Fabian Hammler, Nicole Stumm
Rz. 23
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Gelangt das für den auf der elektronischen Schnittstelle registrierten Händler zuständige FA zu der Erkenntnis, dass dieser seinen "steuerlichen Pflichten nicht oder nicht in wesentlichem Umfang" nachkommt, ist es berechtigt, dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle eine entsprechende Mitteilung zu machen, wenn "andere Maßnahmen keinen unmittelbaren Erfolg versprechen" (§ 25e Abs. 4 S. 1 UStG). Durch diese Mitteilung kann es die Haftung des Betreibers der elektronischen Schnittstelle in Gang setzen, selbst wenn dieser die Aufzeichnungspflichten erfüllt und auch im Übrigen die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns angewendet hat, ohne dass er von der Verletzung steuerlicher Pflichten durch den Händler Kenntnis hatte oder hätte haben müssen. Die Haftung erstreckt sich auf die Umsatzsteuer für alle Umsätze, deren zugrunde liegende Rechtsgeschäfte nach Zugang der Mitteilung über die elektronische Schnittstelle abgeschlossen wurden. Zur Bestimmung des Zugangszeitpunktes ist § 122 AO entsprechend heranzuziehen (Abschn. 25e. Abs. 1 S. 3 UStAE). Die Rechtsnatur der Mitteilung ist nicht ausdrücklich geregelt. Es spricht viel dafür, dass es sich um einen Verwaltungsakt i. S. d. § 118 AO handelt, also eine hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls mit Außenwirkung (vgl. Heuermann in Sölch/Ringleb, UStG, § 25e Rn. 30 und 31; Heidner in Bunjes, UStG, § 25e Rn. 43). Unmittelbare Rechtswirkungen ergeben sich aus ihr einerseits für den Betreiber der elektronischen Schnittstelle, der dem Haftungsrisiko ausgesetzt wird, andererseits für den Händler, dem der Ausschluss von der elektronischen Schnittstelle droht. Als Verwaltungsakt mit Drittwirkung kann sie daher sowohl durch den Betreiber der elektronischen Schnittstelle als auch durch den Händler mittels eines Einspruchs angegriffen werden (vgl. Heuermann in Sölch/Ringleb, UStG, § 25e Rn. 30 und 31; Heidner in Bunjes, UStG, § 25e Rn. 43).
Rz. 24
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Mitteilung des FA setzt voraus, dass der Händler seinen "steuerlichen Pflichten nicht oder nicht in wesentlichem Umfang" nachkommt und "andere Maßnahmen keinen unmittelbaren Erfolg versprechen". Diese unbestimmten Rechtsbegriffe verwaschen die Konturen des Haftungstatbestandes und werfen in vieler Hinsicht Fragen auf (zur Kritik vgl. Heidner in Bunjes, UStG, § 25e Rn. 45 ff.; Grambeck in Weymüller, Beck OK, UStG, § 25e Rn. 53; Heuermann in Sölch/Ringleb, UStG, § 25e Rn. 35 und 36). Wann Pflichten "nicht in wesentlichem Umfang" nachgekommen wird, bleibt ebenso offen wie die Frage, welche Maßnahmen "unmittelbaren Erfolg" versprechen. Hier wird es den Gerichten obliegen, im Laufe der Zeit eine Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben zu erarbeiten. Bis dahin werden die FA von dem ihnen eingeräumten Ermessen Gebrauch machen und im Rahmen dieser Entscheidung abwägen, ob sie eine Mitteilung an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle versenden.
Rz. 25
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Bei der Ausübung ihres Ermessens müssen die Finanzbehörden beachten, dass nur der Umstand der steuerlichen Pflichtverletzung des Händlers eine Haftung des Betreibers der elektronischen Schnittstelle rechtfertigt. Ist streitig, ob und in welchem Umfang überhaupt steuerliche Pflichten bestehen (z. B. ob der Händler als Unternehmer i. R. d. Unternehmens tätig war, welcher Steuersatz anzuwenden ist etc.), ist dies vorrangig im Rechtsbehelfsverfahren zu klären (vgl. Heuermann in Sölch/Ringleb, UStG, § 25e Rn. 35 und 36).
Rz. 26
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Das BMF gibt kaum Hilfestellung zur Anwendung der Norm und erläutert in Abschn. 25e.3. Abs. 1 S. 4 Nr. 1–4 UStAE lediglich, dass umsatzsteuerliche Pflichtverletzungen insbesondere sind:
- Abgabe unrichtiger Umsatzsteuer-Voranmeldungen/Umsatzsteuererklärungen für das Kj.,
- Nichtabgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen/Umsatzsteuererklärungen für das Kj.,
- Nichtzahlung oder nicht vollständige Zahlung fälliger Umsatzsteuerbeträge oder
- Nichtbenennung eines Empfangsbevollmächtigten im Inland nach § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG.
Rz. 27
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Vorgaben zur Länge der Frist, die das FA dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle zu setzen hat, enthalten die Regelungen des UStAE nicht. Da es i. d. R. auf eine Sperrung der "Accounts" des betroffenen Händlers hinauslaufen wird, bedarf es allerdings keiner längeren Fristen, da dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle die Setzung einer Sperre technisch innerhalb kurzer Zeit möglich sein dürfte.
Rz. 28
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die vorstehenden Regelungen gelten sowohl im Fall des § 25e Abs. 2 UStG als auch entsprechend im Fall des § 25e Abs. 3 UStG (Händler registriert sich als Nichtunternehmer auf der elektronischen Schnittstelle und das FA, das feststellt, dass er tatsächlich Unternehmer ist, macht dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle eine entsprechende Mitteilung). Letzteres wird durch § 25e Abs. 4 S. 4 UStG ausdrücklich angeordnet.