Fabian Hammler, Nicole Stumm
Rz. 15
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
§ 3c Abs. 1 S. 3 UStG beschränkt den Kreis tauglicher Empfänger eines (i. g.) Fernverkaufs auf in § 3a Abs. 5 S. 1 UStG bezeichnete Empfänger oder in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Personen, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschritten noch auf ihre Anwendung verzichtet haben.
§ 3a Abs. 5 S. 1 UStG erfasst alle Leistungsempfänger, bei denen die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 UStG nicht erfüllt sind. Insoweit handelt es sich bei § 3a Abs. 5 S. 1 UStG – wie Wäger (in S/R, UStG § 3a Rn. 239) zutreffend ausführt – um "eine schwerfällige, negative Wiederholung der Voraussetzungen von § 3a Abs. 2 UStG". Erfasst sind Leistungsempfänger, die nicht Unternehmer sind oder zwar Unternehmereigenschaft besitzen, die Leistung jedoch nicht für ihr Unternehmen beziehen, ferner juristische Personen mit USt-IdNr. sowie juristische Personen, die unternehmerisch und nichtunternehmerisch tätig sind.
Rz. 16
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Unter § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG fallen folgende Erwerber (Exoten):
- Unternehmer, die nur steuerfreie Umsätze ausführen, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen,
- Unternehmer, für deren Umsätze Umsatzsteuer nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben wird (Kleinunternehmer),
- Unternehmer, die den Gegenstand der Lieferung zur Ausführung von Umsätzen verwenden, für die die Steuer nach den Durchschnittssätzen des § 24 UStG festgesetzt ist,
- juristische Personen, die nicht Unternehmer sind oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwerben.
Die vorgenannten Erwerber dürfen die Erwerbsschwelle des jeweiligen Bestimmungsmitgliedstaates nicht überschreiten oder auf deren Anwendung verzichten, damit die Regelungen des i. g. Fernverkaufs eingreifen (vgl. Abschn. 3c.1. Abs. 2 S. 5 UStAE). Anderenfalls ist in diesen Fällen das Vorliegen einer i. g. Lieferung i. S. d. § 6a UStG zu prüfen.
Der leistende Unternehmer muss in Bezug auf seine "exotischen Erwerber" die unterschiedlichen Erwerbsschwellen der Bestimmungsmitgliedstaaten auf der Basis der ihm zur Verfügung stehenden Daten überwachen, da sich bereits aus ihnen ergeben kann, dass keine Ortsverlagerung in den Bestimmungsmitgliedstaat mehr eintritt (wenn z. B. eigene Lieferungen an den Erwerber die Erwerbsschwelle in einem Jahr überschreiten, ist im Folgejahr eine Anwendung des § 3c Abs. 1 UStG nicht mehr möglich). Die Leistung ist dann im Ursprungsmitgliedstaat steuerbar und ggf. – wenn die Voraussetzungen des § 6a UStG erfüllt sind – als i. g. Lieferung steuerfrei. Da die Steuerfreiheit der i. g. Lieferung seit dem 01.01.2020 aber neben der Verwendung einer USt-IdNr. durch den Erwerber auch die ordnungsgemäße Erfassung der Lieferung in der ZM erfordert und diese Voraussetzungen bei Nichterkennen der Überschreitung der Erwerbsschwelle durch den Erwerber kaum erfüllt werden können, besteht für den leistenden Unternehmer ein umsatzsteuerliches Risiko im Ursprungsmitgliedstaat (zur Möglichkeit der rückwirkenden Berichtigung der ZM vgl. jedoch Abschn. 4.1.2. Abs. 3 UStAE).
Der leistende Unternehmer ist im Rahmen seiner Überwachungsmaßnahmen grundsätzlich auf (zutreffende und aktuelle) Informationen durch die Erwerber angewiesen. Bereits bei der Kundenannahme sollten entsprechende Fragen gestellt und Informationspflichten, ggf. nebst Schadensersatzverpflichtungen, vereinbart werden. Darüber hinaus sollten aber auch eigene Prüfprozesse etabliert werden (z. B. Überwachung der eigenen Umsätze bzw. Konzernumsätze mit entsprechenden Erwerbern im Vorjahr/laufenden Jahr). Mit einer entsprechenden Dokumentation mag die später ggf. erforderliche Berufung auf Vertrauensschutz gelingen, der anderenfalls seitens der Finanzverwaltung entgegengehalten würde, der Lieferer hätte nicht alle Maßnahmen getroffen, die nach der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns zu erwarten gewesen wären, um seinen steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen. Zum Vertrauensschutz vgl. § 6a Abs. 4 UStG sowie die Regelungen in Art. 18 Abs. 2 MwStVO i. Z. m. mit TRFE-Leistungen bzw. die Vermutung in Art. 5d Buchst. a MwStVO zu fingierten Schnittstellenverkäufen, deren darin zum Ausdruck kommende Grundgedanken hier entsprechend gelten dürften (so wohl auch Kombert/Kratz/Stumm, E-Commerce und Umsatzsteuer, Rn. 279).
Rz. 17
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Auch mit Blick auf Privatpersonen sind Kontrollprozesse erforderlich, da es in der Praxis durchaus vorkommt (insbesondere, wenn nach den AGB unternehmerische Leistungsbezüge ausgeschlossen werden, um missliebige umsatzsteuerliche Folgen zu vermeiden), dass Unternehmer als Privatpersonen auftreten. Bestellt beispielsweise ein "Privatkunde" 50 Jeans unterschiedlicher Größen, wird der leistende Unternehmer dies hinterfragen müssen.
Rz. 18
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Teilt der Erwerber eine gültige und vom Leistenden qualifiziert geprüfte USt-IdNr. mit, kann § 3c Abs. 1 UStG ebenfalls nicht mehr angewendet werden. Die Verwendung der USt-IdNr. gilt im Zweifel als Verzicht auf die Erwerbsschwelle (vgl. Weymüller, Be...