Rz. 60
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Sinn der Vorschrift ist es im Wesentlichen, Missbräuche des USt-Systems durch ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Vorsteuerbeträgen zu vermeiden (vgl. BFH vom 21.02.1981, Az: V R 146/73, BStBl II 1980, 283). Die in Rechnungen i. S. d. § 14c Abs. 2 UStG ausgewiesene Steuer berechtigt zwar nicht zum Vorsteuerabzug (vgl. BFH vom 11.04.2002, Az: V R 26/01, BStBl II 2004, 317), die Praxis zeigt jedoch, dass es tatsächlich vergleichsweise leicht gelingt, den Vorsteuerabzug unberechtigt zu erlangen. Andererseits würden sich ohne § 14c Abs. 2 UStG Probleme bei der Erhebung der entsprechenden USt ergeben, da der Aussteller des Abrechnungspapiers keine Leistung i. S. d. UStG erbracht hat, für die er USt nach den allgemeinen Vorschriften des UStG schuldet.
Rz. 61
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Auf diesen Gefährdungstatbestand des USt-Aufkommens reagiert § 14c Abs. 2 UStG. Abrechnungspapiere i. S. d. Vorschrift sind daher solche, die die Merkmale des § 14 UStG aufweisen und deswegen geeignet sind, unberechtigt Vorsteuern zu beanspruchen (vgl. BFH vom 04.05.1995, Az: V R 29/94, BStBl II 1995, 747 – selbst bei einem fiktiven Rechnungsadressaten). Ein Abrechnungspapier muss nicht sämtliche Angaben der §§ 14 Abs. 4 und 14a UStG enthalten, um die Rechtsfolgen des § 14c Abs. 2 UStG eintreten zu lassen, mindestens aber die Angabe des Rechnungsausstellers, des (vermeintlichen) Leistungsempfängers, eine Leistungsbeschreibung sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene USt (vgl. Abschn. 14c.2. Abs. 1 S. 3 und 4 UStAE; vgl. Rz. 47 f.).
Rz. 62
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Um zu einem Gefährdungstatbestand zu kommen, muss der Aussteller des Abrechnungspapiers dieses in den Verkehr bringen (Begebung). Mangelnde Geschäftsfähigkeit schließt die Anwendung der Vorschrift nicht aus (vgl. BFH vom 30.01.2003, Az: V R 98/01, BStBl II 2003, 498 – Änderung der Rechtsprechung gegenüber BFH vom 21.02.1981, Az: V R 146/73, BStBl II 1980, 283 – bisher keine Anwendung bei krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wohl aber bei Beeinträchtigung durch Rauschmittel [insofern o. Ä.]). Unter Begebung ist die körperliche Übergabe des Abrechnungspapiers an den Adressaten zu verstehen. Dem steht gleich, wenn der Aussteller in die Verwendung des Abrechnungspapiers als Rechnung, ausdrücklich oder konkludent, nachträglich einwilligt oder ein Rechnungsentwurf ohne Begebung zum Adressaten gelangt, dem Aussteller dieser Umstand bekannt ist, er aber die fälschliche Verwendung in Kauf nimmt (vgl. BFH vom 21.04.2005, Az: V B 182/03, BFH/NV 2005, 1640). Auf einen tatsächlich eingetretenen Schaden des Steuergläubigers kommt es nicht an, ebenso wenig auf den Nachweis eines Verschuldens (BFH vom 10.12.1981, Az: V R 3/75, BStBl II 1982, 229; vgl. Abschn. 14c.2. Abs. 7 UStAE). Es genügt die abstrakte Gefahr, dass die Rechnung vom Empfänger zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs gebraucht wird. Wissen um einen Missbrauch und Vorsatz sind nicht erforderlich für die Anwendung der Vorschrift (vgl. BFH vom 21.05.1987, Az: V R 129/78, BStBl II 1987, 652), wohl aber die Mitwirkung an der Ausstellung (vgl. BFH vom 16.03.1993, Az: XI R 103/90, BStBl II 1993, 531; vgl. Abschn. 14c.2. Abs. 4 S. 4 UStAE; zur Frage der Mitwirkung sind die Grundsätze der Stellvertretung, zu denen auch die Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht gehören, zu berücksichtigen [BFH vom 07.04.2011, Az: V R 44/09, BStBl II 2011, 954; vgl. FG Münster vom 12.09.2017, Az: 15 K 1089/15 U, EFG 2017, 1767, rkr.). Schaltet der Nichtunternehmer oder Kleinunternehmer zur Veräußerung eines Pkw einen Vermittler ein und ermächtigt diesen nicht ausdrücklich zum gesonderten Ausweis der Steuer, im Zweifel im Wege der Auslegung, kann ihm der gesonderte Steuerausweis durch den Vermittler nicht zugerechnet werden (vgl. BFH vom 04.03.1982, Az: V R 59/81, BStBl II 1982, 315). Wer zulässt, dass unter seinem Namen Rechnungen in Umlauf gebracht werden, schuldet die gesondert ausgewiesene Steuer (vgl. BFH vom 04.05.1995, Az: V R 83/93, BFH/NV 1996, 190; auch ein Strohmann schuldet nach § 14c Abs. 2 UStG, vgl. FG München vom 13.01.2009, Az: 14 S 4536/06, DStRE 2010, 297 und FG München vom 19.03.2009, Az: 14 K 4535/06, EFG 2010, 455 [Rev. V R 44/09; vgl. Rz. 63, Stichwort "betrügerische Rechnungen"]). Die Begebung an einen Dritten ist ausreichend (vgl. BFH vom 27.10.1993, Az: XI R 99/90, BStBl II 1994, 277 – für einen Fall des Versicherungsbetruges durch eine Kfz-Werkstatt; vgl. Niedersächsisches FG vom 30.07.2010, Az: 16 K 55/10, EFG 2010, 2127 – Übermittlung einer Rechnung über eine nicht erbrachte Lieferung an einen Dritten). Nicht erforderlich ist, dass die Adressaten des Abrechnungspapiers existieren (vgl. BFH vom 04.05.1995, Az: V R 29/94, BStBl II 1995, 747). Auch ein vom Arbeitgeber zur Abrechnung von Provisionen verwendetes Formular kann den Tatbestand des § 14c Abs. 2 UStG erfüllen (vgl. BFH vom 13.09.1984, Az: V B 53/83, BStBl II 1985, 20), ebenso das Aushändigen eines blanko unterschrieb...