Dipl.-Finanzwirt (FH) Carsten Timm
Rz. 118
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) führt umsatzsteuerlich v. a. immer dann zu echten ("geldwerten") Vorteilen, wenn Unternehmen(steile) gem. § 15 Abs. 2 bis 4 UStG nicht oder nicht in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt sind (bspw. §§ 4 Nr. 8, 10, 14 UStG). Die nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge auf konzerninterne Leistungsbeziehungen werden dann zu einem Kostenfaktor. Diese Kostenbelastung lässt sich u. U. durch Errichtung einer Organschaft verhindern, da innerorganschaftliche Leistungsaustauschbeziehungen umsatzsteuerlich innerhalb ein und desselben Unternehmens (sog. Innenumsätze) und damit neutral erfolgen; sie lösen keine zusätzliche Kostenbelastung in Form nicht abziehbarer Vorsteuern aus.
Die B1-Bank ist ausschließlich auf dem Gebiet der Vergabe inländischer Konsumentenkredite (§ 4 Nr. 8 Buchst. a UStG) tätig. Die Datenverarbeitung gliedert die B1-Bank auf die B1-GmbH aus, die finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen der B1-Bank eingegliedert ist.
Lösung:
Die Leistungen der B1-GmbH an die B1-Bank erfolgen innerhalb eines Organkreises und sind damit als Innenumsätze nicht umsatzsteuerbar.
Rz. 119
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Gemeinschaftsrechtlich beruht die umsatzsteuerliche Organschaft auf Art. 11 MwStSystRL. Danach kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Die Unterschiede zu § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sind beträchtlich. Anstatt von Eingliederungsmerkmalen spricht Art. 11 MwStSystRL unter Verwendung derselben begrifflichen Voraussetzungen von engen Verbindungen. Können nach dem UStG nur juristische Personen ihre Selbstständigkeit verlieren, betrifft die Wirkung nach Unionsrecht alle Personen.
Nach dem Wortlaut des Art. 11 MwStSystRL haben die Mitgliedstaaten ein Wahlrecht,
- ob sie eine Organschaft überhaupt (dem Grunde nach) zulassen,
- und – wenn ja – von welchen Voraussetzungen diese dann abhängen soll.
Der Spielraum der Mitgliedstaaten ist jedoch eingeschränkt. Nach der Entscheidung des EuGH vom 25.04.2013, Rs. C-480/10 (UR 2013,423) dürfen die Regelungen des Art. 11 MwStSystRL im nationalen Recht (nur) beschränkt werden, sofern dies den Zielen der Richtlinie entspricht, die auf die Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und die Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung abzielt.
Rz. 120
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Die Bundesrepublik hat dieses Wahlrecht in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dahingehend ausgeübt, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes nur juristische Personen (insbes. Kapitalgesellschaften) als Organgesellschaften in einen umsatzsteuerlichen Organkreis eingegliedert werden können. Allerdings hat sich die Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung dahingehend geändert, dass auch eine Personengesellschaft finanziell eingegliedert sein kann, vorausgesetzt, Gesellschafter der Personengesellschaft sind neben dem Organträger nur Personen, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sind, sodass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei der stets möglichen Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist (Abschn. 2.8. Abs. 5a UStAE). Beim BFH ist unter dem Az. V R 5/23 die Frage anhängig, ob eine finanzielle Eingliederung einer Personengesellschaft als Organgesellschaft in den umsatzsteuerlichen Organkreis möglich ist, wenn bei der Personengesellschaft nicht alle Gesellschafter finanziell in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sind (Aktenzeichen Vorinstanz FG Münster: 5 K 232/18 U).
Gesellschafter einer GmbH & Co. KG ist neben der Komplementär-GmbH eine zweite GmbH als Kommanditistin. Die Z-AG hält an beiden GmbHs jeweils einen Anteil von mehr als 50 % (vgl. Abschn. 2.8. Abs. 5a UStAE).
Lösung:
Nach dem geänderten deutschem Umsatzsteuerrecht ist eine Organschaft möglich. Alle Gesellschafter der GmbH & Co. KG sind finanziell in das Unternehmen der Z-AG eingegliedert. Folglich ist auch die GmbH & Co. KG in das Unternehmen der Z-AG finanziell eingegliedert.
Rz. 121
Stand: 6. A. – ET: 07/2024
Dass die sich aus den Beispielen ergebende Benachteiligung von Personengesellschaften, die nicht Organgesellschaften sein können, wahrscheinlich gegen die vom EuGH geforderte wettbewerbsneutrale Umsetzung von Mitgliedstaatenwahlrechten verstößt, wurde in der Vergangenheit angeprangert (Hahne, DStR 2008, 910; Weimann, UStB 2008, 186). Der Grundsatz der Neutralität lässt es nicht zu, "dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden. Nach ständiger Rechtsprechung nämlich verbietet er es, gleichartige und infolgedessen miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Dabei kommt es nic...