Unternehmens aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, verbringt (vgl. Abschn. 1a.2. Abs. 4 ff. UStAE, Rz. 42). In diesen Fällen gilt der Unternehmer als Erwerber (§ 1a Abs. 2 S. 1 UStG). Die Vorschrift stellt das Spiegelbild des § 3 Abs. 1a UStG dar. Beide Vorschriften haben die gleichen Tatbestandsvoraussetzungen, lediglich mit dem Unterschied, dass § 3 Abs. 1a UStG die umgekehrte Richtung des Verbringens voraussetzt und den Unternehmer statt zum Erwerber zum Lieferer erklärt. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. § 3 Rz. 31 ff. und vgl. Abschn. 1a.2. UStAE (zu den Voraussetzungen vgl. EuGH, Urteil vom 06.03.2014, Az: C-606/12, C-607/12 "Dresser Rand SA").
Rz. 42
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Eine der Art nach vorübergehende Verwendung, die nach § 1a Abs. 2 S. 1 UStG (Art. 17 Abs. 2 Buchst. g, h MwStSystRL) zu keinem i. g. Erwerb führt, liegt in folgenden Fällen vor (vgl. Abschn. 1a.2. Abs. 10 UStAE).
- Verwendung des Gegenstands vom Unternehmer bei einer im Bestimmungsmitgliedstaat steuerbaren Werklieferung;
- Verbringung eines Gegenstands durch einen Unternehmer im Rahmen oder im unmittelbaren Zusammenhang mit einer sonstigen Leistung in den Bestimmungsmitgliedstaat;
- Ausführung einer sonstigen Leistung (z. B. Reparatur) an dem Gegenstand im Bestimmungsmitgliedstaat;
- Verbringung des Gegenstands in den Bestimmungsmitgliedstaat zum Zwecke der Überlassung des Gegenstandes an eine Arbeitsgemeinschaft als Gesellschafterbeitrag durch einen Unternehmer.
Rz. 43
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Zu beachten ist i. Z. m. dem i. g. Verbringen auch, dass zwar zunächst die Voraussetzungen nicht vorliegen, später aber eintreten können und dann die Folgen eines i. g. Erwerbs zu ziehen sind (vgl. Abschn. 1a.2. Abs. 11 bis 13 UStAE).
2.2.3 Bemessungsgrundlage
Rz. 44
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 1a Abs. 2 S. 1 UStG fingiert in Fällen des i. g. Verbringens einen i. g. Erwerb gegen Entgelt. Da es in diesen Fällen an einem tatsächlichen Entgelt mangelt, regelt § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG die Bemessungsgrundlage. Der Umsatz bemisst sich demnach nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes und ohne Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 4 S. 2 UStG).
2.2.4 Erwerberkreis
Rz. 45
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Die Regelungen des § 1a Abs. 3 UStG hinsichtlich der Schwellenerwerber (§ 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a–c UStG; vgl. Rz. 48 ff.) betreffen auch das i. g. Verbringen nach § 1a Abs. 2 UStG. Bei einem Schwellenerwerber liegt demnach kein i. g. Verbringen vor, wenn er die Erwerbsschwelle des § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG nicht überschreitet und auch nicht nach § 1a Abs. 4 UStG auf die Anwendung des § 1a Abs. 3 UStG verzichtet. In die Ermittlung der Erwerbsschwelle sind sowohl die Erwerbe nach § 1a Abs. 1 Nr. 1 UStG als auch das i. g. Verbringen nach § 1a Abs. 2 UStG einzubeziehen (vgl. Rz. 59 ff.).
2.2.5 Ausschluss der Erwerbsbesteuerung in den Fällen des § 6b UStG (Konsignationslagerregelung)
Rz. 46
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach § 1a Abs. 2a UStG liegt ein i. g. Erwerb i. S. d. § 1a Abs. 2 UStG in den Fällen des § 6b UStG, d. h. bei Anwendung der Konsignationslagerregelung, nicht vor. Die Regelungen wurden m. W. v. 01.01.2020 in das Gesetz mit aufgenommen (vgl. Rz. 10); die unionsrechtliche Grundlage ist Art. 17a MwStSystRL. Als Konsignationslager wird ein Lager des Lieferanten für Waren oder Teile bezeichnet, das sich in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Abnehmer befindet.
Zur Behandlung der Einlagerung in ein Konsignationslager hatte sich der BFH zuvor in mehreren Urteilen geäußert (vgl. BFH vom 20.10.2016, Az: V R 31/15, BStBl II 2017, 1076 und BFH vom 16.11.2016, Az: V R 1/16, BStBl II 2017, 1079). Demnach ist der Lieferort nach § 3 Abs. 6 UStG zu bestimmen, wenn der Abnehmer bei Beginn der Versen...