Rz. 79
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Krankenhäuser sind (vgl. Abschn. 4.14.5. Abs. 2 UStAE mit Verweis auf § 107 Abs. 1 SGB V) Einrichtungen, die
- der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen,
- fachlich- medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen,
- über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten,
- mithilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichen, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten,
- und in denen die Patienten untergebracht und verpflegt werden können.
Rz. 80
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Krankenhäuser, die von Einrichtungen des privaten Rechts betrieben werden, unterliegen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Doppelbuchst. aa UStG, wenn sie nach § 108 SGB V zugelassen sind.
Dies sind somit
- Krankenhäuser, die nach den landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt sind,
- Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (Plankrankenhäuser), sowie
- Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben.
Rz. 81
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Inwieweit private Krankenhäuser steuerbefreit sind, ist seit Jahren Gegenstand von Auseinandersetzungen. Der BFH hatte zunächst mehrfach entschieden, dass der Ausschluss von Privatkrankenhäusern, die nicht die Voraussetzungen des § 108 SGB V erfüllen, nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist (vgl. BFH vom 23.10.2014, Az: V R 20/14, BStBl II 2016, 785 und BFH vom 18.03.2015, Az: XI R 38/13, BStBl II 2016, 793). Als Folge konnten sich betroffene Krankenhäuser auf die unmittelbare Anwendung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen. Dabei kam es nach Auffassung des BFH auf die Zulassungsfähigkeit nach § 108 SGB V an (vgl. BFH vom 23.01.2019, Az: XI R 15/16, MwStR 2019, 498 mit Anm. Huschens).
Rz. 82
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Die Finanzverwaltung reagierte zunächst mit BMF-Schreiben vom 06.10.2016 (BStBl I 2016, 1076) und regelte die Voraussetzungen auf ein Berufungsrecht unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL dahingehend, dass die privaten Krankenhäuser zwei alternative 40 %-Quoten bzgl. des sozialrechtlichen Status der Patienten und der Entgelthöhe erfüllen mussten. Diese Lösung wurde dann auch gesetzlich umgesetzt. Mit dem JStG 2019 wurde § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG mit Wirkung ab 01.01.2020 dahingehend angepasst, dass auch andere Krankenhäuser befreit werden, wenn sie ihre Leistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen wie öffentlich-rechtliche oder nach § 108 SGB V zugelassene Einrichtungen erbringen. Entsprechend den bereits im BMF-Schreiben vom 06.10.2016 aufgeführten Prämissen ist dies der Fall, wenn das Leistungsangebot den öffentlich-rechtlichen oder nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern entspricht und voraussichtlich mindestens 40 % der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhaustagegeldgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde oder voraussichtlich mindestens 40 % der Leistungen den Beziehern von Leistungen nach dem SGB II oder Sozialhilfeempfängern zugutekommen. Die Vorschrift ist dadurch sehr kleinteilig geworden und führt zu weiteren Problemen. Insbesondere kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 05.03.2020, Rs. C-211/18, Idealmed III, UR 2020, 302) für die Steuerbefreiung nach Art 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL auf die im Einzelnen erbrachte Leistung an und nicht auf den Leistungserbringer (vgl. hierzu Lippross, NWB 2021, 404). Mit Urteil vom 17.11.2022 (Az: V R 23/20, UR 2023, 226 mit Anm. Wüst, vgl. auch Michel, HFR 2023, 471) äußerte auch der BFH – zur bis zum 31.12.2008 für Leistungen von Privatkliniken geltenden Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 UStG a. F. – Zweifel an den dort enthaltenen 40 %-Grenzen.
Rz. 83
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Mit Urteil vom 07.04.2022 bestätigte der EuGH (Rs. C-228/20, FA H/I GmbH, MwStR 2022, 471 mit Anm. Erdbrügger), dass die in § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 2 Doppelbuchst. aa UStG in der bis 2019 geltenden Fassung vorgenommene ausschließliche Bezugnahme auf § 108 SGB V nicht den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht. Maßgeblich für die Steuerbefreiung privater Krankenkassen sei die Erbringung ihrer Leistungen unter vergleichbaren sozialen Bedingungen, wobei hierbei die Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenkassen oder Beihilfestellen ein wichtiges Indiz darstellt. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet es, Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Umsatzbesteuerung unter...