Fabian Hammler, Nicole Stumm
Rz. 19
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die in § 3c Abs. 4 UStG enthaltene Lieferschwelle soll eine Vereinfachungsregelung für Kleinstunternehmen sein, die nur gelegentlich EU-grenzüberschreitende Lieferungen an in § 3a Abs. 5 S. 1 UStG bzw. § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG bezeichnete Abnehmer ausführen. Sie beträgt 10.000 EUR und gilt europaweit einheitlich. Durch Ausschluss der Ortsverlagerung in das Bestimmungsland bis zum Erreichen der Lieferschwelle soll vermieden werden, dass sich diese Unternehmen in den Bestimmungsmitgliedstaaten umsatzsteuerlich registrieren, dort umsatzsteuerliche Meldungen abgeben und sich mit den Bestimmungen des jeweiligen lokalen Umsatzsteuerrechts auseinandersetzen müssen.
Lieferschwelle zu gering
Unserer Auffassung nach erweist sich die Lieferschwelle als viel zu gering, um tatsächlich in nennenswertem Maß die gewünschte Vereinfachungswirkung zu erzielen. Während die Lieferschwellen nach altem Recht mit 35.000 EUR bzw. 100.000 EUR je EU-Mitgliedstaat deutlich höher lagen, gilt jetzt die verringerte Lieferschwelle von 10.000 EUR, bezogen auf Lieferungen (und sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 5 UStG) in alle EU-Mitgliedstaaten zusammen. Diese ist selbst für Unternehmen im Aufbau mit geringem Umsatzvolumen sehr schnell überschritten. Unternehmen, die z. B. bisher nur in einem von ihrem Ansässigkeitsstaat verschiedenen EU-Mitgliedstaat tätig sind (mit Umsätzen von jährlich mehr als 10.000 EUR) und in andere EU-Mitgliedstaaten expandieren wollen, führen dann in diesen EU-Mitgliedstaaten ab dem ersten Euro Umsatz umsatzsteuerbare Leistungen aus. Vorteilhaft gegenüber dem alten Rechtszustand ist dann allenfalls die Möglichkeit der Nutzung des OSS-Verfahrens, mit dem eine Registrierung im allgemeinen Besteuerungsverfahren der entsprechenden EU-Mitgliedstaaten vermieden werden kann.
Rz. 20
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Lieferschwelle gilt nur für Unternehmer, die nur in einem EU-Mitgliedstaat ansässig sind. Nach § 3c Abs. 4 S. 1 UStG ist der Unternehmer einfachansässig, wenn er seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte oder in Ermangelung eines Sitzes, einer Geschäftsleitung oder einer Betriebsstätte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in nur einem EU-Mitgliedstaat hat.
Die Voraussetzung für die Anwendung der Lieferschwelle, dass der Unternehmer nur in einem EU-Mitgliedstaat, damit aber jedenfalls auch mindestens in einem EU-Mitgliedstaat ansässig sein muss, führt bei Unternehmern mit Sitz und Geschäftsleitung im Drittland, die häufig keine Betriebsstätte im Gemeinschaftsgebiet unterhalten, zu dem Ergebnis, dass die Lieferschwelle keine Anwendung findet. Diese Unternehmer führen also ab dem ersten Euro Umsatz steuerbare, zu einer zusätzlichen Registrierungsverpflichtung (allgemeines Besteuerungsverfahren oder EU-OSS-Verfahren) führende Umsätze im Bestimmungsmitgliedstaat aus.
Gleiches gilt für Unternehmer mit Sitz und Geschäftsleitung in einem EU-Mitgliedstaat, die in mindestens einem weiteren EU-Mitgliedstaat eine Betriebsstätte unterhalten.
Rz. 21
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Lieferschwelle beträgt 10.000 EUR. In die Berechnung einzubeziehen sind neben den Entgelten für die i. g. Fernverkäufe gem. § 3c Abs. 1 S. 2 und 3 UStG auch die Entgelte für die in § 3a Abs. 5 S. 2 UStG bezeichneten sonstigen Leistungen (Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen – TRFE-Leistungen) an in § 3a Abs. 5 S. 1 bezeichnete Empfänger mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt oder Sitz in anderen Mitgliedstaaten. Hierin liegt eine Abweichung zu Art. 59c Abs. 1 MwStSystRL, der seinem Wortlaut nach vorsieht, dass die Überschreitung der Lieferschwelle durch sonstige Leistungen der genannten Art oder durch i. g. Fernverkäufe überschritten werden muss, woraus die Zulässigkeit einer getrennten Ermittlung der Lieferschwelle für Lieferungen und sonstige Leistungen abgeleitet werden kann (vgl. Martin in S/R, § 3c Rn. 72). Eine korrespondierende Umsatzschwelle enthält § 3a Abs. 5 S. 3 UStG deshalb für TRFE-Leistungen.
Zu beachten ist, dass nach Ansicht der Finanzverwaltung auch Umsätze deutscher Unternehmer an deutsche Privatkunden in die Lieferschwellenberechnung Eingang finden, wenn die Ware aus einem Lager im übrigen Gemeinschaftsgebiet versendet wurde (vgl. auch Weymüller, BeckOK UStG, § 3c Rn. 68.2).
Der (nur) in Deutschland ansässige Unternehmer U handelt mit Modewaren. Er unterhält ein Warenlager in Italien. Die Modewaren verkauft er über einen eigenen Webshop an in Deutschland und im übrigen Gemeinschaftsgebiet, jedoch nicht in Italien ansässige Privatpersonen. Die Versendung der Waren erfolgt aus dem italienischen Lager des U an den Wohnsitz des jeweiligen Kunden. Auch die an deutsche Kunden ausgeführten Umsätze sind als i. g. Fernverkäufe zu beurteilen und fließen in die Berechnung der Lieferschwelle ein.
Ist die Lieferschwelle überschritten oder hat U darauf verzichtet und n...