2.3.1 Allgemeines
Rz. 9
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Neben fabrikneuen Fahrzeugen gelten als neu
- Landfahrzeuge, die noch nicht mehr als 6.000 km zurückgelegt haben,
- Landfahrzeuge, deren erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als sechs Kalendermonate zurückliegt,
- Wasserfahrzeuge, die noch nicht mehr als 100 Betriebsstunden auf dem Wasser zurückgelegt haben,
- Wasserfahrzeuge, deren erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als drei Kalendermonate zurückliegt,
- Luftfahrzeuge, die noch nicht länger als 40 Betriebsstunden genutzt worden sind,
- Luftfahrzeuge, deren erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als drei Kalendermonate zurückliegt.
Rz. 10
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Zur Zeitraumberechnung vgl. Rz. 12 ff.
Mit der Inbetriebnahme ist der Tag gemeint, an dem das Fahrzeug tatsächlich erstmalig genutzt wird. Eine evtl. herbeizuführende Straßenverkehrszulassung ist nicht maßgeblich.
Rz. 11
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
In der Praxis ist darauf zu achten, dass für alle Arten Fahrzeuge § 1b UStG nur dann keine Anwendung findet, wenn
- beide Grenzen (erste Inbetriebnahme und Nutzungsdauer) und
- nicht nur eine der Grenzen
überschritten sind (Hinweis auch auf Rz. 11a).
Ein vier Monate alter Pkw mit 100.000 km zurückgelegter Fahrtstrecke gilt umsatzsteuerrechtlich ebenso als neu wie ein 25 Jahre alter Oldtimer mit einem Kilometerstand von 5900 km.
Lösung:
Damit die Sonderregel für Neufahrzeuge nicht zur Anwendung kommt, muss ein Landfahrzeug also
- mehr als 6.000 km "auf dem Tacho" haben und
- älter als ein halbes Jahr sein.
2.3.2 Auch weiterhin aktuell: Fehler beim An- und Verkauf von Jahreswagen
Rz. 11a
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Vermehrt decken Betriebsprüfungen derzeit Fahrzeugankäufe und -verkäufe auf, die von deutschen Kfz-Händlern nicht – wie es richtig wäre – zunächst der Erwerbs- und dann der Regelbesteuerung, sondern fälschlicherweise der Differenzbesteuerung unterworfen wurden. Die Verkäufer sind i. d. R. Werksangehörige der (auch) im EU-Ausland ansässigen Hersteller. Die Werksangehörigen kaufen die Fahrzeuge vergünstigt und – anders als in Deutschland – häufig ohne Haltefrist von Ihrem Arbeitgeber und verkaufen diese mit Profit an deutsche Händler weiter. Der Einkaufspreis des deutschen Händlers liegt dann immer noch weit unter dem Preis eines Einkaufs vom Hersteller, obwohl der Kilometerstand nahe der Null ist (Weimann, ASR 9/2014, 6).
Neufahrzeuge (jünger als 6 Monate und 1 Tag oder Fahrleistung noch unter 6.001 km) müssen immer regelbesteuert weiterverkauft werden. Die Differenzbesteuerung kommt also keinesfalls zur Anwendung!
Wird das übersehen, kommen auf das Autohaus erhebliche Mehrsteuern zu:
Im Prüfungszeitraum 2021 kaufte das deutsche Autohaus (A) in Polen von Privatpersonen Neufahrzeuge im Wert von ca. EUR 400.000.
Da die Fahrzeuge sämtlich an deutsche Privatkunden gingen, wollte A nur die eigene Marge (ca. 10 % = EUR 40.000) der Umsatzsteuer unterwerfen und kalkulierte die Verkaufspreise wie folgt:
Einkaufspreis + Marge + Umsatzsteuer auf die Marge = Verkaufspreis
Lösung:
Die Betriebsprüfung vertritt dagegen zu Recht die Auffassung, dass die Differenzbesteuerung keine Anwendung findet und dass das Gesamtentgelt der Umsatzsteuer unterliegt. Für das Autohaus führt dies zu einer erheblichen Umsatzsteuermehrbelastung, die selbstverständlich nicht (nachträglich) an den Kunden weitergegeben werden kann:
Einkaufspreis |
400.000 EUR |
+ Marge |
40.000 EUR |
+ 19 % auf die Marge |
7.600 EUR |
Verkaufspreis |
447.600 EUR |
|
|
USt-Belastung lt. Autohaus |
7.600 EUR |
USt-Belastung lt. Betriebsprüfung (Verkaufspreis : 119 × 19) |
71.465 EUR |
2.3.3 EuGH zur Zeitraumberechnung
Rz. 12
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Der EuGH hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden (EuGH vom 18.11.2010, Rs. C-84/09, X, BFH/NV 2011, 179):
Eine in Schweden ansässige Privatperson (S) beabsichtigte, im UK ein Segelboot für den privaten Gebrauch zu erwerben. Das Boot sollte zunächst im Liefermitgliedstaat UK für einen Zeitraum von 3–5 Monaten für Freizeitzwecke verwandt werden und dabei mehr als 100 Betriebsstunden auf dem Wasser zurücklegen. Im Anschluss an den Segeltörn beabsichtigte S, das Boot auf dem Seeweg an seinen endgültigen Bestimmungsort in Schweden zu bringen.
Nach Ankunft in Schweden wäre das Boot damit nicht mehr "neu" i. S. d. Umsatzsteuerrechts gewesen (Art. 2 Abs. 2, Art. 20 Abs. 1, Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL; zum deutschen Recht vgl. § 1b Abs. 3 Nr. 2 UStG). Daher wollte S vor dem Kauf von den schwedischen Finanzbehörden wissen, ob er mit der schwedischen Erwerbsteuer (25 %) oder mit der niedrigeren britischen Umsatzsteuer (17,5 %) rechnen muss.
S beantragte hinsichtlich der möglichen Besteuerung in Schweden eine verbindliche Auskunft. Zweifel bestanden hinsichtlich der Frage, ob die Beförderung in den anderen Mitgliedstaat innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen muss und welcher Zeitpunkt für die Beurteilung des Fahrzeugs als "neu" maßgeblich sein kann.
Rz. 13
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Nach Auffassung des EuGH sind die Art. 20 Abs. 1 und 138 Abs. 1 MwStSystRL dahin auszulegen, dass die Qualifikation eines Umsatze...