Dipl.-Finanzwirt (FH) Carsten Timm
2.3.1 Grundsätzliches
Rz. 12
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Hat der Mitgliedstaat, in dem die Beförderung oder Versendung endet, die vom Erwerber verwendete USt-IdNr. erteilt, richtet sich der Ort des i. g. Erwerbs ausschließlich nach § 3d S. 1 UStG.
Rz. 13
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Sind jedoch der Mitgliedstaat, der die USt-IdNr. erteilt hat, und der Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Beförderung oder Versendung des Liefergegenstandes endet, nicht identisch, greift die Sonderregelung des § 3d S. 2 1. Alternative UStG. Danach gilt der Erwerb so lange in dem Gebiet des Mitgliedstaates, der die USt-IdNr. erteilt hat, als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb in dem Mitgliedstaat besteuert worden ist, in dem die Beförderung oder Versendung geendet hat. Damit wird neben dem in § 3d S. 1 UStG festgelegten Ort des i. g. Erwerbs ein weiterer Erwerbsort fingiert, der eine auflösend bedingte Besteuerung zur Folge hat.
TIPP
§ 3d S. 1 und S. 2 UStG stehen kumulativ nebeneinander:
Immer ist ein i. g. Erwerb nach S. 1 in dem Land zu besteuern, in dem die Warenbewegung geendet hat.
Zusätzlich hat nach S. 2 eine Besteuerung in dem Land zu erfolgen, dessen vom Ende der Warenbewegung abweichende USt-IdNr. verwendet wurde (vgl. Korn in Bunjes, § 3d Rn. 4).
2.3.2 Bisherige Rechtsauffassung zum (flankierenden) Vorsteuerabzug
Rz. 14
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Wegen des grundsätzlichen Nullsummeneffekts i. g. Erwerbe erwies sich die Doppelbesteuerung lange Zeit als wenig nachteilig (vgl. Vorauflage). Das änderte sich schlagartig mit der Rechtsprechungsänderung des EuGH.
2.3.3 Neue Rechtsauffassung zum Vorsteuerabzug und Klarstellung durch das AmtshilfeRLUmsG
Rz. 15
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Die Anwendung der Sonderregelung des Art. 41 MwStSystRL (= deutscher § 3d S. 1 UStG) wäre schon im Ansatz gefährdet, wenn dem Unternehmer ein Vorsteuerabzug auch in den Fällen des § 3d S. 2 UStG nach den allgemeinen Grundsätzen zustünde; damit entfiele jeder Anreiz, die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland nachzuweisen. Aus diesem Grund hat der EuGH den Vorsteuerabzug eingeschränkt (EuGH vom 22.04.2010, Rs. C-536/08 und C-539/08, X und Facet BV/Facet Trading BV, BFH/NV 2010, 1225).
Rz. 16
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Wirtschaftlich betrachtet führt die zusätzliche Erwerbssteuer nach § 3d S. 2 UStG damit zu einer Art "Strafsteuer", wenn es dem die Lieferung empfangenden Unternehmer nicht gelingt, die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland nachzuweisen (ausführlich hierzu Weimann, UidP, Kap. 75.5). Dies gilt sowohl in den Fällen, in denen zwei Unternehmer über den Liefergegenstand Umsatzgeschäfte abschließen (§ 3d S. 2 Alt. 1 UStG) als auch bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Form von Dreiecksgeschäften (§ 3d S. 2 Alt. 2 UStG).
Rz. 17
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Nachdem sich zunächst der BFH (Urteil vom 01.09.2010, Az: V R 39/08, BStBl II 2011, 658; Urteil vom 08.09.2010, Az: XI R 40/08, BStBl II 2011, 661) und die Finanzverwaltung (BMF vom 07.07.2011, BStBl I 2011, 739) geäußert hatten, hat nun auch der Gesetzgeber nachgezogen; § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG beschränkt den Vorsteuerabzug ausdrücklich auf die Fälle des § 3d S. 1 UStG.
2.3.4 Das ungelöste Praxisproblem des Besteuerungsnachweises
Rz. 18
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Die Besteuerung nach § 3d S. 2 UStG erfolgt nicht endgültig. Sie ist wieder rückgängig zu machen, wenn der Erwerber den Nachweis erbringt, dass der Erwerb in dem Mitgliedstaat besteuert worden ist, in dem die Beförderung oder Versendung geendet hat (auflösend bedingte Besteuerung).
Rz. 19
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Die Rechtsgrundlage hierzu bildet im deutschen Recht § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG. Die weiteren Einzelheiten der Nachweisführung sind derzeit noch völlig ungeklärt:
- Die Steuererklärung allein reicht nicht aus: Da bei innergemeinschaftlichen Erwerben nach Art. 251 MwStSystRL (vgl. hierzu § 18 Abs. 4a UStG für inländische Erwerbe) in den Steuererklärungen (Voranmeldungen) nur der Gesamtbetrag des innergemeinschaftlichen Erwerbs anzugeben ist, kann jedenfalls allein durch die Vorlage der entsprechenden Steuererklärung (Voranmeldung) mit dem entsprechenden Zahlungsbeleg dieser Nachweis nicht erbracht werden.
- Eine detaillierte Einzelaufstellung ist erforderlich: Um die Besteuerung eines einzelnen Erwerbs nachzuweisen, muss daher zusätzlich eine Aufstellung der innergemeinschaftlichen Erwerbe des betreffenden Besteuerungszeitraums vorgelegt werden, aus der sich ergibt, dass in dem erklärten Gesamtbetrag derjenige Erwerb, dessen Doppelbelastung rückgängig gemacht werden soll, enthalten ist. Da der Nachweis in dieser Form an die Grenze des Zumutbaren stößt und außerdem steuerbegründende Tatsachen grundsätzlich von den Finanzbehörden nachzuweisen sind, bleibt zu hoffen, dass insoweit Vereinfachungs- oder Billigkeitsregelungen getroffen werden. Eine entsprechende Bescheinigung des Bestimmungslandes wäre ein denkbarer Ansatz.
- Zeitpunkt der Korrektur: Das deutsche Umsatzsteuerrecht beinhaltet die Korrekturregelung in § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG. In sinngemäßer Anwendung des § 17 Abs. 1 S. 7 UStG kann eine Berichtigung jedoch erst in dem Besteuerungszeitraum erfolgen, in dem der Steuerpflichtige den Nachweis nach § 3d S. 2 UStG über die Besteuerun...