Unternehmer D aus Deutschland unterhält ein Warenlager in der Schweiz und veräußert Drittlandswaren im Wert von 25.000 EUR über den Online-Marktplatz des deutschen Betreibers O an Endverbraucher in Deutschland. Die Sendungen haben einen Wert von höchstens 150 EUR. D lässt die Waren vom Spediteur S direkt aus dem Lager in der Schweiz, wo sie sich im Zeitpunkt des Eingangs der Bestellungen befinden, zu den Kunden befördern. S führt die Waren im Namen und auf Rechnung des D in Deutschland ein. O nutzt das IOSS-Verfahren nicht.
Lösung:
Gemäß § 3 Abs. 3a S. 2 UStG wird ein Unternehmer (hier O), der mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 EUR unterstützt, so behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Diese Regelung fingiert zwei Lieferungen, nämlich im vorliegenden Fall für jeden Vorgang eine Lieferung von D an O und von O an den jeweiligen Endverbraucher in Deutschland, wobei die Warenbewegung unmittelbar von D zum jeweiligen Endverbraucher erfolgt. Es liegt ein Reihengeschäft vor, dessen bewegte Lieferung (§ 3 Abs. 6b UStG) diejenige von O, dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle, an den jeweiligen Endverbraucher ist. Die Lieferung von D an O ist als unbewegte, der bewegten Lieferung vorangehende Lieferung dort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt (§ 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 UStG), d. h. hier in der Schweiz. Sie ist nicht steuerbar.
Zur Bestimmung des Leistungsorts für die bewegte Lieferung kommt zunächst § 3c Abs. 3 S. 1 UStG in Betracht. Da O jedoch das IOSS-Verfahren nicht nutzt, liegt kein Einfuhrfernverkauf gem. § 3c Abs. 3 S. 1 UStG vor. Hier greift § 3c Abs. 3 S. 3 UStG ein, der § 3c Abs. 3 S. 1 UStG für die Lieferungen des Betreibers der elektronischen Schnittstelle, der gem. § 3 Abs. 3a S. 2 UStG in die Lieferkette einbezogen wird, für entsprechend anwendbar erklärt, wenn ein Unternehmer oder dessen Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist. Vorliegend ist D, ein Unternehmer, in dessen Namen die Zollanmeldung erfolgte, Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer. Damit ist § 3c Abs. 3 S. 3 UStG erfüllt. Die fingierten Lieferungen des O sind in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig.
Die Einfuhr der Waren durch U ist ebenfalls in Deutschland steuerbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG). Sie ist auch steuerpflichtig, da die Voraussetzungen der Einfuhrumsatzsteuerbefreiung in § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG mangels Anwendung des IOSS-Verfahrens nicht erfüllt sind. U ist nicht zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt, da die Einfuhr i. R. d. von O ausgeführten bewegten Lieferung und damit für dessen Unternehmen erfolgte. O benötigt für den Vorsteuerabzug den zollamtlichen Beleg, den U ihm aushändigen muss.