Rz. 63
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Steuerbefreiung umfasst Umsätze im Geschäft mit Forderungen in Form von Geldforderungen, aber auch Umsätze von Forderungen in Form anderer Handelspapiere, insbesondere Geschäfte mit Warenforderungen wie z. B. Optionen im Warentermingeschäft, sofern die Optionsausübung keine Warenlieferung zur Folge hat (vgl. BFH vom 30.03.2006, V R 19/02, BStBl II 2007, 68, Tz. II. 2. b) aa) aaa) sowie Abschn. 4.8.4. Abs. 6 S. 1 und 2 UStAE). Entscheidend für die Steuerfreiheit ist, dass die Forderung oder das Handelspapier entweder auf eine Geldzahlung oder zumindest auf die Verschaffung einer zu einer Geldzahlung berechtigenden Forderung gerichtet ist (so auch Wäger in S/R, 95. EL Juni 2022, UStG § 4 Nr. 8, Rn. 130). Forderungen i. S. v. § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG müssen nicht bereits entstanden sein (vgl. BFH vom 05.09.2019, V R 57/17, BStBl II 2020, 356, Rn. 42). Nicht umsatzsteuerbefreit sind dagegen grundsätzlich Geschäfte mit auf Sachleistungen gerichteten Ansprüchen wie beispielsweise Ansprüche auf die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Leistungen.
Rz. 64
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Ein Umsatz ist nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfrei, wenn er ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes darstellt, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen der Tätigkeiten i. S. d. Befreiungsnorm erfüllt (vgl. EuGH vom 22.10.2009, C-242/08, SwissRe Germany Holding GmbH, Rn. 45; EuGH vom 21.06.2007, C-453/05, Ludwig, Rn. 27; EuGH vom 04.05.2006, C-169/04, Abbey National, Rn. 70; EuGH vom 13.12.2001, C-235/00, CSC Financial Services, Rn. 25; EuGH vom 05.06.1997, C-2/95, SDC, Rn. 66; BFH vom 05.09.2019, V R 57/17, BStBl II 2020, 356, Rn. 40). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er bewirkt, dass Forderungen übertragen sowie rechtliche und finanzielle Änderungen zwischen den Beteiligten herbeigeführt werden, durch ihn also tatsächlich oder potenziell die Inhaberschaft an den in Rede stehenden Forderungen übertragen wird oder er die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer solchen Übertragung erfüllt (vgl. BFH vom 05.09.2019, V R 57/17, BStBl II 2020, 356, Rn. 40, 44). Dies kann bei einer Vollrechtsübertragung durch Abtretung oder bei einer Optionseinräumung oder -gewährung der Fall sein. Aufgrund der offenen Formulierung des Befreiungstatbestandes könnte aber z. B. auch ein Differenzgeschäft über Forderungen nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfrei sein, vorausgesetzt, dass es sich dabei auch um einen steuerbaren Umsatz handelt.
Rz. 65
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG fallen auch die Umsätze von aufschiebend bedingten Geldforderungen (vgl. BFH vom 12.12.1963, V 60/61 U, BStBl III 1964, 109).
Rz. 66
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Veräußerung eines Bausparvorratsvertrages ist als einheitliche Leistung anzusehen, die in vollem Umfang nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfrei ist (vgl. Abschn. 2.4. und 4.8.4. Abs. 2 UStAE). Die Veräußerung von "gebrauchten" Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt ist als Umsatz im Geschäft mit Forderungen nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG von der Umsatzsteuer befreit. Voraussetzung hierfür ist, dass die Übertragung der (zukünftigen) Geldforderung dabei die Hauptleistung, die Übertragung der sonstigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag hingegen eine Nebenleistung dazu darstellt, die das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt (vgl. BFH vom 05.09.2019, V R 57/17, BStBl II 2020, 356, Rn. 27, 40, 44, 45 ff.).
Rz. 67
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Ausdrücklich nicht von der Steuerbefreiung erfasst sind Forderungseinziehungsleistungen. Dabei bezieht sich der Begriff der Einziehung von Forderungen auf klar umschriebene finanzielle Transaktionen, die darauf gerichtet sind, die Erfüllung einer Geldschuld zu erwirken (vgl. EuGH vom 28.10.2010, C-175/09, Axa UK, Rn. 31; EuGH vom 26.06.2003, MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring GmbH, Rn. 78). Als Ausnahme vom Befreiungstatbestand ist der Begriff des Forderungseinzugs weit auszulegen (vgl. EuGH vom 28.10.2010, C-175/09, Axa UK, Rn. 30; EuGH vom 26.06.2003, MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring GmbH, Rn. 72 ff.). Steuerpflichtig ist danach beispielsweise eine Inkassotätigkeit, bei der ein Dienstleister eine für ihn fremde Forderung in fremdem Namen und auf fremde Rechnung einzieht (vgl. Abschn. 2.4. Abs. 2 S. 3 UStAE).
Rz. 68
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung des Factorings im Einzelnen vgl. insbesondere Abschn. 2.4. und 10.5. Abs. 6 UStAE. Besonderheiten ergeben sich dabei u. a. auch beim Verkauf sog. Non-Performing Loans (NPLs), auch als notleidende oder ausfallgefährdete Forderungen bezeichnet. Der EuGH entschied dazu, dass der Verkauf notleidender Forderungen zu einem unter dem Nennwert der Forderung liegenden Kaufpreis nicht zu einer steuerpflichtigen Leistung, die der Forderungserwerber an den Forderungsverkäufer erbringt, führen würde, wenn die Differenz zwischen dem Nennwert der Forderungen und dem Kaufpreis den tatsächlichen wir...