Rz. 26
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
In Fällen der Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) ist der Organträger Unternehmer hinsichtlich des gesamten Organkreises. Er allein ist im Organkreis Schuldner der USt und zum Vorsteuerabzug berechtigt und ihm obliegen die verfahrensrechtlichen Pflichten der Organschaft. Die Berichtigungspflicht des § 17 UStG trifft daher ausschließlich den Organträger, unabhängig davon, ob es sich dabei um durch den Organträger selbst oder die Organgesellschaften verwirklichte Sachverhalte handelt. Dies ist unionskonform. Der EuGH entschied in seinen Urteilen vom 01.12.2022 (Rs. C-141/20, Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie und C-269/20, Finanzamt T) – entgegen den Schlussanträgen der Generalanwältin (vgl. UR 2022, 177 und 187), – dass es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt sei, den Organträger zum einzigen Steuerpflichtigen einer Gruppe von Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zu bestimmen, wenn dieser in der Lage ist, seinen Willen bei den anderen Mitgliedern dieser Gruppe durchzusetzen und diese Bestimmung nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führt.
Die Organgesellschaften haften aber nach Maßgabe des § 73 AO für alle Steuern, die bei Nichtvorliegen der Organschaft von der jeweiligen Organgesellschaft geschuldet worden wären (vgl. BFH vom 05.04.2022, Az: VII R 18/21, DStR 2022, 1863).
Rz. 27
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 15.12.2016, Az: V R 14/16, BStBl II 2017, 600) endet bei Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft die Organschaft. Dies gilt auch, wenn ein Sachwalter i. R. d. Eigenverwaltung nach §§ 270ff. InsO bestellt wird. Bei Anordnung von Sicherungsmaßnahmen über das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft und Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters endet die Organschaft bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dessen Bestellung, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter maßgeblichen Einfluss hat und damit die notwendige Beherrschung durch den Organträger nicht mehr möglich ist, insbesondere bei Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO (vgl. BFH vom 05.04.2022, Az: VII R 18/21, DStR 2022, 1863; vom 08.08.2013, Az: V R 18/13, BStBl II 2017, 543; vom 24.08.2016, Az: V R 36/15, BStBl II 2017, 595 und vom 28.06.2017, Az: XI R 23/14, DStR 2017, 1987).
Die Verwaltung setzte diese Rechtsprechung mit BMF-Schreiben vom 26.05.2017 (BStBl I 2017, 790 = MwStR 2017, 477 mit Anmerkungen von Slapio; vgl hierzu auch Wagner/Marchal, DStR 2017, 2151) um und änderte u. a. A 2.8. Abs. 12 UStAE entsprechend (vgl. zur Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft auch OFD Frankfurt/Main vom 12.07.2017, DStR 2017, 1828 und vom 28.07.2021, OFD Niedersachen vom 27.7.2017, DStR 2017, 1826).
Ausdrücklich ist nach Verwaltungsmeinung auch ein Ende der Organschaft anzunehmen, wenn ein personenidentischer Sachwalter, ein vorläufiger Insolvenzverwalter oder Insolvenzverwalter bestellt wird (vgl. A 2.8. Abs. 12 UStAE). Mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt tritt jedoch auch Uneinbringlichkeit ein (zur Uneinbringlichkeit bei Insolvenz vgl. Rz. 123 ff.), sodass die Organschaft noch im Zeitpunkt des Eintritts der Uneinbringlichkeit bestand und sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch gegen den Organträger richtet (BFH vom 08.08.2013, Az: V R 18/13, DStR 2013, 1883; vgl. auch BFH vom 03.07.2014, Az: V R 32/13, DStR 2014, 2020).
Die mit BMF-Schreiben vom 04.03.2021 (BStBl I S. 316) aufgenommenen Grundsätze des BFH-Urteils vom 27. November 2019 (Az: XI R 35/17, BStBl II 2021, 252), wonach die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung beim Organträger oder der Organgesellschaft eine Organschaft nicht beendet, wenn das Insolvenzgericht lediglich bestimmt, dass ein vorläufiger Sachwalter bestellt wird sowie eine Anordnung gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO erlässt, sind infolge der Änderung der Insolvenzordnung durch das SanInsFoG vom 22.12.2020 nicht auf vorläufige Eigenverwaltungsverfahren anwendbar, die nach dem 31.12.2020 angeordnet wurden, es sei denn, diese fallen unter die Anwendung des § 5 Abs. 1 COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (vgl. BMF vom 22.06.2021, BStBl I 2021, 856 und OFD Frankfurt am Main vom 28.07.2021).
Rz. 28
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Nur wenn die Vorsteuerberichtigungspflicht resultierend aus der Uneinbringlichkeit von Forderungen gegen die Organgesellschaft, nach Organschaftsbeendigung eintritt, trifft sie allein die Organgesellschaft selbst bzw. hat aus Sicht der Finanzverwaltung ihr gegenüber zu erfolgen und der frühere Organträger kann nicht mehr in Anspruch genommen werden (vgl. BFH vom 22.10.2009, Az: V R 14/08, BStBl II 2011, 988). Da in der Praxis aber zumeist ein starker oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt wird, folgt aus der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters...